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Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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so eine Hand zwei von ihnen auf einen Schlag niederwerfen, ich möcht' meine eigene Hand in der Kirche aufhängen und wie vor einem Heiligenbild davor knieen.

Geistliche muß es geben, entgegnete Josseph ernst, es kann sich nicht der Erste Beste auf die Kanzel hinaufstellen und den Leuten erklären, wie sie's machen sollen. Es kann auch nicht Jeder Lateinisch und Griechisch lernen, dazu müssen sich besondere Leut' finden. Geht's bei uns anders zu? Auf zehntausend Menschen kommt oft Einer, der in unserer heiligen Schrift sich auskennt.

Red mir nichts von deiner heiligen Schrift, schrie Parzik zornig, ich meine sonst, du bist gar kein Jud, und bist bei unseren Pfaffen in die Beichte gegangen. So reden nämlich die Geistlichen immer, wenn sie beweisen wollen, daß das Volk dumm ist. Als wenn die heiligen Schriften da wären, damit die Geistlichen davon leben, das beste Bier trinken und alle Tage Hasenbraten auf dem Tisch haben. Unser Herr und Heiland sitzt etwa darum zur Rechten Gott Vaters und die heilige Taube schwebt über ihm, damit der Geistliche in Gold und Silber geht, daß seine Haushälterin wie eine Königin das Mark der Bauern in die Küche hinausträgt? Es braucht keine Pfaffen zu geben, und du möchtest ganz anders reden, wenn dir eure Teufel Ruh' gelassen hätten.

Meine Teufel? Ich weiß von keinen Teufeln, sagte Josseph unruhig, denn das Gespräch mit dem

so eine Hand zwei von ihnen auf einen Schlag niederwerfen, ich möcht' meine eigene Hand in der Kirche aufhängen und wie vor einem Heiligenbild davor knieen.

Geistliche muß es geben, entgegnete Josseph ernst, es kann sich nicht der Erste Beste auf die Kanzel hinaufstellen und den Leuten erklären, wie sie's machen sollen. Es kann auch nicht Jeder Lateinisch und Griechisch lernen, dazu müssen sich besondere Leut' finden. Geht's bei uns anders zu? Auf zehntausend Menschen kommt oft Einer, der in unserer heiligen Schrift sich auskennt.

Red mir nichts von deiner heiligen Schrift, schrie Parzik zornig, ich meine sonst, du bist gar kein Jud, und bist bei unseren Pfaffen in die Beichte gegangen. So reden nämlich die Geistlichen immer, wenn sie beweisen wollen, daß das Volk dumm ist. Als wenn die heiligen Schriften da wären, damit die Geistlichen davon leben, das beste Bier trinken und alle Tage Hasenbraten auf dem Tisch haben. Unser Herr und Heiland sitzt etwa darum zur Rechten Gott Vaters und die heilige Taube schwebt über ihm, damit der Geistliche in Gold und Silber geht, daß seine Haushälterin wie eine Königin das Mark der Bauern in die Küche hinausträgt? Es braucht keine Pfaffen zu geben, und du möchtest ganz anders reden, wenn dir eure Teufel Ruh' gelassen hätten.

Meine Teufel? Ich weiß von keinen Teufeln, sagte Josseph unruhig, denn das Gespräch mit dem

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[0063] so eine Hand zwei von ihnen auf einen Schlag niederwerfen, ich möcht' meine eigene Hand in der Kirche aufhängen und wie vor einem Heiligenbild davor knieen. Geistliche muß es geben, entgegnete Josseph ernst, es kann sich nicht der Erste Beste auf die Kanzel hinaufstellen und den Leuten erklären, wie sie's machen sollen. Es kann auch nicht Jeder Lateinisch und Griechisch lernen, dazu müssen sich besondere Leut' finden. Geht's bei uns anders zu? Auf zehntausend Menschen kommt oft Einer, der in unserer heiligen Schrift sich auskennt. Red mir nichts von deiner heiligen Schrift, schrie Parzik zornig, ich meine sonst, du bist gar kein Jud, und bist bei unseren Pfaffen in die Beichte gegangen. So reden nämlich die Geistlichen immer, wenn sie beweisen wollen, daß das Volk dumm ist. Als wenn die heiligen Schriften da wären, damit die Geistlichen davon leben, das beste Bier trinken und alle Tage Hasenbraten auf dem Tisch haben. Unser Herr und Heiland sitzt etwa darum zur Rechten Gott Vaters und die heilige Taube schwebt über ihm, damit der Geistliche in Gold und Silber geht, daß seine Haushälterin wie eine Königin das Mark der Bauern in die Küche hinausträgt? Es braucht keine Pfaffen zu geben, und du möchtest ganz anders reden, wenn dir eure Teufel Ruh' gelassen hätten. Meine Teufel? Ich weiß von keinen Teufeln, sagte Josseph unruhig, denn das Gespräch mit dem

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:25:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:25:39Z)

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Zitationshilfe: Kompert, Leopold: Eine Verlorene. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 95–309. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kompert_verlorene_1910/63>, abgerufen am 18.05.2024.