Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.Achtundzwanzigste Vorlesung. unmittelbar nachher wuchert aber auch die Cutis der unteren Kopf-fläche einwärts von der Linse gegen die primitive Blase und ihren Stiel oder den späteren Sehnerven und treibt die untere Wand der- selben gegen die obere; hierdurch entsteht hinter der Linse ein be- sonderer Raum, der die neue Wucherung oder die Anlage des Glas- körpers enthält (Fig. 136, 3), und gewinnt die primitive Augenblase eine eigenthümliche Haubenform, welche Ihnen die Fig. 140 deut- lich machen wird. Der Sehnerve selbst wird in Folge dieser zweiten Wucherung einmal von einem hohlen Kanale, der er bis- anhin war, zu einem bandförmigen soliden Gebilde und zweitens ge- staltet sich dieses auch noch zu einer nach unten offenen Halbrinne. Denkt man sich Linse und Glaskörperanlage, sowie die Einstülpung in den Stiel der primitiven Blase weg, so würde die letztere nun wie ein gestielter doppelblätteriger Becher erscheinen, an dessen einer Seite eine breite Spalte sich fände. Die Höhle, zu der diese Spalte führt, ist aber nicht mehr die ursprüngliche Höhlung der primitiven Blase, die mit den Hirnhöhlen communicirt, sondern ein neues, an der Aussenseite der ursprünglichen Blase entstandenes Cavum, für welches nun auch ein neuer Namen, der der "secundären Au- genblase" nöthig wird. Im weiteren Verlaufe nun verwächst die Spalte der secundären Blase und des Sehnerven und erscheint dann die vorhin erwähnte Wucherung der Cutis als isolirter Glaskörper und bindegewebige Axe mit den Vasa centralia im Sehnerven; fer- ner wird die vordere Oeffnung der secundären Blase, in der die Linse liegt, die schon seit der Abschnürung derselben von dem Hornblatte bedeckt war, sowie die ganze übrige secundäre Augen- blase auch noch von der Sclera und Cornea umschlossen und dann ist das Auge in allen seinen wesentlichen Theilen angelegt. Bildung Achtundzwanzigste Vorlesung. unmittelbar nachher wuchert aber auch die Cutis der unteren Kopf-fläche einwärts von der Linse gegen die primitive Blase und ihren Stiel oder den späteren Sehnerven und treibt die untere Wand der- selben gegen die obere; hierdurch entsteht hinter der Linse ein be- sonderer Raum, der die neue Wucherung oder die Anlage des Glas- körpers enthält (Fig. 136, 3), und gewinnt die primitive Augenblase eine eigenthümliche Haubenform, welche Ihnen die Fig. 140 deut- lich machen wird. Der Sehnerve selbst wird in Folge dieser zweiten Wucherung einmal von einem hohlen Kanale, der er bis- anhin war, zu einem bandförmigen soliden Gebilde und zweitens ge- staltet sich dieses auch noch zu einer nach unten offenen Halbrinne. Denkt man sich Linse und Glaskörperanlage, sowie die Einstülpung in den Stiel der primitiven Blase weg, so würde die letztere nun wie ein gestielter doppelblätteriger Becher erscheinen, an dessen einer Seite eine breite Spalte sich fände. Die Höhle, zu der diese Spalte führt, ist aber nicht mehr die ursprüngliche Höhlung der primitiven Blase, die mit den Hirnhöhlen communicirt, sondern ein neues, an der Aussenseite der ursprünglichen Blase entstandenes Cavum, für welches nun auch ein neuer Namen, der der «secundären Au- genblase» nöthig wird. Im weiteren Verlaufe nun verwächst die Spalte der secundären Blase und des Sehnerven und erscheint dann die vorhin erwähnte Wucherung der Cutis als isolirter Glaskörper und bindegewebige Axe mit den Vasa centralia im Sehnerven; fer- ner wird die vordere Oeffnung der secundären Blase, in der die Linse liegt, die schon seit der Abschnürung derselben von dem Hornblatte bedeckt war, sowie die ganze übrige secundäre Augen- blase auch noch von der Sclera und Cornea umschlossen und dann ist das Auge in allen seinen wesentlichen Theilen angelegt. 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Achtundzwanzigste Vorlesung.
unmittelbar nachher wuchert aber auch die Cutis der unteren Kopf-
fläche einwärts von der Linse gegen die primitive Blase und ihren
Stiel oder den späteren Sehnerven und treibt die untere Wand der-
selben gegen die obere; hierdurch entsteht hinter der Linse ein be-
sonderer Raum, der die neue Wucherung oder die Anlage des Glas-
körpers enthält (Fig. 136, 3), und gewinnt die primitive Augenblase
eine eigenthümliche Haubenform, welche Ihnen die Fig. 140 deut-
lich machen wird. Der Sehnerve selbst wird in Folge dieser
zweiten Wucherung einmal von einem hohlen Kanale, der er bis-
anhin war, zu einem bandförmigen soliden Gebilde und zweitens ge-
staltet sich dieses auch noch zu einer nach unten offenen Halbrinne.
Denkt man sich Linse und Glaskörperanlage, sowie die Einstülpung
in den Stiel der primitiven Blase weg, so würde die letztere nun wie
ein gestielter doppelblätteriger Becher erscheinen, an dessen einer
Seite eine breite Spalte sich fände. Die Höhle, zu der diese Spalte
führt, ist aber nicht mehr die ursprüngliche Höhlung der primitiven
Blase, die mit den Hirnhöhlen communicirt, sondern ein neues, an
der Aussenseite der ursprünglichen Blase entstandenes Cavum, für
welches nun auch ein neuer Namen, der der «secundären Au-
genblase» nöthig wird. Im weiteren Verlaufe nun verwächst die
Spalte der secundären Blase und des Sehnerven und erscheint dann
die vorhin erwähnte Wucherung der Cutis als isolirter Glaskörper
und bindegewebige Axe mit den Vasa centralia im Sehnerven; fer-
ner wird die vordere Oeffnung der secundären Blase, in der die
Linse liegt, die schon seit der Abschnürung derselben von dem
Hornblatte bedeckt war, sowie die ganze übrige secundäre Augen-
blase auch noch von der Sclera und Cornea umschlossen und dann
ist das Auge in allen seinen wesentlichen Theilen angelegt.
Betrachten wir nun nach dieser vorläufigen Schilderung die
einzelnen Vorgänge bei der Bildung des späteren Augapfels näher
und fassen wir zuerst die Linse ins Auge. Nachdem man früher
von der Entstehungsweise der Linse nicht die geringste genauere
Kenntniss gehabt hatte, entdeckte zuerst Huschke im Anfange der
dreissiger Jahre (Isis 1831. St. 950 und Meck. Arch. 1832. St. 17.
Taf. l. Fig. 5), dass die Linsenkapsel eine «Einstülpung des äusseren
Hautsystems» ist, die nachher von demselben sich abschnürt und in
sich die Linse erzeugt. Diese wichtige Beobachtung wurde später von
C. Vogt bei Coregonus palaea, von mir bei Tintenfischen und von
Remak beim Hühnchen bestätigt, dagegen gelang es verschiedenen
Bildung
der Linse.
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