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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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entschlummert. Hatte sie sich von ihrem Weh losgesprochen? War es ihr leichter geworden? Aber sie schlief nicht. Spät in der Nacht war's, als Josseph das Fenster verließ, aber nicht, um die Ruhe zu suchen. Die Mutter hörte ihn leise nach der Thür tappen und sie fast unhörbar öffnen. Sie konnte ihn nicht mehr fragen, wohin? und was er beginnen wolle. Das Morgengrauen blickte bereits in die Stube, als Josseph von seinem nächtlichen Gange zurückkehrte. Er warf sich ermüdet aufs Bett; die Großmutter schlief noch nicht.

Wir werden das geheimnißvolle Walten dieser noch unverständlichen Natur später zu enthüllen haben. Die schwache Feder ist keine Fackel, daß sie ein Wesen, wie es sich in Josseph darstellte, plötzlich in allen seinen Tiefen und Höhen aufhellen könnte.

Das kleinste Kind im Dorfe wußte es, daß die Bäuerin Madlena die Tochter der "alten Jüdin" und die Schwester des "Juden" sei; für uns ist es seit jenem nächtlichen Gespräch, das wir so eben zwischen Mutter und Sohn gehört haben, schon längst kein Geheimniß mehr. --

Es ist schauerlich, eine Leiche zu berühren, wenn sie daliegt, die Schale eines Kernes, die geboren ward, um zerbrochen zu werden; wenn den eigenen lebendigen Leib der Schauer überfliegt, was er selbst sei, und wie er sich für etwas ausgebe, was er eigentlich doch nicht ist; wie er stolz ist auf das thierische Leben,

entschlummert. Hatte sie sich von ihrem Weh losgesprochen? War es ihr leichter geworden? Aber sie schlief nicht. Spät in der Nacht war's, als Josseph das Fenster verließ, aber nicht, um die Ruhe zu suchen. Die Mutter hörte ihn leise nach der Thür tappen und sie fast unhörbar öffnen. Sie konnte ihn nicht mehr fragen, wohin? und was er beginnen wolle. Das Morgengrauen blickte bereits in die Stube, als Josseph von seinem nächtlichen Gange zurückkehrte. Er warf sich ermüdet aufs Bett; die Großmutter schlief noch nicht.

Wir werden das geheimnißvolle Walten dieser noch unverständlichen Natur später zu enthüllen haben. Die schwache Feder ist keine Fackel, daß sie ein Wesen, wie es sich in Josseph darstellte, plötzlich in allen seinen Tiefen und Höhen aufhellen könnte.

Das kleinste Kind im Dorfe wußte es, daß die Bäuerin Madlena die Tochter der „alten Jüdin“ und die Schwester des „Juden“ sei; für uns ist es seit jenem nächtlichen Gespräch, das wir so eben zwischen Mutter und Sohn gehört haben, schon längst kein Geheimniß mehr. —

Es ist schauerlich, eine Leiche zu berühren, wenn sie daliegt, die Schale eines Kernes, die geboren ward, um zerbrochen zu werden; wenn den eigenen lebendigen Leib der Schauer überfliegt, was er selbst sei, und wie er sich für etwas ausgebe, was er eigentlich doch nicht ist; wie er stolz ist auf das thierische Leben,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/28>, abgerufen am 21.11.2024.