welche Welcker in dem Tagebuche seiner griechischen Reise für unlöslich erklärt. Ihren Abschluss erhielten diese Studien in der Stadtgeschichte von Athen, erschienen 1891, genau 50 Jahre, nachdem Curtius in seiner Promotionsschrift De portubus Athenarum zum ersten Male eine Frage der attischen Topographie selbstständig behandelt hatte. Man kann vielleicht verschiedener Meinung darüber sein, in wie fern es theoretisch gerecht- fertigt sei, eine Stadt als solche, und sei es auch Athen, zum Gegenstand einer geschichtlichen Darstellung zu machen; dass und wie es praktisch ausführbar ist, hat auf dem Gebiete des Alterthums Curtius an Athen in mustergültiger Weise gezeigt. Den Vorarbeiten für die Stadtgeschichte ging die Herausgabe der Karten von Attika durch Curtius und den Geh. Kriegs- rath Kaupert zur Seite. Einen Genossen in höherem Sinne hatte sich Curtius geworben in dem Generalfeldmarschall Moltke, der in der Erin- nerung an die von ihm selbst in jüngeren Jahren in der römischen Cam- pagna, in der Umgebung von Constantinopel und in Kleinasien ausgeführten kartographischen Arbeiten dem Unternehmen von Anfang an das lebhafteste Interesse widmete und nicht allein Curtius in Kaupert den geeignetsten Mitarbeiter zuwies, sondern auch dafür Sorge trug, dass unter dessen tech- nischer Leitung durch Officiere des grossen Generalstabes die Aufnahmen in Attika zu Ende geführt wurden. So ist ein Kartenwerk entstanden, welches der geschichtlichen Forschung eine sichere Grundlage gewährt und nur bedauern lässt, dass der Plan auf die eine Landschaft von Griechenland beschränkt geblieben ist; man kann sich denken, mit wie hoher Freude Curtius diese schönen Blätter, von denen jedes in der sauberen Ausfüh- rung wie ein kleines Kunstwerk erscheint, hat entstehen sehen. In der Gedächtnissrede, welche Curtius dem Grafen Moltke als Ehrenmitglied der Akademie am Leibniz-Tage 1891 gehalten hat, hat er mit warm em- pfundenen Worten den grossen Strategen als Förderer der geographischen und historischen Wissenschaft und classischen Schriftsteller gefeiert. Wenn Curtius auch das griechische Alterthum nie anders denn als ein Ganzes aufgefasst hat und dasselbe in seinen verschiedenen Erscheinungsformen aufzuhellen und zu beleuchten bemüht gewesen ist, so hat er doch stets der griechischen Landes- und Ortskunde das lebendigste Interesse entgegen- gebracht, so dass man wohl von einer besonderen Veranlagung sprechen darf, und die Nachwelt wird vermuthlich dieser Seite seiner wissenschaft- lichen Thätigkeit den Preis zuerkennen. Aber Curtius' Interesse beschränkte
Gedächtniſsrede auf Ernst Curtius.
welche Welcker in dem Tagebuche seiner griechischen Reise für unlöslich erklärt. Ihren Abschluſs erhielten diese Studien in der Stadtgeschichte von Athen, erschienen 1891, genau 50 Jahre, nachdem Curtius in seiner Promotionsschrift De portubus Athenarum zum ersten Male eine Frage der attischen Topographie selbstständig behandelt hatte. Man kann vielleicht verschiedener Meinung darüber sein, in wie fern es theoretisch gerecht- fertigt sei, eine Stadt als solche, und sei es auch Athen, zum Gegenstand einer geschichtlichen Darstellung zu machen; daſs und wie es praktisch ausführbar ist, hat auf dem Gebiete des Alterthums Curtius an Athen in mustergültiger Weise gezeigt. Den Vorarbeiten für die Stadtgeschichte ging die Herausgabe der Karten von Attika durch Curtius und den Geh. Kriegs- rath Kaupert zur Seite. Einen Genossen in höherem Sinne hatte sich Curtius geworben in dem Generalfeldmarschall Moltke, der in der Erin- nerung an die von ihm selbst in jüngeren Jahren in der römischen Cam- pagna, in der Umgebung von Constantinopel und in Kleinasien ausgeführten kartographischen Arbeiten dem Unternehmen von Anfang an das lebhafteste Interesse widmete und nicht allein Curtius in Kaupert den geeignetsten Mitarbeiter zuwies, sondern auch dafür Sorge trug, daſs unter dessen tech- nischer Leitung durch Officiere des groſsen Generalstabes die Aufnahmen in Attika zu Ende geführt wurden. So ist ein Kartenwerk entstanden, welches der geschichtlichen Forschung eine sichere Grundlage gewährt und nur bedauern läſst, daſs der Plan auf die eine Landschaft von Griechenland beschränkt geblieben ist; man kann sich denken, mit wie hoher Freude Curtius diese schönen Blätter, von denen jedes in der sauberen Ausfüh- rung wie ein kleines Kunstwerk erscheint, hat entstehen sehen. In der Gedächtniſsrede, welche Curtius dem Grafen Moltke als Ehrenmitglied der Akademie am Leibniz-Tage 1891 gehalten hat, hat er mit warm em- pfundenen Worten den groſsen Strategen als Förderer der geographischen und historischen Wissenschaft und classischen Schriftsteller gefeiert. Wenn Curtius auch das griechische Alterthum nie anders denn als ein Ganzes aufgefaſst hat und dasselbe in seinen verschiedenen Erscheinungsformen aufzuhellen und zu beleuchten bemüht gewesen ist, so hat er doch stets der griechischen Landes- und Ortskunde das lebendigste Interesse entgegen- gebracht, so daſs man wohl von einer besonderen Veranlagung sprechen darf, und die Nachwelt wird vermuthlich dieser Seite seiner wissenschaft- lichen Thätigkeit den Preis zuerkennen. Aber Curtius’ Interesse beschränkte
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Gedächtniſsrede auf Ernst Curtius.
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welche Welcker in dem Tagebuche seiner griechischen Reise für unlöslich
erklärt. Ihren Abschluſs erhielten diese Studien in der Stadtgeschichte
von Athen, erschienen 1891, genau 50 Jahre, nachdem Curtius in seiner
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attischen Topographie selbstständig behandelt hatte. Man kann vielleicht
verschiedener Meinung darüber sein, in wie fern es theoretisch gerecht-
fertigt sei, eine Stadt als solche, und sei es auch Athen, zum Gegenstand
einer geschichtlichen Darstellung zu machen; daſs und wie es praktisch
ausführbar ist, hat auf dem Gebiete des Alterthums Curtius an Athen in
mustergültiger Weise gezeigt. Den Vorarbeiten für die Stadtgeschichte ging
die Herausgabe der Karten von Attika durch Curtius und den Geh. Kriegs-
rath Kaupert zur Seite. Einen Genossen in höherem Sinne hatte sich
Curtius geworben in dem Generalfeldmarschall Moltke, der in der Erin-
nerung an die von ihm selbst in jüngeren Jahren in der römischen Cam-
pagna, in der Umgebung von Constantinopel und in Kleinasien ausgeführten
kartographischen Arbeiten dem Unternehmen von Anfang an das lebhafteste
Interesse widmete und nicht allein Curtius in Kaupert den geeignetsten
Mitarbeiter zuwies, sondern auch dafür Sorge trug, daſs unter dessen tech-
nischer Leitung durch Officiere des groſsen Generalstabes die Aufnahmen
in Attika zu Ende geführt wurden. So ist ein Kartenwerk entstanden,
welches der geschichtlichen Forschung eine sichere Grundlage gewährt und
nur bedauern läſst, daſs der Plan auf die eine Landschaft von Griechenland
beschränkt geblieben ist; man kann sich denken, mit wie hoher Freude
Curtius diese schönen Blätter, von denen jedes in der sauberen Ausfüh-
rung wie ein kleines Kunstwerk erscheint, hat entstehen sehen. In der
Gedächtniſsrede, welche Curtius dem Grafen Moltke als Ehrenmitglied
der Akademie am Leibniz-Tage 1891 gehalten hat, hat er mit warm em-
pfundenen Worten den groſsen Strategen als Förderer der geographischen
und historischen Wissenschaft und classischen Schriftsteller gefeiert. Wenn
Curtius auch das griechische Alterthum nie anders denn als ein Ganzes
aufgefaſst hat und dasselbe in seinen verschiedenen Erscheinungsformen
aufzuhellen und zu beleuchten bemüht gewesen ist, so hat er doch stets
der griechischen Landes- und Ortskunde das lebendigste Interesse entgegen-
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Köhler, Ulrich: Gedächtnissrede auf Ernst Curtius. Berlin, 1897, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koehler_curtius_1897/13>, abgerufen am 16.07.2024.
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