Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.Fünfunddreissigste Vorlesung. hohle Aussackungen oder Knospen erzeugt, welche rasch sich ver-mehrend bald in jeder Lunge ein ganzes Bäumchen von hohlen Ka- nälen mit kolbig angeschwollenen Enden erzeugen, von welchen aus dann durch Bildung immer neuer und zahlreicherer hohler Knospen endlich das ganze respiratorische Höhlensystem geliefert wird. Die- sem zufolge weicht die Lunge von allen bisher besprochenen grösse- ren Drüsen sehr wesentlich ab. Alle Hautdrüsen mit Inbegriff der Milchdrüsen, der Thränendrüsen und der Speicheldrüsen, treten anfänglich als solide Knospen der tieferen Epidermisschichten auf und erhalten erst in zweiter Linie Höhlungen, und nach demselben Typus gestalten sich auch die Schleimdrüsen, die Magensaftdrüsen und das noch nicht besprochene Pancreas, nur dass hier das Darm- epithel die Rolle des Rete Malpighii vertritt. Die Lungen dagegen sind von Anfang an hohle Ausbuchtungen des Darmepithels und erhalten auch im Verlaufe ihrer Ausbildung niemals solide Knospen, so dass ihre ganze Entwicklung, abgesehen von den Verzweigungen, viel eher mit dem Wachsthume des Darmes als mit dem der übrigen Drüsen verglichen werden kann. Bildung der Fünfunddreissigste Vorlesung. hohle Aussackungen oder Knospen erzeugt, welche rasch sich ver-mehrend bald in jeder Lunge ein ganzes Bäumchen von hohlen Ka- nälen mit kolbig angeschwollenen Enden erzeugen, von welchen aus dann durch Bildung immer neuer und zahlreicherer hohler Knospen endlich das ganze respiratorische Höhlensystem geliefert wird. Die- sem zufolge weicht die Lunge von allen bisher besprochenen grösse- ren Drüsen sehr wesentlich ab. Alle Hautdrüsen mit Inbegriff der Milchdrüsen, der Thränendrüsen und der Speicheldrüsen, treten anfänglich als solide Knospen der tieferen Epidermisschichten auf und erhalten erst in zweiter Linie Höhlungen, und nach demselben Typus gestalten sich auch die Schleimdrüsen, die Magensaftdrüsen und das noch nicht besprochene Pancreas, nur dass hier das Darm- epithel die Rolle des Rete Malpighii vertritt. Die Lungen dagegen sind von Anfang an hohle Ausbuchtungen des Darmepithels und erhalten auch im Verlaufe ihrer Ausbildung niemals solide Knospen, so dass ihre ganze Entwicklung, abgesehen von den Verzweigungen, viel eher mit dem Wachsthume des Darmes als mit dem der übrigen Drüsen verglichen werden kann. 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In der fünften Woche beginnen beim Men-<lb/> schen die Verästelungen des Epithelialrohres der Lungen, deren<lb/> Verfolgung im Einzelnen kein Interesse darbietet, daher ich Sie nur<lb/> auf einige Abbildungen vom Menschen und von Thieren verweise<lb/> (Fig. 183 auf St. 375; J. <hi rendition="#k">Müller</hi>, <hi rendition="#i">de glandularum secern. structura</hi><lb/> Taf. XVII. Fig. 7 von einem 1½″ langen Schaafembryo; <hi rendition="#k">Coste</hi>, <hi rendition="#i">Hist.<lb/> du dével</hi>. Pl. IV <hi rendition="#i">a</hi> vom Menschen; <hi rendition="#k">Bischoff</hi>. Hundeei, Fig. 42 D,<lb/> Fig. 45 H; <hi rendition="#k">Remak</hi>, Unters. Taf. VI, Fig. 82, Lungenlappen eines<lb/> Schaafembryo). Sehr früh treten auch beim Menschen und bei Säu-<lb/> gern die grossen Abtheilungen der Lunge auf, dadurch, dass einzelne<lb/> Abschnitte des Organes mehr vortreten, während zwischenliegende<lb/> Stellen zurückbleiben und hat schon am Ende des ersten Monates jede<lb/> Lunge eine schwache Andeutung derselben (Fig. 182) und sind in der<lb/><note place="left">Lage der<lb/> Lungen.</note>achten Woche die Hauptlappen bestimmt ausgeprägt. Die Lage des Or-<lb/> ganes ist im Anfange des zweiten Monates in der fünften und sechsten<lb/> Woche immer noch sehr eigenthümlich, indem die Lungen nicht ne-<lb/> ben dem Herzen, welches um diese Zeit die ganze Breite und Tiefe der<lb/> Brusthöhle einnimmt, sondern unter demselben neben der Speiseröhre<lb/> und dem Magen, zwischen den <hi rendition="#k">Wolff</hi>’schen Körpern und der Leber<lb/> liegen. Die nebenstehende Abbildung von <hi rendition="#k">Coste</hi> könnte zu dem Glau-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [374/0390]
Fünfunddreissigste Vorlesung.
hohle Aussackungen oder Knospen erzeugt, welche rasch sich ver-
mehrend bald in jeder Lunge ein ganzes Bäumchen von hohlen Ka-
nälen mit kolbig angeschwollenen Enden erzeugen, von welchen aus
dann durch Bildung immer neuer und zahlreicherer hohler Knospen
endlich das ganze respiratorische Höhlensystem geliefert wird. Die-
sem zufolge weicht die Lunge von allen bisher besprochenen grösse-
ren Drüsen sehr wesentlich ab. Alle Hautdrüsen mit Inbegriff der
Milchdrüsen, der Thränendrüsen und der Speicheldrüsen, treten
anfänglich als solide Knospen der tieferen Epidermisschichten auf
und erhalten erst in zweiter Linie Höhlungen, und nach demselben
Typus gestalten sich auch die Schleimdrüsen, die Magensaftdrüsen
und das noch nicht besprochene Pancreas, nur dass hier das Darm-
epithel die Rolle des Rete Malpighii vertritt. Die Lungen dagegen sind
von Anfang an hohle Ausbuchtungen des Darmepithels und erhalten
auch im Verlaufe ihrer Ausbildung niemals solide Knospen, so dass
ihre ganze Entwicklung, abgesehen von den Verzweigungen, viel
eher mit dem Wachsthume des Darmes als mit dem der übrigen
Drüsen verglichen werden kann.
Ueber die Entwicklung der Lunge ist nun im Einzelnen noch
Manches beizufügen. In der fünften Woche beginnen beim Men-
schen die Verästelungen des Epithelialrohres der Lungen, deren
Verfolgung im Einzelnen kein Interesse darbietet, daher ich Sie nur
auf einige Abbildungen vom Menschen und von Thieren verweise
(Fig. 183 auf St. 375; J. Müller, de glandularum secern. structura
Taf. XVII. Fig. 7 von einem 1½″ langen Schaafembryo; Coste, Hist.
du dével. Pl. IV a vom Menschen; Bischoff. Hundeei, Fig. 42 D,
Fig. 45 H; Remak, Unters. Taf. VI, Fig. 82, Lungenlappen eines
Schaafembryo). Sehr früh treten auch beim Menschen und bei Säu-
gern die grossen Abtheilungen der Lunge auf, dadurch, dass einzelne
Abschnitte des Organes mehr vortreten, während zwischenliegende
Stellen zurückbleiben und hat schon am Ende des ersten Monates jede
Lunge eine schwache Andeutung derselben (Fig. 182) und sind in der
achten Woche die Hauptlappen bestimmt ausgeprägt. Die Lage des Or-
ganes ist im Anfange des zweiten Monates in der fünften und sechsten
Woche immer noch sehr eigenthümlich, indem die Lungen nicht ne-
ben dem Herzen, welches um diese Zeit die ganze Breite und Tiefe der
Brusthöhle einnimmt, sondern unter demselben neben der Speiseröhre
und dem Magen, zwischen den Wolff’schen Körpern und der Leber
liegen. Die nebenstehende Abbildung von Coste könnte zu dem Glau-
Bildung der
grossen Lappen.
Lage der
Lungen.
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