weiter gegen das Becken zu und hinter der Leber lagen, neben dem- selben sich zu erheben, um bald ihre typische Stellung einzuneh- men, und während diess geschieht, stellt sich auch das Herz mit der Spitze mehr nach links, von welcher Zeit an es keine erheblichen Lageveränderungen mehr erfährt.
Eigenthümlich wie die Lage ist auch die Beschaffenheit der dasHüllen des Herzens. Herz umgebenden Theile. So lange das Herz seine primitive Stellung am Kopfe und Halse einnimmt, ist es in einer Spaltungslücke des mittleren Keimblattes enthalten, deren Begrenzungen in einer frü- heren Stunde genau geschildert wurden (Vorl. IX. Fig. 22, 23). Diese Lücke hat zuerst die in der Fig. 23 dargestellte Form, nimmt aber später die an, die die Fig. 47, 2--4 darstellt, und finden wir in die- sem Stadium das Herz vor dem Anfangsdarm gelegen und an der Bauchseite nur von einer dünnen Haut bedeckt, welche die Mem- brana reuniens inferior von Rathke oder die primitive Hals- und Brustwand ist. Um diese Zeit geschieht es auch, dass das grosse Herz diese dünne Haut bruchsackartig vortreibt und scheinbar wie ausserhalb des Leibes seine Lage hat (s. Fig. 60). Dieser Zustand dauert so lange bis die Producte der Urwirbel, Muskeln, Nerven und Knochen, in die primitive untere Leibeswand hineinwachsen und die bleibende Brustwand bilden, mit welchem Vorgange dann erst das relativ auch kleiner gewordene Herz seine Stelle im Thorax ein- nimmt, was beim Menschen in der zweiten Hälfte des zweiten Mo- nates geschieht.
Ueber die Entwicklung des Herzbeutels ist bis jetzt nichtsHerzbeutel. Sicheres bekannt, doch möchte soviel unzweifelhaft sein, dass der- selbe nach Analogie des Peritonaeum und der Pleura in loco sich bil- det und nichts als die äusserste Schicht der Herzanlage und die innerste Lamelle der primitiven, dass Herz einschliessenden Höhle ist. Zu welcher Zeit derselbe beim Menschen zuerst sichtbar wird, ist nicht bekannt und kann ich Ihnen nur soviel sagen, dass derselbe am Ende des zweiten Monates schon deutlich ist.
Zur Entwicklung der Gefässe übergehend, beginnen wir nunEntwicklung der Arterien. Aortenbogen. zunächst mit den Arterien, unter denen die grossen Stämme in der Nähe des Herzens vor Allem die Beachtung verdienen. Die erste Form derselben, die gleich nach der Entstehung des Herzens und während der Dauer des Kreislaufes im Fruchthofe getroffen wird, ist die (Fig. 203, 1), dass das Herz vorn einen Truncus arteriosus (ta) entsendet, der nach kurzem Verlaufe in zwei Arcus aortae sich
Entwicklung des Gefässsystems.
weiter gegen das Becken zu und hinter der Leber lagen, neben dem- selben sich zu erheben, um bald ihre typische Stellung einzuneh- men, und während diess geschieht, stellt sich auch das Herz mit der Spitze mehr nach links, von welcher Zeit an es keine erheblichen Lageveränderungen mehr erfährt.
Eigenthümlich wie die Lage ist auch die Beschaffenheit der dasHüllen des Herzens. Herz umgebenden Theile. So lange das Herz seine primitive Stellung am Kopfe und Halse einnimmt, ist es in einer Spaltungslücke des mittleren Keimblattes enthalten, deren Begrenzungen in einer frü- heren Stunde genau geschildert wurden (Vorl. IX. Fig. 22, 23). Diese Lücke hat zuerst die in der Fig. 23 dargestellte Form, nimmt aber später die an, die die Fig. 47, 2—4 darstellt, und finden wir in die- sem Stadium das Herz vor dem Anfangsdarm gelegen und an der Bauchseite nur von einer dünnen Haut bedeckt, welche die Mem- brana reuniens inferior von Rathke oder die primitive Hals- und Brustwand ist. Um diese Zeit geschieht es auch, dass das grosse Herz diese dünne Haut bruchsackartig vortreibt und scheinbar wie ausserhalb des Leibes seine Lage hat (s. Fig. 60). Dieser Zustand dauert so lange bis die Producte der Urwirbel, Muskeln, Nerven und Knochen, in die primitive untere Leibeswand hineinwachsen und die bleibende Brustwand bilden, mit welchem Vorgange dann erst das relativ auch kleiner gewordene Herz seine Stelle im Thorax ein- nimmt, was beim Menschen in der zweiten Hälfte des zweiten Mo- nates geschieht.
Ueber die Entwicklung des Herzbeutels ist bis jetzt nichtsHerzbeutel. Sicheres bekannt, doch möchte soviel unzweifelhaft sein, dass der- selbe nach Analogie des Peritonaeum und der Pleura in loco sich bil- det und nichts als die äusserste Schicht der Herzanlage und die innerste Lamelle der primitiven, dass Herz einschliessenden Höhle ist. Zu welcher Zeit derselbe beim Menschen zuerst sichtbar wird, ist nicht bekannt und kann ich Ihnen nur soviel sagen, dass derselbe am Ende des zweiten Monates schon deutlich ist.
Zur Entwicklung der Gefässe übergehend, beginnen wir nunEntwicklung der Arterien. Aortenbogen. zunächst mit den Arterien, unter denen die grossen Stämme in der Nähe des Herzens vor Allem die Beachtung verdienen. Die erste Form derselben, die gleich nach der Entstehung des Herzens und während der Dauer des Kreislaufes im Fruchthofe getroffen wird, ist die (Fig. 203, 1), dass das Herz vorn einen Truncus arteriosus (ta) entsendet, der nach kurzem Verlaufe in zwei Arcus aortae sich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0423"n="407"/><fwplace="top"type="header">Entwicklung des Gefässsystems.</fw><lb/>
weiter gegen das Becken zu und hinter der Leber lagen, neben dem-<lb/>
selben sich zu erheben, um bald ihre typische Stellung einzuneh-<lb/>
men, und während diess geschieht, stellt sich auch das Herz mit der<lb/>
Spitze mehr nach links, von welcher Zeit an es keine erheblichen<lb/>
Lageveränderungen mehr erfährt.</p><lb/><p>Eigenthümlich wie die Lage ist auch die Beschaffenheit der das<noteplace="right">Hüllen<lb/>
des Herzens.</note><lb/>
Herz umgebenden Theile. So lange das Herz seine primitive Stellung<lb/>
am Kopfe und Halse einnimmt, ist es in einer Spaltungslücke des<lb/>
mittleren Keimblattes enthalten, deren Begrenzungen in einer frü-<lb/>
heren Stunde genau geschildert wurden (Vorl. IX. Fig. 22, 23). Diese<lb/>
Lücke hat zuerst die in der Fig. 23 dargestellte Form, nimmt aber<lb/>
später die an, die die Fig. 47, 2—4 darstellt, und finden wir in die-<lb/>
sem Stadium das Herz vor dem Anfangsdarm gelegen und an der<lb/>
Bauchseite nur von einer dünnen Haut bedeckt, welche die <hirendition="#i">Mem-<lb/>
brana reuniens inferior</hi> von <hirendition="#k">Rathke</hi> oder die primitive Hals- und<lb/>
Brustwand ist. Um diese Zeit geschieht es auch, dass das grosse<lb/>
Herz diese dünne Haut bruchsackartig vortreibt und scheinbar wie<lb/>
ausserhalb des Leibes seine Lage hat (s. Fig. 60). Dieser Zustand<lb/>
dauert so lange bis die Producte der Urwirbel, Muskeln, Nerven und<lb/>
Knochen, in die primitive untere Leibeswand hineinwachsen und die<lb/>
bleibende Brustwand bilden, mit welchem Vorgange dann erst das<lb/>
relativ auch kleiner gewordene Herz seine Stelle im <hirendition="#i">Thorax</hi> ein-<lb/>
nimmt, was beim Menschen in der zweiten Hälfte des zweiten Mo-<lb/>
nates geschieht.</p><lb/><p>Ueber die Entwicklung des <hirendition="#g">Herzbeutels</hi> ist bis jetzt nichts<noteplace="right">Herzbeutel.</note><lb/>
Sicheres bekannt, doch möchte soviel unzweifelhaft sein, dass der-<lb/>
selbe nach Analogie des <hirendition="#i">Peritonaeum</hi> und der <hirendition="#i">Pleura</hi> in loco sich bil-<lb/>
det und nichts als die äusserste Schicht der Herzanlage und die<lb/>
innerste Lamelle der primitiven, dass Herz einschliessenden Höhle<lb/>
ist. Zu welcher Zeit derselbe beim Menschen zuerst sichtbar wird,<lb/>
ist nicht bekannt und kann ich Ihnen nur soviel sagen, dass derselbe<lb/>
am Ende des zweiten Monates schon deutlich ist.</p><lb/><p>Zur Entwicklung der Gefässe übergehend, beginnen wir nun<noteplace="right">Entwicklung der<lb/>
Arterien.<lb/>
Aortenbogen.</note><lb/>
zunächst mit den <hirendition="#g">Arterien</hi>, unter denen die grossen Stämme in der<lb/>
Nähe des Herzens vor Allem die Beachtung verdienen. Die erste<lb/>
Form derselben, die gleich nach der Entstehung des Herzens und<lb/>
während der Dauer des Kreislaufes im Fruchthofe getroffen wird,<lb/>
ist die (Fig. 203, 1), dass das Herz vorn einen <hirendition="#i">Truncus arteriosus</hi><lb/>
(<hirendition="#i"><hirendition="#g">ta</hi></hi>) entsendet, der nach kurzem Verlaufe in zwei <hirendition="#i">Arcus aortae</hi> sich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[407/0423]
Entwicklung des Gefässsystems.
weiter gegen das Becken zu und hinter der Leber lagen, neben dem-
selben sich zu erheben, um bald ihre typische Stellung einzuneh-
men, und während diess geschieht, stellt sich auch das Herz mit der
Spitze mehr nach links, von welcher Zeit an es keine erheblichen
Lageveränderungen mehr erfährt.
Eigenthümlich wie die Lage ist auch die Beschaffenheit der das
Herz umgebenden Theile. So lange das Herz seine primitive Stellung
am Kopfe und Halse einnimmt, ist es in einer Spaltungslücke des
mittleren Keimblattes enthalten, deren Begrenzungen in einer frü-
heren Stunde genau geschildert wurden (Vorl. IX. Fig. 22, 23). Diese
Lücke hat zuerst die in der Fig. 23 dargestellte Form, nimmt aber
später die an, die die Fig. 47, 2—4 darstellt, und finden wir in die-
sem Stadium das Herz vor dem Anfangsdarm gelegen und an der
Bauchseite nur von einer dünnen Haut bedeckt, welche die Mem-
brana reuniens inferior von Rathke oder die primitive Hals- und
Brustwand ist. Um diese Zeit geschieht es auch, dass das grosse
Herz diese dünne Haut bruchsackartig vortreibt und scheinbar wie
ausserhalb des Leibes seine Lage hat (s. Fig. 60). Dieser Zustand
dauert so lange bis die Producte der Urwirbel, Muskeln, Nerven und
Knochen, in die primitive untere Leibeswand hineinwachsen und die
bleibende Brustwand bilden, mit welchem Vorgange dann erst das
relativ auch kleiner gewordene Herz seine Stelle im Thorax ein-
nimmt, was beim Menschen in der zweiten Hälfte des zweiten Mo-
nates geschieht.
Hüllen
des Herzens.
Ueber die Entwicklung des Herzbeutels ist bis jetzt nichts
Sicheres bekannt, doch möchte soviel unzweifelhaft sein, dass der-
selbe nach Analogie des Peritonaeum und der Pleura in loco sich bil-
det und nichts als die äusserste Schicht der Herzanlage und die
innerste Lamelle der primitiven, dass Herz einschliessenden Höhle
ist. Zu welcher Zeit derselbe beim Menschen zuerst sichtbar wird,
ist nicht bekannt und kann ich Ihnen nur soviel sagen, dass derselbe
am Ende des zweiten Monates schon deutlich ist.
Herzbeutel.
Zur Entwicklung der Gefässe übergehend, beginnen wir nun
zunächst mit den Arterien, unter denen die grossen Stämme in der
Nähe des Herzens vor Allem die Beachtung verdienen. Die erste
Form derselben, die gleich nach der Entstehung des Herzens und
während der Dauer des Kreislaufes im Fruchthofe getroffen wird,
ist die (Fig. 203, 1), dass das Herz vorn einen Truncus arteriosus
(ta) entsendet, der nach kurzem Verlaufe in zwei Arcus aortae sich
Entwicklung der
Arterien.
Aortenbogen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/423>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.