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Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861.

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Erklärung der Furchung.

So sehr nun auch die Annahme einer gänzlich ununterbroche-
nen Formfolge zu den Anschauungen der neuern Histologie passt, so
kann es sich doch in dieser Angelegenheit nicht darum handeln,
sondern wir werden vor Allem zu fragen haben, nach welcher Seite
die Thatsachen schwerer in die Wagschaale fallen, und da kann es
dann wohl kaum zweifelhaft sein, dass in einer bedeutenden Zahl
guter Beobachtungen das Schwinden des Keimbläschens wirklich
nachgewiesen ist. Diesen Erfahrungen gegenüber scheint mir die
negative Beobachtung, dass bei einigen Thieren während der Ent
wicklung das Stadium nicht zur Beobachtung kam, in welchem das
Keimbläschen fehlte, nicht gerade von grosser Bedeutung zu sein,
und will ich mir nur erlauben, Ihnen noch anzuführen, dass nach
der übereinstimmenden Aussage aller Botaniker bei den höheren
Pflanzen der Kern des Eies, das heisst des sogenannten Embryo-
sackes, keinen Antheil an der Bildung der Zellen (der sogenannten
Keimbläschen) hat, aus denen die junge Pflanze nach der Befruch-
tung hervorgeht.

Eine zweite Frage, die wir noch aufwerfen können, ist die:Bewegungen des
Dotters und Be-
ziehungen der-
selben zur Fur-
chung.

durch welche Momente kommt die eigentliche Dotterzerklüfung zu
Stande? Für einmal ist es hier ebensowenig als bei der Zellenthei-
lung möglich, eine bestimmte Antwort zu geben, doch ist es nicht
undenkbar, dass Bewegungsphänomene, von den Kernen angeregt,
dem Ganzen zu Grunde liegen und möchte ich Ihnen in dieser Be-
ziehung noch folgende Thatsachen namhaft machen. Ein Engländer,
Ransom, hat vor einigen Jahren zuerst vom Dotter von Gasterosteus
mitgetheilt, dass derselbe Bewegungen zeige; später hat Reichert
dasselbe beim Hechteie beobachtet und Aehnliches war schon vorher
von Ecker an den Furchungskugeln des Frosches und von Siebold
und mir an den Zellen von Planarienembryonen gesehen worden.
Vielleicht zählen hierher auch einige räthselhafte Beobachtungen
von Bischoff. Derselbe sah einmal an einem Kaninchenei vor dem
Eintritte der Furchung langsame Rotationen der ganzen Dottermasse,
die er freilich auf Rechnung feiner Cilien setzt, die er auch gesehen
zu haben glaubt. Später nahm er ähnliche Rotationen auch beim
Meerschweinchen wahr, bei dem er jedoch keine Wimpern finden
konnte. Es liegt nahe anzunehmen, dass in beiden Fällen einfach
ein Bewegungsphänomen des Dotters vorlag, ähnlich denen, die
Ransom und Reichert sahen. Nimmt man nun zu diesen Thatsachen
noch die zalreichen Beobachtungen von Bewegungserscheinungen im

Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 3
Erklärung der Furchung.

So sehr nun auch die Annahme einer gänzlich ununterbroche-
nen Formfolge zu den Anschauungen der neuern Histologie passt, so
kann es sich doch in dieser Angelegenheit nicht darum handeln,
sondern wir werden vor Allem zu fragen haben, nach welcher Seite
die Thatsachen schwerer in die Wagschaale fallen, und da kann es
dann wohl kaum zweifelhaft sein, dass in einer bedeutenden Zahl
guter Beobachtungen das Schwinden des Keimbläschens wirklich
nachgewiesen ist. Diesen Erfahrungen gegenüber scheint mir die
negative Beobachtung, dass bei einigen Thieren während der Ent
wicklung das Stadium nicht zur Beobachtung kam, in welchem das
Keimbläschen fehlte, nicht gerade von grosser Bedeutung zu sein,
und will ich mir nur erlauben, Ihnen noch anzuführen, dass nach
der übereinstimmenden Aussage aller Botaniker bei den höheren
Pflanzen der Kern des Eies, das heisst des sogenannten Embryo-
sackes, keinen Antheil an der Bildung der Zellen (der sogenannten
Keimbläschen) hat, aus denen die junge Pflanze nach der Befruch-
tung hervorgeht.

Eine zweite Frage, die wir noch aufwerfen können, ist die:Bewegungen des
Dotters und Be-
ziehungen der-
selben zur Fur-
chung.

durch welche Momente kommt die eigentliche Dotterzerklüfung zu
Stande? Für einmal ist es hier ebensowenig als bei der Zellenthei-
lung möglich, eine bestimmte Antwort zu geben, doch ist es nicht
undenkbar, dass Bewegungsphänomene, von den Kernen angeregt,
dem Ganzen zu Grunde liegen und möchte ich Ihnen in dieser Be-
ziehung noch folgende Thatsachen namhaft machen. Ein Engländer,
Ransom, hat vor einigen Jahren zuerst vom Dotter von Gasterosteus
mitgetheilt, dass derselbe Bewegungen zeige; später hat Reichert
dasselbe beim Hechteie beobachtet und Aehnliches war schon vorher
von Ecker an den Furchungskugeln des Frosches und von Siebold
und mir an den Zellen von Planarienembryonen gesehen worden.
Vielleicht zählen hierher auch einige räthselhafte Beobachtungen
von Bischoff. Derselbe sah einmal an einem Kaninchenei vor dem
Eintritte der Furchung langsame Rotationen der ganzen Dottermasse,
die er freilich auf Rechnung feiner Cilien setzt, die er auch gesehen
zu haben glaubt. Später nahm er ähnliche Rotationen auch beim
Meerschweinchen wahr, bei dem er jedoch keine Wimpern finden
konnte. Es liegt nahe anzunehmen, dass in beiden Fällen einfach
ein Bewegungsphänomen des Dotters vorlag, ähnlich denen, die
Ransom und Reichert sahen. Nimmt man nun zu diesen Thatsachen
noch die zalreichen Beobachtungen von Bewegungserscheinungen im

Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 3
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[33/0049] Erklärung der Furchung. So sehr nun auch die Annahme einer gänzlich ununterbroche- nen Formfolge zu den Anschauungen der neuern Histologie passt, so kann es sich doch in dieser Angelegenheit nicht darum handeln, sondern wir werden vor Allem zu fragen haben, nach welcher Seite die Thatsachen schwerer in die Wagschaale fallen, und da kann es dann wohl kaum zweifelhaft sein, dass in einer bedeutenden Zahl guter Beobachtungen das Schwinden des Keimbläschens wirklich nachgewiesen ist. Diesen Erfahrungen gegenüber scheint mir die negative Beobachtung, dass bei einigen Thieren während der Ent wicklung das Stadium nicht zur Beobachtung kam, in welchem das Keimbläschen fehlte, nicht gerade von grosser Bedeutung zu sein, und will ich mir nur erlauben, Ihnen noch anzuführen, dass nach der übereinstimmenden Aussage aller Botaniker bei den höheren Pflanzen der Kern des Eies, das heisst des sogenannten Embryo- sackes, keinen Antheil an der Bildung der Zellen (der sogenannten Keimbläschen) hat, aus denen die junge Pflanze nach der Befruch- tung hervorgeht. Eine zweite Frage, die wir noch aufwerfen können, ist die: durch welche Momente kommt die eigentliche Dotterzerklüfung zu Stande? Für einmal ist es hier ebensowenig als bei der Zellenthei- lung möglich, eine bestimmte Antwort zu geben, doch ist es nicht undenkbar, dass Bewegungsphänomene, von den Kernen angeregt, dem Ganzen zu Grunde liegen und möchte ich Ihnen in dieser Be- ziehung noch folgende Thatsachen namhaft machen. Ein Engländer, Ransom, hat vor einigen Jahren zuerst vom Dotter von Gasterosteus mitgetheilt, dass derselbe Bewegungen zeige; später hat Reichert dasselbe beim Hechteie beobachtet und Aehnliches war schon vorher von Ecker an den Furchungskugeln des Frosches und von Siebold und mir an den Zellen von Planarienembryonen gesehen worden. Vielleicht zählen hierher auch einige räthselhafte Beobachtungen von Bischoff. Derselbe sah einmal an einem Kaninchenei vor dem Eintritte der Furchung langsame Rotationen der ganzen Dottermasse, die er freilich auf Rechnung feiner Cilien setzt, die er auch gesehen zu haben glaubt. Später nahm er ähnliche Rotationen auch beim Meerschweinchen wahr, bei dem er jedoch keine Wimpern finden konnte. Es liegt nahe anzunehmen, dass in beiden Fällen einfach ein Bewegungsphänomen des Dotters vorlag, ähnlich denen, die Ransom und Reichert sahen. Nimmt man nun zu diesen Thatsachen noch die zalreichen Beobachtungen von Bewegungserscheinungen im Bewegungen des Dotters und Be- ziehungen der- selben zur Fur- chung. Kölliker, Entwicklungsgeschichte. 3

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Zitationshilfe: Kölliker, Albert von: Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Leipzig, 1861, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/koelliker_entwicklungs_1861/49>, abgerufen am 03.12.2024.