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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Fünfunddreissigste Vorlesung.
der Gallengänge Erwähnung zu thun. Dieselben entwickeln sich
ganz nach dem Typus der Ausführungsgänge der anderen Drüsen
dadurch, dass von den primitiven zwei Lebergängen aus ein Theil
der anfangs soliden Lebercylinder nach und nach sich aushöhlt, ein
Vorgang, der zuerst zur Bildung der grossen Aeste der Lebergänge
und schliesslich zu derjenigen der feinsten noch hohlen Gallenkanäl-
chen führt. Da ursprünglich alle Lebercylinder anastomosiren, beim
Erwachsenen dagegen ausser in der Porta hepatis, wo der Ductus
hepaticus dexter et sinister
die bekannten feinen Anastomosen bilden,
solche nicht vorkommen, so bleibt nichts anderes übrig als anzu-
nehmen, dass später ein Theil der Lebercylinder im Bereiche der sich
bildenden Gallengänge nicht weiter sich entwickelt und schliesslich
durch Resorption verloren geht. -- Dass die primitiven Gallengänge
die Ductus hepatici sind, ist Ihnen aus der bisherigen Schilderung
wohl schon klar geworden. Ueber die Bildung des Ductus chole-
dochus
besitzen wir keine Erfahrungen, doch ist wahrscheinlich,
dass derselbe nach Art der Luftröhre durch ein secundäres Hervor-
wuchern der Einmündungsstelle der beiden primitiven Gänge sich
Gallenblase.entwickelt. Die Gallenblase entsteht beim Hühnchen nach Remak
als eine hohle Aussackung des rechten primitiven Leberganges. Bei
Säugern ist ihre erste Entwicklung noch nicht genauer verfolgt und
weiss man nur so viel, dass sie schon im zweiten Monate vorhanden
ist. Sie überragt beim Fötus nie den scharfen Rand der Leber und
zeigt die Falten ihrer Schleimhaut schon im fünften Monate.

Physiologische
Bedeutung der
Leber beim
Fötus.
Zum Schlusse erwähne ich Ihnen nun noch, dass die Leber des
Fötus offenbar ein physiologisch sehr wichtiges Organ ist, wie vor
Allem die grosse Menge Blutes beweist, welche dieselbe durch-
fliesst. Es ist jedoch ihre Bedeutung weniger darin zu suchen, dass
sie Galle secernirt, als darin, dass das Blut in ihr besondere che-
mische und morphologische Umwandlungen erleidet. Der letztere
Punct wird bei der Lehre vom Blute noch weiter zur Besprechung
kommen und erwähne ich Ihnen daher nur noch, dass die Gallen-
secretion zwar schon im dritten Monate auftritt, aber während der
ganzen Fötalperiode nie eine grössere Intensität erreicht. Im dritten
bis fünften Monate findet sich eine gallenähnliche Materie im Dünn-
darme, in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft trifft man dieselbe
auch im Dickdarme und zuletzt auch im Mastdarme und nennt man
den grünlich braunen oder braunschwarzen Darminhalt dieser Zeit,
der aus Galle, Schleim, abgelösten Epithelien und mehr zufällig in

Fünfunddreissigste Vorlesung.
der Gallengänge Erwähnung zu thun. Dieselben entwickeln sich
ganz nach dem Typus der Ausführungsgänge der anderen Drüsen
dadurch, dass von den primitiven zwei Lebergängen aus ein Theil
der anfangs soliden Lebercylinder nach und nach sich aushöhlt, ein
Vorgang, der zuerst zur Bildung der grossen Aeste der Lebergänge
und schliesslich zu derjenigen der feinsten noch hohlen Gallenkanäl-
chen führt. Da ursprünglich alle Lebercylinder anastomosiren, beim
Erwachsenen dagegen ausser in der Porta hepatis, wo der Ductus
hepaticus dexter et sinister
die bekannten feinen Anastomosen bilden,
solche nicht vorkommen, so bleibt nichts anderes übrig als anzu-
nehmen, dass später ein Theil der Lebercylinder im Bereiche der sich
bildenden Gallengänge nicht weiter sich entwickelt und schliesslich
durch Resorption verloren geht. — Dass die primitiven Gallengänge
die Ductus hepatici sind, ist Ihnen aus der bisherigen Schilderung
wohl schon klar geworden. Ueber die Bildung des Ductus chole-
dochus
besitzen wir keine Erfahrungen, doch ist wahrscheinlich,
dass derselbe nach Art der Luftröhre durch ein secundäres Hervor-
wuchern der Einmündungsstelle der beiden primitiven Gänge sich
Gallenblase.entwickelt. Die Gallenblase entsteht beim Hühnchen nach Remak
als eine hohle Aussackung des rechten primitiven Leberganges. Bei
Säugern ist ihre erste Entwicklung noch nicht genauer verfolgt und
weiss man nur so viel, dass sie schon im zweiten Monate vorhanden
ist. Sie überragt beim Fötus nie den scharfen Rand der Leber und
zeigt die Falten ihrer Schleimhaut schon im fünften Monate.

Physiologische
Bedeutung der
Leber beim
Fötus.
Zum Schlusse erwähne ich Ihnen nun noch, dass die Leber des
Fötus offenbar ein physiologisch sehr wichtiges Organ ist, wie vor
Allem die grosse Menge Blutes beweist, welche dieselbe durch-
fliesst. Es ist jedoch ihre Bedeutung weniger darin zu suchen, dass
sie Galle secernirt, als darin, dass das Blut in ihr besondere che-
mische und morphologische Umwandlungen erleidet. Der letztere
Punct wird bei der Lehre vom Blute noch weiter zur Besprechung
kommen und erwähne ich Ihnen daher nur noch, dass die Gallen-
secretion zwar schon im dritten Monate auftritt, aber während der
ganzen Fötalperiode nie eine grössere Intensität erreicht. Im dritten
bis fünften Monate findet sich eine gallenähnliche Materie im Dünn-
darme, in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft trifft man dieselbe
auch im Dickdarme und zuletzt auch im Mastdarme und nennt man
den grünlich braunen oder braunschwarzen Darminhalt dieser Zeit,
der aus Galle, Schleim, abgelösten Epithelien und mehr zufällig in

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[386/0402] Fünfunddreissigste Vorlesung. der Gallengänge Erwähnung zu thun. Dieselben entwickeln sich ganz nach dem Typus der Ausführungsgänge der anderen Drüsen dadurch, dass von den primitiven zwei Lebergängen aus ein Theil der anfangs soliden Lebercylinder nach und nach sich aushöhlt, ein Vorgang, der zuerst zur Bildung der grossen Aeste der Lebergänge und schliesslich zu derjenigen der feinsten noch hohlen Gallenkanäl- chen führt. Da ursprünglich alle Lebercylinder anastomosiren, beim Erwachsenen dagegen ausser in der Porta hepatis, wo der Ductus hepaticus dexter et sinister die bekannten feinen Anastomosen bilden, solche nicht vorkommen, so bleibt nichts anderes übrig als anzu- nehmen, dass später ein Theil der Lebercylinder im Bereiche der sich bildenden Gallengänge nicht weiter sich entwickelt und schliesslich durch Resorption verloren geht. — Dass die primitiven Gallengänge die Ductus hepatici sind, ist Ihnen aus der bisherigen Schilderung wohl schon klar geworden. Ueber die Bildung des Ductus chole- dochus besitzen wir keine Erfahrungen, doch ist wahrscheinlich, dass derselbe nach Art der Luftröhre durch ein secundäres Hervor- wuchern der Einmündungsstelle der beiden primitiven Gänge sich entwickelt. Die Gallenblase entsteht beim Hühnchen nach Remak als eine hohle Aussackung des rechten primitiven Leberganges. Bei Säugern ist ihre erste Entwicklung noch nicht genauer verfolgt und weiss man nur so viel, dass sie schon im zweiten Monate vorhanden ist. Sie überragt beim Fötus nie den scharfen Rand der Leber und zeigt die Falten ihrer Schleimhaut schon im fünften Monate. Gallenblase. Zum Schlusse erwähne ich Ihnen nun noch, dass die Leber des Fötus offenbar ein physiologisch sehr wichtiges Organ ist, wie vor Allem die grosse Menge Blutes beweist, welche dieselbe durch- fliesst. Es ist jedoch ihre Bedeutung weniger darin zu suchen, dass sie Galle secernirt, als darin, dass das Blut in ihr besondere che- mische und morphologische Umwandlungen erleidet. Der letztere Punct wird bei der Lehre vom Blute noch weiter zur Besprechung kommen und erwähne ich Ihnen daher nur noch, dass die Gallen- secretion zwar schon im dritten Monate auftritt, aber während der ganzen Fötalperiode nie eine grössere Intensität erreicht. Im dritten bis fünften Monate findet sich eine gallenähnliche Materie im Dünn- darme, in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft trifft man dieselbe auch im Dickdarme und zuletzt auch im Mastdarme und nennt man den grünlich braunen oder braunschwarzen Darminhalt dieser Zeit, der aus Galle, Schleim, abgelösten Epithelien und mehr zufällig in Physiologische Bedeutung der Leber beim Fötus.

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/402>, abgerufen am 22.11.2024.