Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Leben, und der wird dich vor allem Bösen bewahren. Weißt du das erste Kapitel Thillim (Psalmen) auswendig, ich meine wenigstens, du hast's oft genug gelernt. Babe, das kann ich -- So sag's. Fischele begann in hebräischer Sprache: Wohl dem, der nicht wandelt im Rath der Gottlosen, noch wandelt auf dem Weg der Sünder, noch sitzet da, wo die Spötter sitzen. Die Großmutter nickte Beifall und "weiter!" erscholl es aus ihrem Munde. Sondern hat Lust zum Gesetz des Herrn, und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht. Der ist wie ein Baum, gepflanzet an den Wasserbächen, der seine Frucht bringet zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht, und was er macht, geräth wohl. Und was er macht, das geräth wohl, wiederholte Marjim, deren Augen im Wiederscheine jener heiligen, aus dem Munde des Knaben kommenden Worte fast überirdisch glänzten. Aber so sind die Gottlosen nicht, erhub Fischele lauter seine Stimme, sondern wie Spreu, die der Wind verstreuet. Darum bleiben die Gottlosen nicht im Gericht, noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten -- -- Weiter! befahl Marjim, der diese letzten Wone anscheinend sehr wehe thun mußten. Leben, und der wird dich vor allem Bösen bewahren. Weißt du das erste Kapitel Thillim (Psalmen) auswendig, ich meine wenigstens, du hast's oft genug gelernt. Babe, das kann ich — So sag's. Fischele begann in hebräischer Sprache: Wohl dem, der nicht wandelt im Rath der Gottlosen, noch wandelt auf dem Weg der Sünder, noch sitzet da, wo die Spötter sitzen. Die Großmutter nickte Beifall und „weiter!“ erscholl es aus ihrem Munde. Sondern hat Lust zum Gesetz des Herrn, und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht. Der ist wie ein Baum, gepflanzet an den Wasserbächen, der seine Frucht bringet zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht, und was er macht, geräth wohl. Und was er macht, das geräth wohl, wiederholte Marjim, deren Augen im Wiederscheine jener heiligen, aus dem Munde des Knaben kommenden Worte fast überirdisch glänzten. Aber so sind die Gottlosen nicht, erhub Fischele lauter seine Stimme, sondern wie Spreu, die der Wind verstreuet. Darum bleiben die Gottlosen nicht im Gericht, noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten — — Weiter! befahl Marjim, der diese letzten Wone anscheinend sehr wehe thun mußten. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0049"/> Leben, und der wird dich vor allem Bösen bewahren. Weißt du das erste Kapitel Thillim (Psalmen) auswendig, ich meine wenigstens, du hast's oft genug gelernt.</p><lb/> <p>Babe, das kann ich —</p><lb/> <p>So sag's.</p><lb/> <p>Fischele begann in hebräischer Sprache: Wohl dem, der nicht wandelt im Rath der Gottlosen, noch wandelt auf dem Weg der Sünder, noch sitzet da, wo die Spötter sitzen.</p><lb/> <p>Die Großmutter nickte Beifall und „weiter!“ erscholl es aus ihrem Munde.</p><lb/> <p>Sondern hat Lust zum Gesetz des Herrn, und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht. Der ist wie ein Baum, gepflanzet an den Wasserbächen, der seine Frucht bringet zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht, und was er macht, geräth wohl.</p><lb/> <p>Und was er macht, das geräth wohl, wiederholte Marjim, deren Augen im Wiederscheine jener heiligen, aus dem Munde des Knaben kommenden Worte fast überirdisch glänzten.</p><lb/> <p>Aber so sind die Gottlosen nicht, erhub Fischele lauter seine Stimme, sondern wie Spreu, die der Wind verstreuet. Darum bleiben die Gottlosen nicht im Gericht, noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten — —</p><lb/> <p>Weiter! befahl Marjim, der diese letzten Wone anscheinend sehr wehe thun mußten.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
Leben, und der wird dich vor allem Bösen bewahren. Weißt du das erste Kapitel Thillim (Psalmen) auswendig, ich meine wenigstens, du hast's oft genug gelernt.
Babe, das kann ich —
So sag's.
Fischele begann in hebräischer Sprache: Wohl dem, der nicht wandelt im Rath der Gottlosen, noch wandelt auf dem Weg der Sünder, noch sitzet da, wo die Spötter sitzen.
Die Großmutter nickte Beifall und „weiter!“ erscholl es aus ihrem Munde.
Sondern hat Lust zum Gesetz des Herrn, und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht. Der ist wie ein Baum, gepflanzet an den Wasserbächen, der seine Frucht bringet zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht, und was er macht, geräth wohl.
Und was er macht, das geräth wohl, wiederholte Marjim, deren Augen im Wiederscheine jener heiligen, aus dem Munde des Knaben kommenden Worte fast überirdisch glänzten.
Aber so sind die Gottlosen nicht, erhub Fischele lauter seine Stimme, sondern wie Spreu, die der Wind verstreuet. Darum bleiben die Gottlosen nicht im Gericht, noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten — —
Weiter! befahl Marjim, der diese letzten Wone anscheinend sehr wehe thun mußten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/49 |
Zitationshilfe: | Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/49>, abgerufen am 16.07.2024. |