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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Fünfzehnte Vorlesung.
des Gefässblattes und des Schleimblattes (Darmdrüsenblattes). Diese
in Anbetracht der spätern Beziehungen der Allantois zum Darme
sehr zusagende Ansicht wurde allgemein angenommen, es hat sich
jedoch später ergeben, dass dieselbe weniger auf Beobachtungen
als darauf beruht, dass es v. Baer unmöglich erschien, dass die Al-
lantois in anderer Weise aus dem Darmkanale sich hervorbilde, als
die andern mit demselben verbundenen Organe, wie die Leber und
die Lungen, von denen v. Baer ihre Entwicklung durch Wucherung
der Darmwand dargethan hatte. Der Erste, der über die erste Bil-
dung der Allantois Thatsächliches vorführte, ist Reichert, der die-
selbe vom Hühnchen als anfänglich doppelt und solide beschreibt,
über ihre Herkunft selbst jedoch nicht ganz im Klaren war. Darauf
beschrieb Bischoff den Harnsack von Säugethierembryonen als eine
ursprünglich solide doppelte Wucherung der vordern Beckenwand,
die erst nachträglich einfach und hohl werde und sich mit dem
Darm in Verbindung setze, und Remak endlich verdanken wir die
vollständigsten Aufschlüsse über seine Entstehung. Nach diesem
Autor entsteht in der vordern Beckenwand eine ähnliche Spaltung
wie diejenige, die zur Bildung der Herzhöhle in der vordern Hals-
wand Veranlassung gibt (Fig. 23). Die eine Lamelle (Hautplatte)
des gespaltenen mittleren Keimblattes geht als Faserschicht auf das
Amnios, die andere Lamelle (Darmfaserplatte) auf den Dottergang
und Dottersack über. Vom Ausgangspunkte der Spaltung jedoch, von
der Hautplatte aus (in der Fig. 23 würde der analoge Punkt der
sein, wo die Hautplatte von der Darmfaserplatte sich trennt, ein-
wärts der Buchstaben ks) entwickelt sich die erste Anlage der Allan-
tois als solide Wucherung der vordern Bauchwand, gerade vom Rande
derselben aus und zwar in der Form der Ihnen schon bekannten
zwei Höcker. Nachdem diese sich vereinigt haben, trennt sich die
Anlage vom Rande der vordern Bauchwand, tritt dagegen mit der
Darmfaserwand in Verbindung und zugleich entwickelt das Drüsen-
blatt des Darmes eine blinde Ausstülpung in die noch solide Anlage
hinein. Dieser blinde Auswuchs wird dann immer grösser, die
Wandungen des Bläschens dabei immer dünner, und schlägt dann
die Allantois im weitern Verlauf den Entwicklungsgang ein, den wir
schon geschildert haben. Ueberraschend ist bei dieser Allantois-
bildung, über deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen können,
die Lösung der ursprünglichen Verbindung der Harnsackanlage von
der vordern Bauch- oder Beckenwand, die neue Vereinigung

Fünfzehnte Vorlesung.
des Gefässblattes und des Schleimblattes (Darmdrüsenblattes). Diese
in Anbetracht der spätern Beziehungen der Allantois zum Darme
sehr zusagende Ansicht wurde allgemein angenommen, es hat sich
jedoch später ergeben, dass dieselbe weniger auf Beobachtungen
als darauf beruht, dass es v. Baer unmöglich erschien, dass die Al-
lantois in anderer Weise aus dem Darmkanale sich hervorbilde, als
die andern mit demselben verbundenen Organe, wie die Leber und
die Lungen, von denen v. Baer ihre Entwicklung durch Wucherung
der Darmwand dargethan hatte. Der Erste, der über die erste Bil-
dung der Allantois Thatsächliches vorführte, ist Reichert, der die-
selbe vom Hühnchen als anfänglich doppelt und solide beschreibt,
über ihre Herkunft selbst jedoch nicht ganz im Klaren war. Darauf
beschrieb Bischoff den Harnsack von Säugethierembryonen als eine
ursprünglich solide doppelte Wucherung der vordern Beckenwand,
die erst nachträglich einfach und hohl werde und sich mit dem
Darm in Verbindung setze, und Remak endlich verdanken wir die
vollständigsten Aufschlüsse über seine Entstehung. Nach diesem
Autor entsteht in der vordern Beckenwand eine ähnliche Spaltung
wie diejenige, die zur Bildung der Herzhöhle in der vordern Hals-
wand Veranlassung gibt (Fig. 23). Die eine Lamelle (Hautplatte)
des gespaltenen mittleren Keimblattes geht als Faserschicht auf das
Amnios, die andere Lamelle (Darmfaserplatte) auf den Dottergang
und Dottersack über. Vom Ausgangspunkte der Spaltung jedoch, von
der Hautplatte aus (in der Fig. 23 würde der analoge Punkt der
sein, wo die Hautplatte von der Darmfaserplatte sich trennt, ein-
wärts der Buchstaben ks) entwickelt sich die erste Anlage der Allan-
tois als solide Wucherung der vordern Bauchwand, gerade vom Rande
derselben aus und zwar in der Form der Ihnen schon bekannten
zwei Höcker. Nachdem diese sich vereinigt haben, trennt sich die
Anlage vom Rande der vordern Bauchwand, tritt dagegen mit der
Darmfaserwand in Verbindung und zugleich entwickelt das Drüsen-
blatt des Darmes eine blinde Ausstülpung in die noch solide Anlage
hinein. Dieser blinde Auswuchs wird dann immer grösser, die
Wandungen des Bläschens dabei immer dünner, und schlägt dann
die Allantois im weitern Verlauf den Entwicklungsgang ein, den wir
schon geschildert haben. Ueberraschend ist bei dieser Allantois-
bildung, über deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen können,
die Lösung der ursprünglichen Verbindung der Harnsackanlage von
der vordern Bauch- oder Beckenwand, die neue Vereinigung

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[108/0124] Fünfzehnte Vorlesung. des Gefässblattes und des Schleimblattes (Darmdrüsenblattes). Diese in Anbetracht der spätern Beziehungen der Allantois zum Darme sehr zusagende Ansicht wurde allgemein angenommen, es hat sich jedoch später ergeben, dass dieselbe weniger auf Beobachtungen als darauf beruht, dass es v. Baer unmöglich erschien, dass die Al- lantois in anderer Weise aus dem Darmkanale sich hervorbilde, als die andern mit demselben verbundenen Organe, wie die Leber und die Lungen, von denen v. Baer ihre Entwicklung durch Wucherung der Darmwand dargethan hatte. Der Erste, der über die erste Bil- dung der Allantois Thatsächliches vorführte, ist Reichert, der die- selbe vom Hühnchen als anfänglich doppelt und solide beschreibt, über ihre Herkunft selbst jedoch nicht ganz im Klaren war. Darauf beschrieb Bischoff den Harnsack von Säugethierembryonen als eine ursprünglich solide doppelte Wucherung der vordern Beckenwand, die erst nachträglich einfach und hohl werde und sich mit dem Darm in Verbindung setze, und Remak endlich verdanken wir die vollständigsten Aufschlüsse über seine Entstehung. Nach diesem Autor entsteht in der vordern Beckenwand eine ähnliche Spaltung wie diejenige, die zur Bildung der Herzhöhle in der vordern Hals- wand Veranlassung gibt (Fig. 23). Die eine Lamelle (Hautplatte) des gespaltenen mittleren Keimblattes geht als Faserschicht auf das Amnios, die andere Lamelle (Darmfaserplatte) auf den Dottergang und Dottersack über. Vom Ausgangspunkte der Spaltung jedoch, von der Hautplatte aus (in der Fig. 23 würde der analoge Punkt der sein, wo die Hautplatte von der Darmfaserplatte sich trennt, ein- wärts der Buchstaben ks) entwickelt sich die erste Anlage der Allan- tois als solide Wucherung der vordern Bauchwand, gerade vom Rande derselben aus und zwar in der Form der Ihnen schon bekannten zwei Höcker. Nachdem diese sich vereinigt haben, trennt sich die Anlage vom Rande der vordern Bauchwand, tritt dagegen mit der Darmfaserwand in Verbindung und zugleich entwickelt das Drüsen- blatt des Darmes eine blinde Ausstülpung in die noch solide Anlage hinein. Dieser blinde Auswuchs wird dann immer grösser, die Wandungen des Bläschens dabei immer dünner, und schlägt dann die Allantois im weitern Verlauf den Entwicklungsgang ein, den wir schon geschildert haben. Ueberraschend ist bei dieser Allantois- bildung, über deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen können, die Lösung der ursprünglichen Verbindung der Harnsackanlage von der vordern Bauch- oder Beckenwand, die neue Vereinigung

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/124>, abgerufen am 26.11.2024.