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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Neunundzwanzigste Vorlesung.
(Fig. 91, 143), welcher vom Pupillarrande bis zum Opticuseintritte
verläuft. Diese Bildung ist von gewissen Forschern als eine wirkliche
Lücke aufgefasst und mit dem Namen der Choroidealspalte belegt
worden und hat mit Bezug auf ihre Bedeutung und Entwicklung zu
den verschiedenartigsten Meinungen Veranlassung gegeben.

Fassen wir zuerst das Thatsächliche ins Auge, so ist sicher,
dass bei den Augen aller Wirbelthiere und auch beim Menschen, bei
dem der Streifen in der sechsten bis siebenten Woche schwindet, so-
bald die Pigmentirung deutlicher wird, ein farbloser Streifen an der
angegebenen Stelle der Gefässhaut sich findet, sowie dass dieser
Streifen an derselben Stelle liegt, wo beim menschlichen und beim
Hühnerembryo die Einstülpung des Glaskörpers in die secundäre
Augenblase sich macht. Ferner ist nach der früher auseinanderge-
setzten Entwicklung der secundären Augenblase nicht zweifelhaft,
dass dieselbe anfänglich unten und innen wirklich eine Lücke hat,
die dann später sich schliesst. Es ist somit klar, dass die Retina,
die auf jeden Fall aus der Wand der secundären Augenblase sich
bildet, ursprünglich eine Spalte haben muss und nach meinen Er-
fahrungen beim Menschen ebenso gewiss, dass eine solche auch an
der Pigmentschicht der Chorioidea sich findet. Wäre die Ansicht von
Remak über die Entstehung der Gefässschicht der Chorioidea richtig,
so könnten wir unbedingt auch dieser eine Spalte zuschreiben, allein
wie die Sachen für einmal liegen, ist eine Entstehung derselben aus
der secundären Augenblase nicht wahrscheinlich und somit kein
Grund vorhanden, an dieser Schicht eine Spalte zu statuiren. In der
That hat nun auch, obschon gewisse pathologische Erfahrungen für
eine Spalte der Chorioidea zu sprechen scheinen, die directe Beob-
achtung der fötalen Chorioidea bisanhin noch nichts von einer sol-
chen ergeben. Jene Erfahrungen sind die von pathologischen Spalt-
bildungen aller Augenhäute und des Glaskörpers in der nachembryo-
nalen Zeit, die allerdings bei der Annahme normaler Fötalspalten
auch in den äusseren Augenhäuten unschwer sich erklären würden,
aber wie leicht begreiflich doch nicht mit Bestimmtheit für die Anwe-
senheit solcher sprechen. Die directen Beobachtungen über die fötale
Chorioidea anlangend, so ist zu bemerken, dass bisanhin eigentlich
keine genaue Untersuchung bekannt geworden ist, in welcher eine
Spalte in der Chorioidea nachgewiesen worden wäre, während auf
der anderen Seite ein so genauer Beobachter wie v. Baer versichert,
dass die sogenannte Spalte nur ein pigmentloser Streifen sei. Das-

Neunundzwanzigste Vorlesung.
(Fig. 91, 143), welcher vom Pupillarrande bis zum Opticuseintritte
verläuft. Diese Bildung ist von gewissen Forschern als eine wirkliche
Lücke aufgefasst und mit dem Namen der Choroidealspalte belegt
worden und hat mit Bezug auf ihre Bedeutung und Entwicklung zu
den verschiedenartigsten Meinungen Veranlassung gegeben.

Fassen wir zuerst das Thatsächliche ins Auge, so ist sicher,
dass bei den Augen aller Wirbelthiere und auch beim Menschen, bei
dem der Streifen in der sechsten bis siebenten Woche schwindet, so-
bald die Pigmentirung deutlicher wird, ein farbloser Streifen an der
angegebenen Stelle der Gefässhaut sich findet, sowie dass dieser
Streifen an derselben Stelle liegt, wo beim menschlichen und beim
Hühnerembryo die Einstülpung des Glaskörpers in die secundäre
Augenblase sich macht. Ferner ist nach der früher auseinanderge-
setzten Entwicklung der secundären Augenblase nicht zweifelhaft,
dass dieselbe anfänglich unten und innen wirklich eine Lücke hat,
die dann später sich schliesst. Es ist somit klar, dass die Retina,
die auf jeden Fall aus der Wand der secundären Augenblase sich
bildet, ursprünglich eine Spalte haben muss und nach meinen Er-
fahrungen beim Menschen ebenso gewiss, dass eine solche auch an
der Pigmentschicht der Chorioidea sich findet. Wäre die Ansicht von
Remak über die Entstehung der Gefässschicht der Chorioidea richtig,
so könnten wir unbedingt auch dieser eine Spalte zuschreiben, allein
wie die Sachen für einmal liegen, ist eine Entstehung derselben aus
der secundären Augenblase nicht wahrscheinlich und somit kein
Grund vorhanden, an dieser Schicht eine Spalte zu statuiren. In der
That hat nun auch, obschon gewisse pathologische Erfahrungen für
eine Spalte der Chorioidea zu sprechen scheinen, die directe Beob-
achtung der fötalen Chorioidea bisanhin noch nichts von einer sol-
chen ergeben. Jene Erfahrungen sind die von pathologischen Spalt-
bildungen aller Augenhäute und des Glaskörpers in der nachembryo-
nalen Zeit, die allerdings bei der Annahme normaler Fötalspalten
auch in den äusseren Augenhäuten unschwer sich erklären würden,
aber wie leicht begreiflich doch nicht mit Bestimmtheit für die Anwe-
senheit solcher sprechen. Die directen Beobachtungen über die fötale
Chorioidea anlangend, so ist zu bemerken, dass bisanhin eigentlich
keine genaue Untersuchung bekannt geworden ist, in welcher eine
Spalte in der Chorioidea nachgewiesen worden wäre, während auf
der anderen Seite ein so genauer Beobachter wie v. Baer versichert,
dass die sogenannte Spalte nur ein pigmentloser Streifen sei. Das-

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[290/0306] Neunundzwanzigste Vorlesung. (Fig. 91, 143), welcher vom Pupillarrande bis zum Opticuseintritte verläuft. Diese Bildung ist von gewissen Forschern als eine wirkliche Lücke aufgefasst und mit dem Namen der Choroidealspalte belegt worden und hat mit Bezug auf ihre Bedeutung und Entwicklung zu den verschiedenartigsten Meinungen Veranlassung gegeben. Fassen wir zuerst das Thatsächliche ins Auge, so ist sicher, dass bei den Augen aller Wirbelthiere und auch beim Menschen, bei dem der Streifen in der sechsten bis siebenten Woche schwindet, so- bald die Pigmentirung deutlicher wird, ein farbloser Streifen an der angegebenen Stelle der Gefässhaut sich findet, sowie dass dieser Streifen an derselben Stelle liegt, wo beim menschlichen und beim Hühnerembryo die Einstülpung des Glaskörpers in die secundäre Augenblase sich macht. Ferner ist nach der früher auseinanderge- setzten Entwicklung der secundären Augenblase nicht zweifelhaft, dass dieselbe anfänglich unten und innen wirklich eine Lücke hat, die dann später sich schliesst. Es ist somit klar, dass die Retina, die auf jeden Fall aus der Wand der secundären Augenblase sich bildet, ursprünglich eine Spalte haben muss und nach meinen Er- fahrungen beim Menschen ebenso gewiss, dass eine solche auch an der Pigmentschicht der Chorioidea sich findet. Wäre die Ansicht von Remak über die Entstehung der Gefässschicht der Chorioidea richtig, so könnten wir unbedingt auch dieser eine Spalte zuschreiben, allein wie die Sachen für einmal liegen, ist eine Entstehung derselben aus der secundären Augenblase nicht wahrscheinlich und somit kein Grund vorhanden, an dieser Schicht eine Spalte zu statuiren. In der That hat nun auch, obschon gewisse pathologische Erfahrungen für eine Spalte der Chorioidea zu sprechen scheinen, die directe Beob- achtung der fötalen Chorioidea bisanhin noch nichts von einer sol- chen ergeben. Jene Erfahrungen sind die von pathologischen Spalt- bildungen aller Augenhäute und des Glaskörpers in der nachembryo- nalen Zeit, die allerdings bei der Annahme normaler Fötalspalten auch in den äusseren Augenhäuten unschwer sich erklären würden, aber wie leicht begreiflich doch nicht mit Bestimmtheit für die Anwe- senheit solcher sprechen. Die directen Beobachtungen über die fötale Chorioidea anlangend, so ist zu bemerken, dass bisanhin eigentlich keine genaue Untersuchung bekannt geworden ist, in welcher eine Spalte in der Chorioidea nachgewiesen worden wäre, während auf der anderen Seite ein so genauer Beobachter wie v. Baer versichert, dass die sogenannte Spalte nur ein pigmentloser Streifen sei. Das-

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/306>, abgerufen am 24.11.2024.