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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Entwicklung des Nervensystems.
und deutet ihr frühes Auftreten auf besondere anatomisch-physiolo-
gische Beziehungen, über welche ohne weitere Anhaltspuncte sich
auszusprechen zu Nichts führen kann. Nur das möchte ich Ihnen
noch von unserem Standpuncte aus bemerken, dass an Querschnit-
ten die Trennung dieser Keile von dem äusseren Theile der Hinter-
stränge oft eine so bestimmte ist, dass man sich des Gedankens nicht
erwehren kann, dass die Ausgangspuncte für die Bildung beider
ganz verschiedene sind.

Von der grauen Substanz habe ich Ihnen in morphologischer
Beziehung nicht viel zu sagen. Dieselbe wächst gleichzeitig mit den
weissen Strängen, wenn auch anfänglich langsamer als diese, immer
mehr heran und zeigt schon im dritten Monate Andeutungen der
Hörner, welche unstreitig dadurch zu Stande kommen, dass stellen-
weise die weisse, an anderen Orten die graue Substanz mehr wächst.
So wird die seitliche Trennung der Hörner dadurch bedingt, dass
gerade da, wo der Vorderstrang an den Hinterstrang angrenzt, er-
sterer eine starke Wucherung nach innen entwickelt und in ähn-
licher Weise geschieht dieses auch an den anderen Orten.

Aus dem Angegebenen wird Ihnen nun wohl hinreichend klar
geworden sein, dass die seit Tiedemann (Bildungsgeschichte des Ge-
hirns) allgemeine Annahme, dass der Rückenmarkskanal erst in der
Mitte des Fötallebens ganz sich schliesse, ganz unrichtig ist. Nur in
der allerersten Periode, so lange die Rückenfurche besteht, ist der
Kanal offen, von da an geschlossen. Es liegt übrigens besagter An-
nahme das Wahre zu Grunde, dass beim zweimonatlichen Embryo
das Mark von hinten her äusserst leicht wie in zwei Hälften bricht,
die vorn zusammenhängen, was sich übrigens leicht begreift, wenn
man weiss, dass der Spinalkanal um diese Zeit hinten mit seinem
Epithel an der Oberfläche liegt.

Die Häute des Rückenmarks sind meinen Erfahrungen zufolgeBildung der
Rückenmarks-
häute.

keine Productionen der Medullarplatte oder des oberen Keimblattes,
sondern der Urwirbel. Die Pia mater ist schon bei Hühnerembryo-
nen vom vierten Tage sichtbar (s. Fig. 29 mh) und etwas später wird
auch die harte Haut deutlich. Beim sechswöchentlichen mensch-
lichen Embryo sind beide Häute ebenfalls deutlich, doch habe ich
um diese Zeit noch keine Gefässe im Mark gefunden. Selbst in der
neunten Woche vermochte ich noch keine solchen zu entdecken und
fiel mir auch auf, dass die Pia ganz leicht vom Marke sich löste.
Beim Hühnerembryo zeigen sich nach Remak schon am neunten Tage

Entwicklung des Nervensystems.
und deutet ihr frühes Auftreten auf besondere anatomisch-physiolo-
gische Beziehungen, über welche ohne weitere Anhaltspuncte sich
auszusprechen zu Nichts führen kann. Nur das möchte ich Ihnen
noch von unserem Standpuncte aus bemerken, dass an Querschnit-
ten die Trennung dieser Keile von dem äusseren Theile der Hinter-
stränge oft eine so bestimmte ist, dass man sich des Gedankens nicht
erwehren kann, dass die Ausgangspuncte für die Bildung beider
ganz verschiedene sind.

Von der grauen Substanz habe ich Ihnen in morphologischer
Beziehung nicht viel zu sagen. Dieselbe wächst gleichzeitig mit den
weissen Strängen, wenn auch anfänglich langsamer als diese, immer
mehr heran und zeigt schon im dritten Monate Andeutungen der
Hörner, welche unstreitig dadurch zu Stande kommen, dass stellen-
weise die weisse, an anderen Orten die graue Substanz mehr wächst.
So wird die seitliche Trennung der Hörner dadurch bedingt, dass
gerade da, wo der Vorderstrang an den Hinterstrang angrenzt, er-
sterer eine starke Wucherung nach innen entwickelt und in ähn-
licher Weise geschieht dieses auch an den anderen Orten.

Aus dem Angegebenen wird Ihnen nun wohl hinreichend klar
geworden sein, dass die seit Tiedemann (Bildungsgeschichte des Ge-
hirns) allgemeine Annahme, dass der Rückenmarkskanal erst in der
Mitte des Fötallebens ganz sich schliesse, ganz unrichtig ist. Nur in
der allerersten Periode, so lange die Rückenfurche besteht, ist der
Kanal offen, von da an geschlossen. Es liegt übrigens besagter An-
nahme das Wahre zu Grunde, dass beim zweimonatlichen Embryo
das Mark von hinten her äusserst leicht wie in zwei Hälften bricht,
die vorn zusammenhängen, was sich übrigens leicht begreift, wenn
man weiss, dass der Spinalkanal um diese Zeit hinten mit seinem
Epithel an der Oberfläche liegt.

Die Häute des Rückenmarks sind meinen Erfahrungen zufolgeBildung der
Rückenmarks-
häute.

keine Productionen der Medullarplatte oder des oberen Keimblattes,
sondern der Urwirbel. Die Pia mater ist schon bei Hühnerembryo-
nen vom vierten Tage sichtbar (s. Fig. 29 mh) und etwas später wird
auch die harte Haut deutlich. Beim sechswöchentlichen mensch-
lichen Embryo sind beide Häute ebenfalls deutlich, doch habe ich
um diese Zeit noch keine Gefässe im Mark gefunden. Selbst in der
neunten Woche vermochte ich noch keine solchen zu entdecken und
fiel mir auch auf, dass die Pia ganz leicht vom Marke sich löste.
Beim Hühnerembryo zeigen sich nach Remak schon am neunten Tage

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[263/0279] Entwicklung des Nervensystems. und deutet ihr frühes Auftreten auf besondere anatomisch-physiolo- gische Beziehungen, über welche ohne weitere Anhaltspuncte sich auszusprechen zu Nichts führen kann. Nur das möchte ich Ihnen noch von unserem Standpuncte aus bemerken, dass an Querschnit- ten die Trennung dieser Keile von dem äusseren Theile der Hinter- stränge oft eine so bestimmte ist, dass man sich des Gedankens nicht erwehren kann, dass die Ausgangspuncte für die Bildung beider ganz verschiedene sind. Von der grauen Substanz habe ich Ihnen in morphologischer Beziehung nicht viel zu sagen. Dieselbe wächst gleichzeitig mit den weissen Strängen, wenn auch anfänglich langsamer als diese, immer mehr heran und zeigt schon im dritten Monate Andeutungen der Hörner, welche unstreitig dadurch zu Stande kommen, dass stellen- weise die weisse, an anderen Orten die graue Substanz mehr wächst. So wird die seitliche Trennung der Hörner dadurch bedingt, dass gerade da, wo der Vorderstrang an den Hinterstrang angrenzt, er- sterer eine starke Wucherung nach innen entwickelt und in ähn- licher Weise geschieht dieses auch an den anderen Orten. Aus dem Angegebenen wird Ihnen nun wohl hinreichend klar geworden sein, dass die seit Tiedemann (Bildungsgeschichte des Ge- hirns) allgemeine Annahme, dass der Rückenmarkskanal erst in der Mitte des Fötallebens ganz sich schliesse, ganz unrichtig ist. Nur in der allerersten Periode, so lange die Rückenfurche besteht, ist der Kanal offen, von da an geschlossen. Es liegt übrigens besagter An- nahme das Wahre zu Grunde, dass beim zweimonatlichen Embryo das Mark von hinten her äusserst leicht wie in zwei Hälften bricht, die vorn zusammenhängen, was sich übrigens leicht begreift, wenn man weiss, dass der Spinalkanal um diese Zeit hinten mit seinem Epithel an der Oberfläche liegt. Die Häute des Rückenmarks sind meinen Erfahrungen zufolge keine Productionen der Medullarplatte oder des oberen Keimblattes, sondern der Urwirbel. Die Pia mater ist schon bei Hühnerembryo- nen vom vierten Tage sichtbar (s. Fig. 29 mh) und etwas später wird auch die harte Haut deutlich. Beim sechswöchentlichen mensch- lichen Embryo sind beide Häute ebenfalls deutlich, doch habe ich um diese Zeit noch keine Gefässe im Mark gefunden. Selbst in der neunten Woche vermochte ich noch keine solchen zu entdecken und fiel mir auch auf, dass die Pia ganz leicht vom Marke sich löste. Beim Hühnerembryo zeigen sich nach Remak schon am neunten Tage Bildung der Rückenmarks- häute.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/279>, abgerufen am 24.11.2024.