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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Achtzehnte Vorlesung.
in derselben Weise, wie Sie dies von den Corpora cavernosa penis
kennen, welche Organe seit E. H. Weber schon oft zum Vergleiche
herbeigezogen worden sind. Hier wie dort sind wohl zuführende
Arterien und ableitende Venen da, Capillaren jedoch fehlen, oder
sind vielmehr durch mannigfach anastomosirende Hohlräume ver-
treten, welche von einem den Gefässen mehr fremden Gewebe, hier
den Zotten, dort den Balken, begrenzt werden. Nach dieser Auf-
fassung, welche ich schon seit langem vertrete (vergl. C. Wild zur
Physiol. der Placenta, Würzburg 1849), umspült mithin das Blut der
Mutter in der Placenta unmittelbar die embryonalen Zotten und ist
nur durch das Zottenepithel und die Bindegewebsschicht von den
fötalen Blutgefässen getrennt. Im Widerspruche hiermit hat freilich
schon vor längerer Zeit E. H. Weber als Auskleidung der mütter-
lichen Bluträume der Placenta eine dünne Membran beschrieben
(Hildebrandt's Anat. II. St. 495 flgde. und R. Wagner Phys. 3. Aufl.
St. 128), welche dem mütterlichen Organismus angehöre, und später
finden Sie auch in der Arbeit von Schröder van der Kolk über die
Placenta die Bemerkung, dass die Zotten eine doppelte Auskleidung
besitzen und zwar 1) die fötale Epithelhülle und dann noch 2) eine
epithelartige Haut, welche, vom Uterus gebildet (mütterliches Epi-
thel), alle Chorionzotten umschliesse; allein ich muss wiederholt wie
früher bestimmt behaupten, dass eine solche mütterliche Ausklei-
dung der Bluträume zwischen den Verästelungen der Chorionzotten
nicht existirt und in keiner Weise zu demonstriren ist. Nur in so
weit als noch Fortsätze der Decidua serotina in die Placenta eindrin-
gen, betheiligt sich auch mütterliches Gewebe an der Begrenzung
der Bluträume, allein diese Stellen sind im Ganzen genommen von
geringem Belang, so dass auf jeden Fall die überwiegende Mehrzahl
der mütterlichen Bluträume einfach von den fötalen Zotten begrenzt
wird und hier, meiner Auffassung zufolge, die Wandungen der Blut-
gefässe, welche das mütterliche Blut ursprünglich umschlossen, ver-
loren gegangen, oder zerstört worden sind. Dass dem wirklich so ist,
lässt sich noch an ausgetragenen Placenten demonstriren. Es zeigt
sich nämlich hier, wie zuerst von E. H. Weber (Hildebrandt's Anat.
IV) und später auch von Virchow (Archiv Bd. 3. St. 450) hervorge-
hoben wurde, die interessante Thatsache, dass da und dort in dem
Theile der Placenta, der noch Gefässe in mütterlichem Gewebe ent-
hält, grössere oder kleinere Büschel von Chorionzotten frei in die
mütterlichen Gefässe hineinragen, was nicht anders zu Stande kom-

Achtzehnte Vorlesung.
in derselben Weise, wie Sie dies von den Corpora cavernosa penis
kennen, welche Organe seit E. H. Weber schon oft zum Vergleiche
herbeigezogen worden sind. Hier wie dort sind wohl zuführende
Arterien und ableitende Venen da, Capillaren jedoch fehlen, oder
sind vielmehr durch mannigfach anastomosirende Hohlräume ver-
treten, welche von einem den Gefässen mehr fremden Gewebe, hier
den Zotten, dort den Balken, begrenzt werden. Nach dieser Auf-
fassung, welche ich schon seit langem vertrete (vergl. C. Wild zur
Physiol. der Placenta, Würzburg 1849), umspült mithin das Blut der
Mutter in der Placenta unmittelbar die embryonalen Zotten und ist
nur durch das Zottenepithel und die Bindegewebsschicht von den
fötalen Blutgefässen getrennt. Im Widerspruche hiermit hat freilich
schon vor längerer Zeit E. H. Weber als Auskleidung der mütter-
lichen Bluträume der Placenta eine dünne Membran beschrieben
(Hildebrandt’s Anat. II. St. 495 flgde. und R. Wagner Phys. 3. Aufl.
St. 128), welche dem mütterlichen Organismus angehöre, und später
finden Sie auch in der Arbeit von Schröder van der Kolk über die
Placenta die Bemerkung, dass die Zotten eine doppelte Auskleidung
besitzen und zwar 1) die fötale Epithelhülle und dann noch 2) eine
epithelartige Haut, welche, vom Uterus gebildet (mütterliches Epi-
thel), alle Chorionzotten umschliesse; allein ich muss wiederholt wie
früher bestimmt behaupten, dass eine solche mütterliche Ausklei-
dung der Bluträume zwischen den Verästelungen der Chorionzotten
nicht existirt und in keiner Weise zu demonstriren ist. Nur in so
weit als noch Fortsätze der Decidua serotina in die Placenta eindrin-
gen, betheiligt sich auch mütterliches Gewebe an der Begrenzung
der Bluträume, allein diese Stellen sind im Ganzen genommen von
geringem Belang, so dass auf jeden Fall die überwiegende Mehrzahl
der mütterlichen Bluträume einfach von den fötalen Zotten begrenzt
wird und hier, meiner Auffassung zufolge, die Wandungen der Blut-
gefässe, welche das mütterliche Blut ursprünglich umschlossen, ver-
loren gegangen, oder zerstört worden sind. Dass dem wirklich so ist,
lässt sich noch an ausgetragenen Placenten demonstriren. Es zeigt
sich nämlich hier, wie zuerst von E. H. Weber (Hildebrandt’s Anat.
IV) und später auch von Virchow (Archiv Bd. 3. St. 450) hervorge-
hoben wurde, die interessante Thatsache, dass da und dort in dem
Theile der Placenta, der noch Gefässe in mütterlichem Gewebe ent-
hält, grössere oder kleinere Büschel von Chorionzotten frei in die
mütterlichen Gefässe hineinragen, was nicht anders zu Stande kom-

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[148/0164] Achtzehnte Vorlesung. in derselben Weise, wie Sie dies von den Corpora cavernosa penis kennen, welche Organe seit E. H. Weber schon oft zum Vergleiche herbeigezogen worden sind. Hier wie dort sind wohl zuführende Arterien und ableitende Venen da, Capillaren jedoch fehlen, oder sind vielmehr durch mannigfach anastomosirende Hohlräume ver- treten, welche von einem den Gefässen mehr fremden Gewebe, hier den Zotten, dort den Balken, begrenzt werden. Nach dieser Auf- fassung, welche ich schon seit langem vertrete (vergl. C. Wild zur Physiol. der Placenta, Würzburg 1849), umspült mithin das Blut der Mutter in der Placenta unmittelbar die embryonalen Zotten und ist nur durch das Zottenepithel und die Bindegewebsschicht von den fötalen Blutgefässen getrennt. Im Widerspruche hiermit hat freilich schon vor längerer Zeit E. H. Weber als Auskleidung der mütter- lichen Bluträume der Placenta eine dünne Membran beschrieben (Hildebrandt’s Anat. II. St. 495 flgde. und R. Wagner Phys. 3. Aufl. St. 128), welche dem mütterlichen Organismus angehöre, und später finden Sie auch in der Arbeit von Schröder van der Kolk über die Placenta die Bemerkung, dass die Zotten eine doppelte Auskleidung besitzen und zwar 1) die fötale Epithelhülle und dann noch 2) eine epithelartige Haut, welche, vom Uterus gebildet (mütterliches Epi- thel), alle Chorionzotten umschliesse; allein ich muss wiederholt wie früher bestimmt behaupten, dass eine solche mütterliche Ausklei- dung der Bluträume zwischen den Verästelungen der Chorionzotten nicht existirt und in keiner Weise zu demonstriren ist. Nur in so weit als noch Fortsätze der Decidua serotina in die Placenta eindrin- gen, betheiligt sich auch mütterliches Gewebe an der Begrenzung der Bluträume, allein diese Stellen sind im Ganzen genommen von geringem Belang, so dass auf jeden Fall die überwiegende Mehrzahl der mütterlichen Bluträume einfach von den fötalen Zotten begrenzt wird und hier, meiner Auffassung zufolge, die Wandungen der Blut- gefässe, welche das mütterliche Blut ursprünglich umschlossen, ver- loren gegangen, oder zerstört worden sind. Dass dem wirklich so ist, lässt sich noch an ausgetragenen Placenten demonstriren. Es zeigt sich nämlich hier, wie zuerst von E. H. Weber (Hildebrandt’s Anat. IV) und später auch von Virchow (Archiv Bd. 3. St. 450) hervorge- hoben wurde, die interessante Thatsache, dass da und dort in dem Theile der Placenta, der noch Gefässe in mütterlichem Gewebe ent- hält, grössere oder kleinere Büschel von Chorionzotten frei in die mütterlichen Gefässe hineinragen, was nicht anders zu Stande kom-

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/164>, abgerufen am 21.11.2024.