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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Dreiunddreissigste Vorlesung.
Gliedmasse, es für wahrscheinlicher erklärt, dass dieselben nicht von
der hinteren Muskelplatte aus in die Extremität sich hineinbilden,
sondern unabhängig von den Urwirbeln in der Extremitätenanlage
selbst durch histologische Differenzirung sich entwickeln. Mit Bezug
auf die Muskeln des Extremitätengürtels dagegen (Latissimus, Cuculla-
ris, Rhomboidei, Pectorales, Glutaei
etc.), so könnte die hintere Mus-
kelplatte durch Spaltung in der Fläche schon eher der Ausgangs-
punct für die Bildung derselben sein, doch wird für einmal die
Möglichkeit, dass dieselben aus der Hautplatte der Rücken- und
Bauchwand hervorgehen, um so weniger zu verwerfen sein, als auf
jeden Fall die Hautmuskeln diesen Ursprung nehmen.

Ich ergänze nun diese wenigen Bemerkungen noch durch einige
Einzelnheiten. Beim Menschen werden die Muskeln im zweiten Mo-
nate um die sechste bis siebente Woche deutlich und treten zuerst
die tiefen Rückenmuskeln auf, die jedoch, so lange als die Wirbel-
bogen noch nicht vereint sind (s. Fig. 81), weit von der Mittellinie
abstehen und erst im dritten und zum Theil selbst im vierten Monate
dieselbe erreichen. Ebenso liegen auch die visceralen Muskeln an-
fänglich ganz seitlich ja selbst hinter der Seitenlinie, wovon man an
jungen Säugethierembryonen und auch beim Menschen leicht sich
überzeugt. So wie aber die Rippen mit den Brustbeinanlagen weiter
in die Membrana reuniens inferior oder die primitive Bauchwand
hineinwachsen, bilden sich auch die Intercostales und die Bauch-
muskeln weiter nach vorn zu aus, die Recti nähern sich immermehr
der Mittellinie und erreichen dieselbe endlich ganz, was jedoch be-
kanntlich erst sehr spät geschieht, wesshalb die Linea alba auch
bei reifen Embryonen noch ungemein breit ist. -- Grosse Schwie-
Diaphragma.rigkeiten bereitet das Zwerchfell, auf welche v. Baer schon vor
Jahren in treffender Weise aufmerksam gemacht hat (Entw. II. St.
226), und ist es auch mir trotz mehrfacher Bemühungen bis jetzt
noch nicht gelungen, über seine Entwicklung ins Reine zu kommen.
Ich werde Ihnen später einige Thatsachen vorführen, die sich auf
sein eigenthümliches Verhalten zu den sich entwickelnden Lungen
beziehen und begnüge mich hier mit der Bemerkung, das dasselbe
sehr früh sichtbar wird und meiner Vermuthung nach aus zwei
Hälften sich bildet, die mit den zur Bildung des Brustbeins einander
entgegenwachsenden Rippen allmälig von hinten nach vorn sich vor-
schieben und endlich verwachsen.



Dreiunddreissigste Vorlesung.
Gliedmasse, es für wahrscheinlicher erklärt, dass dieselben nicht von
der hinteren Muskelplatte aus in die Extremität sich hineinbilden,
sondern unabhängig von den Urwirbeln in der Extremitätenanlage
selbst durch histologische Differenzirung sich entwickeln. Mit Bezug
auf die Muskeln des Extremitätengürtels dagegen (Latissimus, Cuculla-
ris, Rhomboidei, Pectorales, Glutaei
etc.), so könnte die hintere Mus-
kelplatte durch Spaltung in der Fläche schon eher der Ausgangs-
punct für die Bildung derselben sein, doch wird für einmal die
Möglichkeit, dass dieselben aus der Hautplatte der Rücken- und
Bauchwand hervorgehen, um so weniger zu verwerfen sein, als auf
jeden Fall die Hautmuskeln diesen Ursprung nehmen.

Ich ergänze nun diese wenigen Bemerkungen noch durch einige
Einzelnheiten. Beim Menschen werden die Muskeln im zweiten Mo-
nate um die sechste bis siebente Woche deutlich und treten zuerst
die tiefen Rückenmuskeln auf, die jedoch, so lange als die Wirbel-
bogen noch nicht vereint sind (s. Fig. 81), weit von der Mittellinie
abstehen und erst im dritten und zum Theil selbst im vierten Monate
dieselbe erreichen. Ebenso liegen auch die visceralen Muskeln an-
fänglich ganz seitlich ja selbst hinter der Seitenlinie, wovon man an
jungen Säugethierembryonen und auch beim Menschen leicht sich
überzeugt. So wie aber die Rippen mit den Brustbeinanlagen weiter
in die Membrana reuniens inferior oder die primitive Bauchwand
hineinwachsen, bilden sich auch die Intercostales und die Bauch-
muskeln weiter nach vorn zu aus, die Recti nähern sich immermehr
der Mittellinie und erreichen dieselbe endlich ganz, was jedoch be-
kanntlich erst sehr spät geschieht, wesshalb die Linea alba auch
bei reifen Embryonen noch ungemein breit ist. — Grosse Schwie-
Diaphragma.rigkeiten bereitet das Zwerchfell, auf welche v. Baer schon vor
Jahren in treffender Weise aufmerksam gemacht hat (Entw. II. St.
226), und ist es auch mir trotz mehrfacher Bemühungen bis jetzt
noch nicht gelungen, über seine Entwicklung ins Reine zu kommen.
Ich werde Ihnen später einige Thatsachen vorführen, die sich auf
sein eigenthümliches Verhalten zu den sich entwickelnden Lungen
beziehen und begnüge mich hier mit der Bemerkung, das dasselbe
sehr früh sichtbar wird und meiner Vermuthung nach aus zwei
Hälften sich bildet, die mit den zur Bildung des Brustbeins einander
entgegenwachsenden Rippen allmälig von hinten nach vorn sich vor-
schieben und endlich verwachsen.



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[350/0366] Dreiunddreissigste Vorlesung. Gliedmasse, es für wahrscheinlicher erklärt, dass dieselben nicht von der hinteren Muskelplatte aus in die Extremität sich hineinbilden, sondern unabhängig von den Urwirbeln in der Extremitätenanlage selbst durch histologische Differenzirung sich entwickeln. Mit Bezug auf die Muskeln des Extremitätengürtels dagegen (Latissimus, Cuculla- ris, Rhomboidei, Pectorales, Glutaei etc.), so könnte die hintere Mus- kelplatte durch Spaltung in der Fläche schon eher der Ausgangs- punct für die Bildung derselben sein, doch wird für einmal die Möglichkeit, dass dieselben aus der Hautplatte der Rücken- und Bauchwand hervorgehen, um so weniger zu verwerfen sein, als auf jeden Fall die Hautmuskeln diesen Ursprung nehmen. Ich ergänze nun diese wenigen Bemerkungen noch durch einige Einzelnheiten. Beim Menschen werden die Muskeln im zweiten Mo- nate um die sechste bis siebente Woche deutlich und treten zuerst die tiefen Rückenmuskeln auf, die jedoch, so lange als die Wirbel- bogen noch nicht vereint sind (s. Fig. 81), weit von der Mittellinie abstehen und erst im dritten und zum Theil selbst im vierten Monate dieselbe erreichen. Ebenso liegen auch die visceralen Muskeln an- fänglich ganz seitlich ja selbst hinter der Seitenlinie, wovon man an jungen Säugethierembryonen und auch beim Menschen leicht sich überzeugt. So wie aber die Rippen mit den Brustbeinanlagen weiter in die Membrana reuniens inferior oder die primitive Bauchwand hineinwachsen, bilden sich auch die Intercostales und die Bauch- muskeln weiter nach vorn zu aus, die Recti nähern sich immermehr der Mittellinie und erreichen dieselbe endlich ganz, was jedoch be- kanntlich erst sehr spät geschieht, wesshalb die Linea alba auch bei reifen Embryonen noch ungemein breit ist. — Grosse Schwie- rigkeiten bereitet das Zwerchfell, auf welche v. Baer schon vor Jahren in treffender Weise aufmerksam gemacht hat (Entw. II. St. 226), und ist es auch mir trotz mehrfacher Bemühungen bis jetzt noch nicht gelungen, über seine Entwicklung ins Reine zu kommen. Ich werde Ihnen später einige Thatsachen vorführen, die sich auf sein eigenthümliches Verhalten zu den sich entwickelnden Lungen beziehen und begnüge mich hier mit der Bemerkung, das dasselbe sehr früh sichtbar wird und meiner Vermuthung nach aus zwei Hälften sich bildet, die mit den zur Bildung des Brustbeins einander entgegenwachsenden Rippen allmälig von hinten nach vorn sich vor- schieben und endlich verwachsen. Diaphragma.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/366>, abgerufen am 22.11.2024.