Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

--Mir? Nein -- oder doch, ja, entgegnete Giovanni, und ergriff die Hand Strintillo's: Mein lieber Don Strintillo, seit ich Eure Tochter gesehen, lebe ich beständig, Tag und Nacht, in dem Traume fort, daß nie Leute glücklicher zusammenleben würden, als Eure Tochter und ich! Hiebei standen ihm die hellen Thränen in den Augen. Don Strintillo sah ihn freundlich an und sagte: Nun, mein lieber Giovanni, ich weiß, daß meine Tochter Euch wohl will, und habe nichts gegen Euren wachenden Traum und gegen Euren schlafenden auch nichts, ehrenwerther Don Granco. Beide Träume können recht gut sein, doch erstens, habe ich sie nicht selber geträumt, und zweitens, seid ihr an einem bösen Tage zu mir gekommen, denn hört: als ich diesen Morgen ausgehen will, kommt mir rechts ein altes Weib entgegen, links huscht mir ein Häschen über den Weg, und wie ich wieder ins Haus trete, läuft mir, bis ins Zimmer, Ciccio's rother Hund nach, der mir nie Gutes bringt. Daher ist der heutige Tag sehr böse, und gar nicht gemacht, um dergleichen zu beschließen, geduldet euch also noch heute, morgen früh sollt ihr ausführlichen Bescheid haben. Keiner von euch wird darum von mir verachtet; aber ich will die Sache beschlafen. Der Himmel wird mir einen Wink geben, dem ich folgen kann. Das Schicksal meines einzigen Kindes liegt mir zu sehr am Herzen, als daß ich dergleichen ohne himmlischen Rath beschließen könnte. Lebt wohl. Heute drohet Unglück in

—Mir? Nein — oder doch, ja, entgegnete Giovanni, und ergriff die Hand Strintillo's: Mein lieber Don Strintillo, seit ich Eure Tochter gesehen, lebe ich beständig, Tag und Nacht, in dem Traume fort, daß nie Leute glücklicher zusammenleben würden, als Eure Tochter und ich! Hiebei standen ihm die hellen Thränen in den Augen. Don Strintillo sah ihn freundlich an und sagte: Nun, mein lieber Giovanni, ich weiß, daß meine Tochter Euch wohl will, und habe nichts gegen Euren wachenden Traum und gegen Euren schlafenden auch nichts, ehrenwerther Don Granco. Beide Träume können recht gut sein, doch erstens, habe ich sie nicht selber geträumt, und zweitens, seid ihr an einem bösen Tage zu mir gekommen, denn hört: als ich diesen Morgen ausgehen will, kommt mir rechts ein altes Weib entgegen, links huscht mir ein Häschen über den Weg, und wie ich wieder ins Haus trete, läuft mir, bis ins Zimmer, Ciccio's rother Hund nach, der mir nie Gutes bringt. Daher ist der heutige Tag sehr böse, und gar nicht gemacht, um dergleichen zu beschließen, geduldet euch also noch heute, morgen früh sollt ihr ausführlichen Bescheid haben. Keiner von euch wird darum von mir verachtet; aber ich will die Sache beschlafen. Der Himmel wird mir einen Wink geben, dem ich folgen kann. Das Schicksal meines einzigen Kindes liegt mir zu sehr am Herzen, als daß ich dergleichen ohne himmlischen Rath beschließen könnte. Lebt wohl. Heute drohet Unglück in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0015"/>
        <p>&#x2014;Mir? Nein &#x2014; oder doch, ja, entgegnete Giovanni, und ergriff die Hand                     Strintillo's: Mein lieber Don Strintillo, seit ich Eure Tochter gesehen, lebe                     ich beständig, Tag und Nacht, in dem Traume fort, daß nie Leute glücklicher                     zusammenleben würden, als Eure Tochter und ich! Hiebei standen ihm die hellen                     Thränen in den Augen. Don Strintillo sah ihn freundlich an und sagte: Nun, mein                     lieber Giovanni, ich weiß, daß meine Tochter Euch wohl will, und habe nichts                     gegen Euren wachenden Traum und gegen Euren schlafenden auch nichts,                     ehrenwerther Don Granco. Beide Träume können recht gut sein, doch erstens, habe                     ich sie nicht selber geträumt, und zweitens, seid ihr an einem bösen Tage zu mir                     gekommen, denn hört: als ich diesen Morgen ausgehen will, kommt mir rechts ein                     altes Weib entgegen, links huscht mir ein Häschen über den Weg, und wie ich                     wieder ins Haus trete, läuft mir, bis ins Zimmer, Ciccio's rother Hund nach, der                     mir nie Gutes bringt. Daher ist der heutige Tag sehr böse, und gar nicht                     gemacht, um dergleichen zu beschließen, geduldet euch also noch heute, morgen                     früh sollt ihr ausführlichen Bescheid haben. Keiner von euch wird darum von mir                     verachtet; aber ich will die Sache beschlafen. Der Himmel wird mir einen Wink                     geben, dem ich folgen kann. Das Schicksal meines einzigen Kindes liegt mir zu                     sehr am Herzen, als daß ich dergleichen ohne himmlischen Rath beschließen                     könnte. Lebt wohl. Heute drohet Unglück in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] —Mir? Nein — oder doch, ja, entgegnete Giovanni, und ergriff die Hand Strintillo's: Mein lieber Don Strintillo, seit ich Eure Tochter gesehen, lebe ich beständig, Tag und Nacht, in dem Traume fort, daß nie Leute glücklicher zusammenleben würden, als Eure Tochter und ich! Hiebei standen ihm die hellen Thränen in den Augen. Don Strintillo sah ihn freundlich an und sagte: Nun, mein lieber Giovanni, ich weiß, daß meine Tochter Euch wohl will, und habe nichts gegen Euren wachenden Traum und gegen Euren schlafenden auch nichts, ehrenwerther Don Granco. Beide Träume können recht gut sein, doch erstens, habe ich sie nicht selber geträumt, und zweitens, seid ihr an einem bösen Tage zu mir gekommen, denn hört: als ich diesen Morgen ausgehen will, kommt mir rechts ein altes Weib entgegen, links huscht mir ein Häschen über den Weg, und wie ich wieder ins Haus trete, läuft mir, bis ins Zimmer, Ciccio's rother Hund nach, der mir nie Gutes bringt. Daher ist der heutige Tag sehr böse, und gar nicht gemacht, um dergleichen zu beschließen, geduldet euch also noch heute, morgen früh sollt ihr ausführlichen Bescheid haben. Keiner von euch wird darum von mir verachtet; aber ich will die Sache beschlafen. Der Himmel wird mir einen Wink geben, dem ich folgen kann. Das Schicksal meines einzigen Kindes liegt mir zu sehr am Herzen, als daß ich dergleichen ohne himmlischen Rath beschließen könnte. Lebt wohl. Heute drohet Unglück in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:35:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:35:42Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/15
Zitationshilfe: Kopisch, August: Der Träumer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–67. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kopisch_traeumer_1910/15>, abgerufen am 29.03.2024.