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Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878.

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Schlussfolgerungen.
vorgenommen wurden, absolut nichts für oder gegen das Ver¬
halten der schädlichen, der pathogenen Bakterien beweisen. Nun
sind aber fast sämmtliche derartige Experimente mit dem ersten
besten Gemenge von Bakterienarten ausgeführt, ohne dass fest¬
stand, ob in diesem Gemisch auch wirklich pathogene Bakterien
enthalten waren. Es ist also einleuchtend, dass alle diese Expe¬
rimente zu einem Beweise für oder gegen den Parasitismus der
Infectionskrankheiten nicht verwerthet werden können.


In allen meinen Versuchen hat sich ausser der Beständigkeit
der Bakterien in Grösse und Gestalt auch die grösste Gleich¬
mässigkeit in ihren Wirkungen auf den thierischen Organismus,
aber keine Steigerung der Virulenz, wie sie von Coze und Feltz,
Davaine und Anderen beobachtet ist, ergeben. Dies veranlasst
mich noch zu einigen Bemerkungen über das von den genannten
Forschern gefundene resp. bestätigte angebliche Gesetz von der
zunehmenden Virulenz des Durchgangsblutes.

Die Entdeckung dieses Gesetzes ist bekanntlich mit grossem
Enthusiasmus aufgenommen und hat durch die Beziehungen, die
demselben zur Lehre von der Anpassung und Vererbung gegeben
wurden, kein geringes Interesse erregt. Einige sonst ganz exacte
Forscher haben sich durch die verführerische Theorie blenden
lassen, dass die unbedeutende Wirkung einer einfachen Fäulniss¬
bakterie durch fortgesetzte Anpassung und Vererbung bis zum
quadrillionfach verdünnten, noch tödtlichen Agens gesteigert wer¬
den könne. Sie haben die schönsten Nutzanwendungen für die
Praxis daraus geschaffen und nicht dabei bedacht, dass die frag¬
lichen Bakterien noch nicht einmal mit Sicherheit nachgewie¬
sen sind.

Die Originalarbeiten von Coze und Feltz, sowie von Davaine
stehen mir nicht zur Verfügung und ich muss deswegen auf eine
vollständige Kritik derselben verzichten. Soweit ich nun aber
aus den mir zugänglichen Referaten, namentlich aus den ausführ¬
lichen Berichten im Virchow-Hirsch'schen Jahresbericht, ent¬
nehme, scheint ein eigentlicher Beweis dafür, dass die Virulenz
des septicämischen Blutes von Generation zu Generation zunimmt,
gar nicht geliefert zu sein. Es wurde anscheinend allmählich eine
immer stärkere Verdünnung des Blutes eingespritzt und man war

Schlussfolgerungen.
vorgenommen wurden, absolut nichts für oder gegen das Ver¬
halten der schädlichen, der pathogenen Bakterien beweisen. Nun
sind aber fast sämmtliche derartige Experimente mit dem ersten
besten Gemenge von Bakterienarten ausgeführt, ohne dass fest¬
stand, ob in diesem Gemisch auch wirklich pathogene Bakterien
enthalten waren. Es ist also einleuchtend, dass alle diese Expe¬
rimente zu einem Beweise für oder gegen den Parasitismus der
Infectionskrankheiten nicht verwerthet werden können.


In allen meinen Versuchen hat sich ausser der Beständigkeit
der Bakterien in Grösse und Gestalt auch die grösste Gleich¬
mässigkeit in ihren Wirkungen auf den thierischen Organismus,
aber keine Steigerung der Virulenz, wie sie von Coze und Feltz,
Davaine und Anderen beobachtet ist, ergeben. Dies veranlasst
mich noch zu einigen Bemerkungen über das von den genannten
Forschern gefundene resp. bestätigte angebliche Gesetz von der
zunehmenden Virulenz des Durchgangsblutes.

Die Entdeckung dieses Gesetzes ist bekanntlich mit grossem
Enthusiasmus aufgenommen und hat durch die Beziehungen, die
demselben zur Lehre von der Anpassung und Vererbung gegeben
wurden, kein geringes Interesse erregt. Einige sonst ganz exacte
Forscher haben sich durch die verführerische Theorie blenden
lassen, dass die unbedeutende Wirkung einer einfachen Fäulniss¬
bakterie durch fortgesetzte Anpassung und Vererbung bis zum
quadrillionfach verdünnten, noch tödtlichen Agens gesteigert wer¬
den könne. Sie haben die schönsten Nutzanwendungen für die
Praxis daraus geschaffen und nicht dabei bedacht, dass die frag¬
lichen Bakterien noch nicht einmal mit Sicherheit nachgewie¬
sen sind.

Die Originalarbeiten von Coze und Feltz, sowie von Davaine
stehen mir nicht zur Verfügung und ich muss deswegen auf eine
vollständige Kritik derselben verzichten. Soweit ich nun aber
aus den mir zugänglichen Referaten, namentlich aus den ausführ¬
lichen Berichten im Virchow-Hirsch'schen Jahresbericht, ent¬
nehme, scheint ein eigentlicher Beweis dafür, dass die Virulenz
des septicämischen Blutes von Generation zu Generation zunimmt,
gar nicht geliefert zu sein. Es wurde anscheinend allmählich eine
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[77/0087] Schlussfolgerungen. vorgenommen wurden, absolut nichts für oder gegen das Ver¬ halten der schädlichen, der pathogenen Bakterien beweisen. Nun sind aber fast sämmtliche derartige Experimente mit dem ersten besten Gemenge von Bakterienarten ausgeführt, ohne dass fest¬ stand, ob in diesem Gemisch auch wirklich pathogene Bakterien enthalten waren. Es ist also einleuchtend, dass alle diese Expe¬ rimente zu einem Beweise für oder gegen den Parasitismus der Infectionskrankheiten nicht verwerthet werden können. In allen meinen Versuchen hat sich ausser der Beständigkeit der Bakterien in Grösse und Gestalt auch die grösste Gleich¬ mässigkeit in ihren Wirkungen auf den thierischen Organismus, aber keine Steigerung der Virulenz, wie sie von Coze und Feltz, Davaine und Anderen beobachtet ist, ergeben. Dies veranlasst mich noch zu einigen Bemerkungen über das von den genannten Forschern gefundene resp. bestätigte angebliche Gesetz von der zunehmenden Virulenz des Durchgangsblutes. Die Entdeckung dieses Gesetzes ist bekanntlich mit grossem Enthusiasmus aufgenommen und hat durch die Beziehungen, die demselben zur Lehre von der Anpassung und Vererbung gegeben wurden, kein geringes Interesse erregt. Einige sonst ganz exacte Forscher haben sich durch die verführerische Theorie blenden lassen, dass die unbedeutende Wirkung einer einfachen Fäulniss¬ bakterie durch fortgesetzte Anpassung und Vererbung bis zum quadrillionfach verdünnten, noch tödtlichen Agens gesteigert wer¬ den könne. Sie haben die schönsten Nutzanwendungen für die Praxis daraus geschaffen und nicht dabei bedacht, dass die frag¬ lichen Bakterien noch nicht einmal mit Sicherheit nachgewie¬ sen sind. Die Originalarbeiten von Coze und Feltz, sowie von Davaine stehen mir nicht zur Verfügung und ich muss deswegen auf eine vollständige Kritik derselben verzichten. Soweit ich nun aber aus den mir zugänglichen Referaten, namentlich aus den ausführ¬ lichen Berichten im Virchow-Hirsch'schen Jahresbericht, ent¬ nehme, scheint ein eigentlicher Beweis dafür, dass die Virulenz des septicämischen Blutes von Generation zu Generation zunimmt, gar nicht geliefert zu sein. Es wurde anscheinend allmählich eine immer stärkere Verdünnung des Blutes eingespritzt und man war

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Zitationshilfe: Koch, Robert: Untersuchung über die Aetiologie der Wundinfectionskrankheiten. Leipzig, 1878, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koch_wundinfektionskrankheiten_1878/87>, abgerufen am 21.11.2024.