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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nicht arbeiten, darf man nicht aufs Feld hinausgehen, kein Holz hacken? Schön würden mich die Kinder ansehen; ihr Vater arbeitet ja doch, geht aufs Feld hinaus und hackt Holz, und hat doch keinen Feiertag!

An das hab' ich nicht gedacht, sagte Josseph zögernd.

Du möchtst schon darauf denken, wärst du ein Weib wie ich. Ich hab' gehört, es soll Länder geben, wo Christen und Juden sich nehmen dürfen, und braucht keines von beiden seine Religion zu wechseln. Schön ist das, das muß man schon sagen, wenn weder der Mann noch das Weib den Ihrigen das Herzeleid anzuthun und sie zu kränken braucht. Denn traurig ist die Sache doch immer, wenn man, um einen Mann oder ein Weib zu bekommen, seine Religion vertauschen muß! Aber ich kann mir vorstellen, wie die Beiden das anfangen; ich höre, sie machen vor ihrer Verheirathung einen Contract, und da steht drin: wenn das Kind ein Knabe ist, so wird's ein Christ, wie der Vater, ist's aber ein Mädchen, so bleibt's bei der Religion der Mutter. Oder auch umgekehrt, wie sich das gerade trifft. Was möcht' man denn vor der Hochzeit nicht Alles ausstellen und unterschreiben? Glaub mir aber: wenn die Zwei sich genommen haben, da wird die Sache ganz anders, und erst, wenn ihnen Gott Kinder giebt! Den Vater schmerzt's doch, daß nicht alle seine Kinder von seinem Glauben sind, und er wird einige darunter immer lieber haben, als die anderen, ohne

nicht arbeiten, darf man nicht aufs Feld hinausgehen, kein Holz hacken? Schön würden mich die Kinder ansehen; ihr Vater arbeitet ja doch, geht aufs Feld hinaus und hackt Holz, und hat doch keinen Feiertag!

An das hab' ich nicht gedacht, sagte Josseph zögernd.

Du möchtst schon darauf denken, wärst du ein Weib wie ich. Ich hab' gehört, es soll Länder geben, wo Christen und Juden sich nehmen dürfen, und braucht keines von beiden seine Religion zu wechseln. Schön ist das, das muß man schon sagen, wenn weder der Mann noch das Weib den Ihrigen das Herzeleid anzuthun und sie zu kränken braucht. Denn traurig ist die Sache doch immer, wenn man, um einen Mann oder ein Weib zu bekommen, seine Religion vertauschen muß! Aber ich kann mir vorstellen, wie die Beiden das anfangen; ich höre, sie machen vor ihrer Verheirathung einen Contract, und da steht drin: wenn das Kind ein Knabe ist, so wird's ein Christ, wie der Vater, ist's aber ein Mädchen, so bleibt's bei der Religion der Mutter. Oder auch umgekehrt, wie sich das gerade trifft. Was möcht' man denn vor der Hochzeit nicht Alles ausstellen und unterschreiben? Glaub mir aber: wenn die Zwei sich genommen haben, da wird die Sache ganz anders, und erst, wenn ihnen Gott Kinder giebt! Den Vater schmerzt's doch, daß nicht alle seine Kinder von seinem Glauben sind, und er wird einige darunter immer lieber haben, als die anderen, ohne

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/205>, abgerufen am 18.05.2024.