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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Name nicht mehr genannt werden durfte, dem Tode weihen? Er sah es als etwas Gottgefälliges an, wenn die Erde, auf der ein so ungeheures Verbrechen begangen, durch ein anderes, nicht minder grauenhaftes gleichsam wieder geheiligt würde.

Erst spät, sehr spät, als Zeit, Gewohnheit und tägliche Gewerbsmühen wieder in ihre alten Rechte traten, hatte sich dieser blutige Hintergrund seiner Seele verflüchtigt, um einem Niedersatze versäuerten Grolles, der bei der geringsten Gelegenheit in giftigen Blasen aufstieg, Raum zu gönnen. -- Der große leidenschaftliche Haß hatte sich im Laufe der Jahre in tausend kleine Leben zerstückelt; aber jedes zuckte schmerzhaft auf, wenn es in die leiseste Berührung mit der Außenwelt gerieth.

Umstände der kleinsten Art wirkten dazu mit, daß die Wunden, die der Abfall des Mädchens dem Hause geschlagen hatte, nie verharrschen konnten. Es mag sonderbar dünken, wenn wir erzählen, wie die Nennung ihres Namens allein eine Reihe der schmerzlichsten Gefühle erwecken konnte. Sie hatte in der Taufe den Namen Madlena angenommen; im Hause war man an das heimliche "Dinah" gewöhnt. Den Leuten aus dem Dorfe konnte natürlich nicht das Zartgefühl zugetraut werden, daß sie mit den in der Taufe angenommenen Klängen des Namens sparsamer umgingen; im Gegentheil, sie nannten ihn bei jeder Gelegenheit, sie gebrauchten ihn, wie man glaubte, mit einer ge-

Name nicht mehr genannt werden durfte, dem Tode weihen? Er sah es als etwas Gottgefälliges an, wenn die Erde, auf der ein so ungeheures Verbrechen begangen, durch ein anderes, nicht minder grauenhaftes gleichsam wieder geheiligt würde.

Erst spät, sehr spät, als Zeit, Gewohnheit und tägliche Gewerbsmühen wieder in ihre alten Rechte traten, hatte sich dieser blutige Hintergrund seiner Seele verflüchtigt, um einem Niedersatze versäuerten Grolles, der bei der geringsten Gelegenheit in giftigen Blasen aufstieg, Raum zu gönnen. — Der große leidenschaftliche Haß hatte sich im Laufe der Jahre in tausend kleine Leben zerstückelt; aber jedes zuckte schmerzhaft auf, wenn es in die leiseste Berührung mit der Außenwelt gerieth.

Umstände der kleinsten Art wirkten dazu mit, daß die Wunden, die der Abfall des Mädchens dem Hause geschlagen hatte, nie verharrschen konnten. Es mag sonderbar dünken, wenn wir erzählen, wie die Nennung ihres Namens allein eine Reihe der schmerzlichsten Gefühle erwecken konnte. Sie hatte in der Taufe den Namen Madlena angenommen; im Hause war man an das heimliche „Dinah“ gewöhnt. Den Leuten aus dem Dorfe konnte natürlich nicht das Zartgefühl zugetraut werden, daß sie mit den in der Taufe angenommenen Klängen des Namens sparsamer umgingen; im Gegentheil, sie nannten ihn bei jeder Gelegenheit, sie gebrauchten ihn, wie man glaubte, mit einer ge-

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[0032] Name nicht mehr genannt werden durfte, dem Tode weihen? Er sah es als etwas Gottgefälliges an, wenn die Erde, auf der ein so ungeheures Verbrechen begangen, durch ein anderes, nicht minder grauenhaftes gleichsam wieder geheiligt würde. Erst spät, sehr spät, als Zeit, Gewohnheit und tägliche Gewerbsmühen wieder in ihre alten Rechte traten, hatte sich dieser blutige Hintergrund seiner Seele verflüchtigt, um einem Niedersatze versäuerten Grolles, der bei der geringsten Gelegenheit in giftigen Blasen aufstieg, Raum zu gönnen. — Der große leidenschaftliche Haß hatte sich im Laufe der Jahre in tausend kleine Leben zerstückelt; aber jedes zuckte schmerzhaft auf, wenn es in die leiseste Berührung mit der Außenwelt gerieth. Umstände der kleinsten Art wirkten dazu mit, daß die Wunden, die der Abfall des Mädchens dem Hause geschlagen hatte, nie verharrschen konnten. Es mag sonderbar dünken, wenn wir erzählen, wie die Nennung ihres Namens allein eine Reihe der schmerzlichsten Gefühle erwecken konnte. Sie hatte in der Taufe den Namen Madlena angenommen; im Hause war man an das heimliche „Dinah“ gewöhnt. Den Leuten aus dem Dorfe konnte natürlich nicht das Zartgefühl zugetraut werden, daß sie mit den in der Taufe angenommenen Klängen des Namens sparsamer umgingen; im Gegentheil, sie nannten ihn bei jeder Gelegenheit, sie gebrauchten ihn, wie man glaubte, mit einer ge-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/32>, abgerufen am 03.12.2024.