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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Eihüllen der Säugethieres.
leicht möglich ist, daher diese Verbindung nicht mit derjenigen ver-
glichen werden kann, welche die Cotyledonen der Wiederkäuer
darbieten. Beim Pferde zeigt sich ein ähnliches Verhalten; nurEinhufer.
sind hier die Zöttchen mehr entwickelt und ist das ganze Ei oder
Chorion mit denselben besetzt. Gestützt auf v. Baer's Angaben und
die anderweitigen Erfahrungen über diese Verhältnisse glaube ich
auch für das Schwein annehmen zu dürfen, dass sein Chorion aus
der serösen Hülle und der Gefässschicht der Allantois sich bildet,
sowie dass die ursprüngliche Eihaut desselben oder die Dotterhaut
mit dem Auftreten der serösen Hülle vergeht.

Ich stelle Ihnen nun die bisher besprochenen Verhältnisse noch
übersichtlich zusammen, indem eine richtige Auffassung derselben
auch für die Würdigung der Eihüllen beim Menschen von grosser
Wichtigkeit ist.

Mit Bezug auf die Verbindung zwischen Mutter und
Frucht
zeigen uns die Säugethiere folgende Typen:

1) Es fehlt die Placenta ganz, die Verbindung des Eies
mit dem Uterus ist ganz lose, das Chorion trägt
nahezu an seiner gesammten Oberfläche kleine
Zöttchen, welche in leichte Vertiefungen der Ute-
rinschleimhaut eingreifen
. (Typus der Pachydermen,
oder des Schweines.)
2) Es findet sich eine innige Vereinigung von fötalen
und mütterlichen Bildungen, doch sind Frucht-
und Mutterkuchen ohne Zerreissung trennbar
. (Ty-
pus der Wiederkäuer.)
3) Fötaler und mütterlicher Theil der Placenta sind
innig verbunden und in keiner Weise trennbar
.
(Carnivoren, Nagethiere, Affen, Mensch.)

Mit diesen drei Verbindungsarten von Mutter und Frucht hängt
nun auch, worauf E. H. Weber zuerst aufmerksam gemacht hat, der
Umstand zusammen, dass bei den einen Geschöpfen eine Abtren-
nung der Uterinschleimhaut beim Gebäracte stattfindet, bei den an-
deren nicht. Bei allen Geschöpfen des dritten Typus nämlich wird
ein Theil der Uterinschleimhaut als Decidua abgestossen, doch zeigt
sich in dieser Beziehung allerdings noch der sehr bemerkenswerthe
Unterschied, dass beim Menschen die ganze Uterinschleimhaut (Pla-
centa uterina, Decidua vera
und Decidua reflexa, die, beiläufig be-
merkt, nur dem Menschen zukommt) sich ablöst, während bei den

Eihüllen der Säugethieres.
leicht möglich ist, daher diese Verbindung nicht mit derjenigen ver-
glichen werden kann, welche die Cotyledonen der Wiederkäuer
darbieten. Beim Pferde zeigt sich ein ähnliches Verhalten; nurEinhufer.
sind hier die Zöttchen mehr entwickelt und ist das ganze Ei oder
Chorion mit denselben besetzt. Gestützt auf v. Baer’s Angaben und
die anderweitigen Erfahrungen über diese Verhältnisse glaube ich
auch für das Schwein annehmen zu dürfen, dass sein Chorion aus
der serösen Hülle und der Gefässschicht der Allantois sich bildet,
sowie dass die ursprüngliche Eihaut desselben oder die Dotterhaut
mit dem Auftreten der serösen Hülle vergeht.

Ich stelle Ihnen nun die bisher besprochenen Verhältnisse noch
übersichtlich zusammen, indem eine richtige Auffassung derselben
auch für die Würdigung der Eihüllen beim Menschen von grosser
Wichtigkeit ist.

Mit Bezug auf die Verbindung zwischen Mutter und
Frucht
zeigen uns die Säugethiere folgende Typen:

1) Es fehlt die Placenta ganz, die Verbindung des Eies
mit dem Uterus ist ganz lose, das Chorion trägt
nahezu an seiner gesammten Oberfläche kleine
Zöttchen, welche in leichte Vertiefungen der Ute-
rinschleimhaut eingreifen
. (Typus der Pachydermen,
oder des Schweines.)
2) Es findet sich eine innige Vereinigung von fötalen
und mütterlichen Bildungen, doch sind Frucht-
und Mutterkuchen ohne Zerreissung trennbar
. (Ty-
pus der Wiederkäuer.)
3) Fötaler und mütterlicher Theil der Placenta sind
innig verbunden und in keiner Weise trennbar
.
(Carnivoren, Nagethiere, Affen, Mensch.)

Mit diesen drei Verbindungsarten von Mutter und Frucht hängt
nun auch, worauf E. H. Weber zuerst aufmerksam gemacht hat, der
Umstand zusammen, dass bei den einen Geschöpfen eine Abtren-
nung der Uterinschleimhaut beim Gebäracte stattfindet, bei den an-
deren nicht. Bei allen Geschöpfen des dritten Typus nämlich wird
ein Theil der Uterinschleimhaut als Decidua abgestossen, doch zeigt
sich in dieser Beziehung allerdings noch der sehr bemerkenswerthe
Unterschied, dass beim Menschen die ganze Uterinschleimhaut (Pla-
centa uterina, Decidua vera
und Decidua reflexa, die, beiläufig be-
merkt, nur dem Menschen zukommt) sich ablöst, während bei den

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[169/0185] Eihüllen der Säugethieres. leicht möglich ist, daher diese Verbindung nicht mit derjenigen ver- glichen werden kann, welche die Cotyledonen der Wiederkäuer darbieten. Beim Pferde zeigt sich ein ähnliches Verhalten; nur sind hier die Zöttchen mehr entwickelt und ist das ganze Ei oder Chorion mit denselben besetzt. Gestützt auf v. Baer’s Angaben und die anderweitigen Erfahrungen über diese Verhältnisse glaube ich auch für das Schwein annehmen zu dürfen, dass sein Chorion aus der serösen Hülle und der Gefässschicht der Allantois sich bildet, sowie dass die ursprüngliche Eihaut desselben oder die Dotterhaut mit dem Auftreten der serösen Hülle vergeht. Einhufer. Ich stelle Ihnen nun die bisher besprochenen Verhältnisse noch übersichtlich zusammen, indem eine richtige Auffassung derselben auch für die Würdigung der Eihüllen beim Menschen von grosser Wichtigkeit ist. Mit Bezug auf die Verbindung zwischen Mutter und Frucht zeigen uns die Säugethiere folgende Typen: 1) Es fehlt die Placenta ganz, die Verbindung des Eies mit dem Uterus ist ganz lose, das Chorion trägt nahezu an seiner gesammten Oberfläche kleine Zöttchen, welche in leichte Vertiefungen der Ute- rinschleimhaut eingreifen. (Typus der Pachydermen, oder des Schweines.) 2) Es findet sich eine innige Vereinigung von fötalen und mütterlichen Bildungen, doch sind Frucht- und Mutterkuchen ohne Zerreissung trennbar. (Ty- pus der Wiederkäuer.) 3) Fötaler und mütterlicher Theil der Placenta sind innig verbunden und in keiner Weise trennbar. (Carnivoren, Nagethiere, Affen, Mensch.) Mit diesen drei Verbindungsarten von Mutter und Frucht hängt nun auch, worauf E. H. Weber zuerst aufmerksam gemacht hat, der Umstand zusammen, dass bei den einen Geschöpfen eine Abtren- nung der Uterinschleimhaut beim Gebäracte stattfindet, bei den an- deren nicht. Bei allen Geschöpfen des dritten Typus nämlich wird ein Theil der Uterinschleimhaut als Decidua abgestossen, doch zeigt sich in dieser Beziehung allerdings noch der sehr bemerkenswerthe Unterschied, dass beim Menschen die ganze Uterinschleimhaut (Pla- centa uterina, Decidua vera und Decidua reflexa, die, beiläufig be- merkt, nur dem Menschen zukommt) sich ablöst, während bei den

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/185>, abgerufen am 24.11.2024.