Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.Neununddreissigste Vorlesung. Embryo (Fig. 220, 1) misst der Sinus urogenitalis 2 1/3 mm und erscheintals ein weiterer, die Harnblase und Harnröhre -- die übrigens jetzt noch nicht als ein besonderer Theil zu unterscheiden ist -- unmit- telbar fortsetzender Kanal, in dessen Anfang die engere Scheide, die sammt Uterus nur 3mm lang ist, auf einer kleinen Erhöhung aus- mündet. Beim vier Monate alten Embryo (Fig. 220, 2) ist das Ver- [Abbildung]
Fig. 220. halten der beiden Kanäle zu einander noch ganzdasselbe, Uterus und Scheide messen aber nun schon 6mm, während der Sinus urogenitalis sich kaum vergrössert hat und nicht mehr als 21/2mm beträgt. Im fünften und sechsten Monate erst ändert sich das Verhältniss der Kanäle zu einan- der, die Scheide wird weiter und erscheint von nun an der Sinus urogenitalis als directe Verlän- gerung derselben, und die Harnröhre, die mitt- lerweile auch von der Blase sich abgegrenzt hat, als ein in die Vagina einmündender Kanal. Im sechsten Monate (Fig. 220, 3) beträgt der Sinus urogenitalis, der nun schon Vestibulum vaginae heissen kann, nur 31/2mm, während die Vagina schon 11mm und der Uterus 7mm misst. Diese Zah- len genügen, um zu zeigen, dass der ursprüng- liche Sinus urogenitalis nicht nur nicht schwindet, sondern sogar auch mit wächst, da aber die Scheide und der untere Theil der primitiven Harnblase, die zur Harnröhre wird, viel stärker wachsen, so erscheint derselbe später als ein untergeordneter Theil. Da ferner die Scheide später mehr sich ausweitet als die Harnröhre, so wird der Sinus urogenitalis, der anfänglich die unmittelbare Fortsetzung der Harnblase war, zuletzt wie zum Ende der Scheide, in das die Harnröhre einmündet. Uterus und Scheide bilden, wie Ihnen aus der vorhin gegebenen [Abbildung]
Fig. 220. Sinus urogenitalis und Annexa von menschlichen Embryonen in Neununddreissigste Vorlesung. Embryo (Fig. 220, 1) misst der Sinus urogenitalis 2⅓mm und erscheintals ein weiterer, die Harnblase und Harnröhre — die übrigens jetzt noch nicht als ein besonderer Theil zu unterscheiden ist — unmit- telbar fortsetzender Kanal, in dessen Anfang die engere Scheide, die sammt Uterus nur 3mm lang ist, auf einer kleinen Erhöhung aus- mündet. Beim vier Monate alten Embryo (Fig. 220, 2) ist das Ver- [Abbildung]
Fig. 220. halten der beiden Kanäle zu einander noch ganzdasselbe, Uterus und Scheide messen aber nun schon 6mm, während der Sinus urogenitalis sich kaum vergrössert hat und nicht mehr als 2½mm beträgt. Im fünften und sechsten Monate erst ändert sich das Verhältniss der Kanäle zu einan- der, die Scheide wird weiter und erscheint von nun an der Sinus urogenitalis als directe Verlän- gerung derselben, und die Harnröhre, die mitt- lerweile auch von der Blase sich abgegrenzt hat, als ein in die Vagina einmündender Kanal. Im sechsten Monate (Fig. 220, 3) beträgt der Sinus urogenitalis, der nun schon Vestibulum vaginae heissen kann, nur 3½mm, während die Vagina schon 11mm und der Uterus 7mm misst. Diese Zah- len genügen, um zu zeigen, dass der ursprüng- liche Sinus urogenitalis nicht nur nicht schwindet, sondern sogar auch mit wächst, da aber die Scheide und der untere Theil der primitiven Harnblase, die zur Harnröhre wird, viel stärker wachsen, so erscheint derselbe später als ein untergeordneter Theil. Da ferner die Scheide später mehr sich ausweitet als die Harnröhre, so wird der Sinus urogenitalis, der anfänglich die unmittelbare Fortsetzung der Harnblase war, zuletzt wie zum Ende der Scheide, in das die Harnröhre einmündet. Uterus und Scheide bilden, wie Ihnen aus der vorhin gegebenen [Abbildung]
Fig. 220. Sinus urogenitalis und Annexa von menschlichen Embryonen in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0468" n="452"/><fw place="top" type="header">Neununddreissigste Vorlesung.</fw><lb/> Embryo (Fig. 220, 1) misst der <hi rendition="#i">Sinus urogenitalis</hi> 2⅓<hi rendition="#sup">mm</hi> und erscheint<lb/> als ein weiterer, die Harnblase und Harnröhre — die übrigens jetzt<lb/> noch nicht als ein besonderer Theil zu unterscheiden ist — unmit-<lb/> telbar fortsetzender Kanal, in dessen Anfang die engere Scheide, die<lb/> sammt Uterus nur 3<hi rendition="#sup">mm</hi> lang ist, auf einer kleinen Erhöhung aus-<lb/> mündet. Beim vier Monate alten Embryo (Fig. 220, 2) ist das Ver-<lb/><figure><head>Fig. 220.</head></figure><lb/> halten der beiden Kanäle zu einander noch ganz<lb/> dasselbe, Uterus und Scheide messen aber nun<lb/> schon 6<hi rendition="#sup">mm</hi>, während der <hi rendition="#i">Sinus urogenitalis</hi> sich<lb/> kaum vergrössert hat und nicht mehr als 2½<hi rendition="#sup">mm</hi><lb/> beträgt. Im fünften und sechsten Monate erst<lb/> ändert sich das Verhältniss der Kanäle zu einan-<lb/> der, die Scheide wird weiter und erscheint von<lb/> nun an der <hi rendition="#i">Sinus urogenitalis</hi> als directe Verlän-<lb/> gerung derselben, und die Harnröhre, die mitt-<lb/> lerweile auch von der Blase sich abgegrenzt hat,<lb/> als ein in die Vagina einmündender Kanal. Im<lb/> sechsten Monate (Fig. 220, 3) beträgt der <hi rendition="#i">Sinus<lb/> urogenitalis</hi>, der nun schon <hi rendition="#i">Vestibulum vaginae</hi><lb/> heissen kann, nur 3½<hi rendition="#sup">mm</hi>, während die Vagina<lb/> schon 11<hi rendition="#sup">mm</hi> und der Uterus 7<hi rendition="#sup">mm</hi> misst. Diese Zah-<lb/> len genügen, um zu zeigen, dass der ursprüng-<lb/> liche <hi rendition="#i">Sinus urogenitalis</hi> nicht nur nicht schwindet,<lb/> sondern sogar auch mit wächst, da aber die<lb/> Scheide und der untere Theil der primitiven Harnblase, die zur<lb/> Harnröhre wird, viel stärker wachsen, so erscheint derselbe später<lb/> als ein untergeordneter Theil. Da ferner die Scheide später mehr<lb/> sich ausweitet als die Harnröhre, so wird der <hi rendition="#i">Sinus urogenitalis</hi>, der<lb/> anfänglich die unmittelbare Fortsetzung der Harnblase war, zuletzt<lb/> wie zum Ende der Scheide, in das die Harnröhre einmündet.</p><lb/> <p>Uterus und Scheide bilden, wie Ihnen aus der vorhin gegebenen<lb/> Entwicklungsgeschichte klar geworden sein wird, ursprünglich nur<lb/> Einen Kanal und sieht man beim Menschen im dritten und vierten<lb/> Monate keine Spur einer Trennung in demselben (Fig. 220, 1, 2).<lb/><figure><p>Fig. 220. <hi rendition="#i">Sinus urogenitalis</hi> und <hi rendition="#i">Annexa</hi> von menschlichen Embryonen in<lb/> natürlicher Grösse. 1. von einem dreimonatlichen, 2. von einem viermonat-<lb/> lichen, 3. von einem sechs Monate alten Embryo. <hi rendition="#i">b</hi> Blase, <hi rendition="#i">h</hi> Harnröhre, <hi rendition="#i">u g<lb/> Sinus urogenitalis, g</hi> Genitalkanal, Anlage von Scheide und Uterus, <hi rendition="#i">s</hi> Scheide,<lb/><hi rendition="#i">u</hi> Uterus.</p></figure><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [452/0468]
Neununddreissigste Vorlesung.
Embryo (Fig. 220, 1) misst der Sinus urogenitalis 2⅓mm und erscheint
als ein weiterer, die Harnblase und Harnröhre — die übrigens jetzt
noch nicht als ein besonderer Theil zu unterscheiden ist — unmit-
telbar fortsetzender Kanal, in dessen Anfang die engere Scheide, die
sammt Uterus nur 3mm lang ist, auf einer kleinen Erhöhung aus-
mündet. Beim vier Monate alten Embryo (Fig. 220, 2) ist das Ver-
[Abbildung Fig. 220.]
halten der beiden Kanäle zu einander noch ganz
dasselbe, Uterus und Scheide messen aber nun
schon 6mm, während der Sinus urogenitalis sich
kaum vergrössert hat und nicht mehr als 2½mm
beträgt. Im fünften und sechsten Monate erst
ändert sich das Verhältniss der Kanäle zu einan-
der, die Scheide wird weiter und erscheint von
nun an der Sinus urogenitalis als directe Verlän-
gerung derselben, und die Harnröhre, die mitt-
lerweile auch von der Blase sich abgegrenzt hat,
als ein in die Vagina einmündender Kanal. Im
sechsten Monate (Fig. 220, 3) beträgt der Sinus
urogenitalis, der nun schon Vestibulum vaginae
heissen kann, nur 3½mm, während die Vagina
schon 11mm und der Uterus 7mm misst. Diese Zah-
len genügen, um zu zeigen, dass der ursprüng-
liche Sinus urogenitalis nicht nur nicht schwindet,
sondern sogar auch mit wächst, da aber die
Scheide und der untere Theil der primitiven Harnblase, die zur
Harnröhre wird, viel stärker wachsen, so erscheint derselbe später
als ein untergeordneter Theil. Da ferner die Scheide später mehr
sich ausweitet als die Harnröhre, so wird der Sinus urogenitalis, der
anfänglich die unmittelbare Fortsetzung der Harnblase war, zuletzt
wie zum Ende der Scheide, in das die Harnröhre einmündet.
Uterus und Scheide bilden, wie Ihnen aus der vorhin gegebenen
Entwicklungsgeschichte klar geworden sein wird, ursprünglich nur
Einen Kanal und sieht man beim Menschen im dritten und vierten
Monate keine Spur einer Trennung in demselben (Fig. 220, 1, 2).
[Abbildung Fig. 220. Sinus urogenitalis und Annexa von menschlichen Embryonen in
natürlicher Grösse. 1. von einem dreimonatlichen, 2. von einem viermonat-
lichen, 3. von einem sechs Monate alten Embryo. b Blase, h Harnröhre, u g
Sinus urogenitalis, g Genitalkanal, Anlage von Scheide und Uterus, s Scheide,
u Uterus.]
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