Korn, Philipp Anton: Die erste deutsche Frauen-Conferenz in Leipzig. Leipzig, 1865.ewigen Verbande der Menschen und darum sind diejenigen unaussprechlich beklagenswerth, denen es nicht gestattet wird, ihre Arbeitskraft in vollem Umfange zu verwerthen, die wenig oder keine Gelegenheit finden, das beste Streben und Wollen, das ihre Herzen erfüllt, zu verwirklichen. Darum ist es ein Werk der Liebe für alle, denen das Leben dieses erste, heiligste Recht des Menschen nicht freiwillig gestattet, zu kämpfen; aber dieses Werk der Liebe wird zur mahnenden Pflicht, wenn wir überall die unseligen Folgen dieser traurigen Verhältnisse wahrnehmen, wenn wir sehen, daß unendlich viele edle Naturen verkümmern, weil ihnen das Leben nicht gerecht wird. Dann gilt es mit muthigem Feuereifer gegen das Vorurtheil zu kämpfen, es gilt das weibliche Geschlecht vom Druck der Arbeitslosigkeit zu befreien. Jede edle Frau wird mit Freude und Stolz bekennen, daß der Beruf der Gattin und Mutter die höchste, herrlichste Bestimmung des Weibes erfüllt; da, wo sich die Verhältnisse für ein Frauenherz so glücklich gestalten, daß die Frau einem geliebten und verehrten Manne ihre ganze Existenz anvertrauen, in diesem Bunde die höchste Befriedigung finden kann, wird eine Frau immerdar die geheiligten, freudenreichen Pflichten des Hauses jedem anderen Berufe vorziehen. Aber in sehr vielen Fällen gestalten sich die Verhältnisse weniger glücklich, und ein sittlich reines Frauengemüth verschmäht es, Liebe zu heucheln, um sich durch diese große Lüge eine gesicherte Lebensstellung zu erringen. Man behauptet mit Recht, daß das Christenthum uns auch in Beziehung auf die Einrichtungen unsres socialen Lebens eine hohe Bildung gebracht habe, welche in diesem Sinne den großen Alten fremd war. Die hauptsächliche Ursache dieser ganz veränderten socialen Verhältnisse liegt in dem christlichen Institut der Ehe; in der Ehe, wie das Christenthum dieselbe gestaltete, liegt jenes heilige Element der Familie, welches selbst das patriarchische Judenthum noch nicht erreicht hatte. In der Verbindung, die zwei Wesen für das ganze Leben schließen, in der sie nach gleichem Ziele streben, denselben Schmerz, dieselbe Freude empfinden, ruht die Möglichkeit einer idealen Erhebung, die Gewißheit irdischen Glückes; doch bewahrt die Ehe nur diesen hohen Adel, diese segensreiche Kraft, wenn die Herzen, der Geist, der Wille beider Gatten sich in gleichem Fühlen, Erkennen, Wollen einigt. Die Welt des Einen muß dem Andern vertraut, lieb und werth sein, und obgleich jede nur mögliche Verschiedenheit der Charaktere vorhanden sein kann, so müssen sich Beide in tiefer, warmer Sympathie fortwährend anziehen. Leider erfüllt die Ehe nur selten ihre schönste und heiligste Bestimmung; ich werde später darlegen, in wiefern gerade Frauen in dieser Beziehung fehlen. - Unsre Bestrebungen sind also durchaus nicht darauf gerichtet, die Frauen ihrem ursprünglichen ewigen Verbande der Menschen und darum sind diejenigen unaussprechlich beklagenswerth, denen es nicht gestattet wird, ihre Arbeitskraft in vollem Umfange zu verwerthen, die wenig oder keine Gelegenheit finden, das beste Streben und Wollen, das ihre Herzen erfüllt, zu verwirklichen. Darum ist es ein Werk der Liebe für alle, denen das Leben dieses erste, heiligste Recht des Menschen nicht freiwillig gestattet, zu kämpfen; aber dieses Werk der Liebe wird zur mahnenden Pflicht, wenn wir überall die unseligen Folgen dieser traurigen Verhältnisse wahrnehmen, wenn wir sehen, daß unendlich viele edle Naturen verkümmern, weil ihnen das Leben nicht gerecht wird. Dann gilt es mit muthigem Feuereifer gegen das Vorurtheil zu kämpfen, es gilt das weibliche Geschlecht vom Druck der Arbeitslosigkeit zu befreien. Jede edle Frau wird mit Freude und Stolz bekennen, daß der Beruf der Gattin und Mutter die höchste, herrlichste Bestimmung des Weibes erfüllt; da, wo sich die Verhältnisse für ein Frauenherz so glücklich gestalten, daß die Frau einem geliebten und verehrten Manne ihre ganze Existenz anvertrauen, in diesem Bunde die höchste Befriedigung finden kann, wird eine Frau immerdar die geheiligten, freudenreichen Pflichten des Hauses jedem anderen Berufe vorziehen. Aber in sehr vielen Fällen gestalten sich die Verhältnisse weniger glücklich, und ein sittlich reines Frauengemüth verschmäht es, Liebe zu heucheln, um sich durch diese große Lüge eine gesicherte Lebensstellung zu erringen. Man behauptet mit Recht, daß das Christenthum uns auch in Beziehung auf die Einrichtungen unsres socialen Lebens eine hohe Bildung gebracht habe, welche in diesem Sinne den großen Alten fremd war. Die hauptsächliche Ursache dieser ganz veränderten socialen Verhältnisse liegt in dem christlichen Institut der Ehe; in der Ehe, wie das Christenthum dieselbe gestaltete, liegt jenes heilige Element der Familie, welches selbst das patriarchische Judenthum noch nicht erreicht hatte. In der Verbindung, die zwei Wesen für das ganze Leben schließen, in der sie nach gleichem Ziele streben, denselben Schmerz, dieselbe Freude empfinden, ruht die Möglichkeit einer idealen Erhebung, die Gewißheit irdischen Glückes; doch bewahrt die Ehe nur diesen hohen Adel, diese segensreiche Kraft, wenn die Herzen, der Geist, der Wille beider Gatten sich in gleichem Fühlen, Erkennen, Wollen einigt. Die Welt des Einen muß dem Andern vertraut, lieb und werth sein, und obgleich jede nur mögliche Verschiedenheit der Charaktere vorhanden sein kann, so müssen sich Beide in tiefer, warmer Sympathie fortwährend anziehen. Leider erfüllt die Ehe nur selten ihre schönste und heiligste Bestimmung; ich werde später darlegen, in wiefern gerade Frauen in dieser Beziehung fehlen. – Unsre Bestrebungen sind also durchaus nicht darauf gerichtet, die Frauen ihrem ursprünglichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0008" n="8"/> ewigen Verbande der Menschen und darum sind diejenigen unaussprechlich beklagenswerth, denen es nicht gestattet wird, ihre Arbeitskraft in vollem Umfange zu verwerthen, die wenig oder keine Gelegenheit finden, das beste Streben und Wollen, das ihre Herzen erfüllt, zu verwirklichen. Darum ist es ein Werk der Liebe für alle, denen das Leben dieses erste, heiligste Recht des Menschen nicht freiwillig gestattet, zu kämpfen; aber dieses Werk der Liebe wird zur mahnenden Pflicht, wenn wir überall die unseligen Folgen dieser traurigen Verhältnisse wahrnehmen, wenn wir sehen, daß unendlich viele edle Naturen verkümmern, weil ihnen das Leben nicht gerecht wird. Dann gilt es mit muthigem Feuereifer gegen das Vorurtheil zu kämpfen, es gilt das weibliche Geschlecht vom Druck der Arbeitslosigkeit zu befreien.</p> <p>Jede edle Frau wird mit Freude und Stolz bekennen, daß der Beruf der Gattin und Mutter die höchste, herrlichste Bestimmung des Weibes erfüllt; da, wo sich die Verhältnisse für ein Frauenherz so glücklich gestalten, daß die Frau einem geliebten und verehrten Manne ihre ganze Existenz anvertrauen, in diesem Bunde die höchste Befriedigung finden kann, wird eine Frau immerdar die geheiligten, freudenreichen Pflichten des Hauses <hi rendition="#aq">jedem</hi> anderen Berufe vorziehen. Aber in sehr vielen Fällen gestalten sich die Verhältnisse weniger glücklich, und ein sittlich reines Frauengemüth verschmäht es, Liebe zu heucheln, um sich durch diese große Lüge eine gesicherte Lebensstellung zu erringen. Man behauptet mit Recht, daß das Christenthum uns auch in Beziehung auf die Einrichtungen unsres socialen Lebens eine hohe Bildung gebracht habe, welche in diesem Sinne den großen Alten fremd war. Die hauptsächliche Ursache dieser ganz veränderten socialen Verhältnisse liegt in dem christlichen Institut der Ehe; in der Ehe, wie das Christenthum dieselbe gestaltete, liegt jenes heilige Element der Familie, welches selbst das patriarchische Judenthum noch nicht erreicht hatte. In der Verbindung, die zwei Wesen für das ganze Leben schließen, in der sie nach gleichem Ziele streben, denselben Schmerz, dieselbe Freude empfinden, ruht die Möglichkeit einer idealen Erhebung, die Gewißheit irdischen Glückes; doch bewahrt die Ehe nur diesen hohen Adel, diese segensreiche Kraft, wenn die Herzen, der Geist, der Wille beider Gatten sich in gleichem Fühlen, Erkennen, Wollen einigt. Die Welt des Einen muß dem Andern vertraut, lieb und werth sein, und obgleich jede nur mögliche Verschiedenheit der Charaktere vorhanden sein kann, so müssen sich Beide in tiefer, warmer Sympathie fortwährend anziehen. Leider erfüllt die Ehe nur selten ihre schönste und heiligste Bestimmung; ich werde später darlegen, in wiefern gerade Frauen in dieser Beziehung fehlen. – Unsre Bestrebungen sind also durchaus nicht darauf gerichtet, die Frauen ihrem ursprünglichen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0008]
ewigen Verbande der Menschen und darum sind diejenigen unaussprechlich beklagenswerth, denen es nicht gestattet wird, ihre Arbeitskraft in vollem Umfange zu verwerthen, die wenig oder keine Gelegenheit finden, das beste Streben und Wollen, das ihre Herzen erfüllt, zu verwirklichen. Darum ist es ein Werk der Liebe für alle, denen das Leben dieses erste, heiligste Recht des Menschen nicht freiwillig gestattet, zu kämpfen; aber dieses Werk der Liebe wird zur mahnenden Pflicht, wenn wir überall die unseligen Folgen dieser traurigen Verhältnisse wahrnehmen, wenn wir sehen, daß unendlich viele edle Naturen verkümmern, weil ihnen das Leben nicht gerecht wird. Dann gilt es mit muthigem Feuereifer gegen das Vorurtheil zu kämpfen, es gilt das weibliche Geschlecht vom Druck der Arbeitslosigkeit zu befreien.
Jede edle Frau wird mit Freude und Stolz bekennen, daß der Beruf der Gattin und Mutter die höchste, herrlichste Bestimmung des Weibes erfüllt; da, wo sich die Verhältnisse für ein Frauenherz so glücklich gestalten, daß die Frau einem geliebten und verehrten Manne ihre ganze Existenz anvertrauen, in diesem Bunde die höchste Befriedigung finden kann, wird eine Frau immerdar die geheiligten, freudenreichen Pflichten des Hauses jedem anderen Berufe vorziehen. Aber in sehr vielen Fällen gestalten sich die Verhältnisse weniger glücklich, und ein sittlich reines Frauengemüth verschmäht es, Liebe zu heucheln, um sich durch diese große Lüge eine gesicherte Lebensstellung zu erringen. Man behauptet mit Recht, daß das Christenthum uns auch in Beziehung auf die Einrichtungen unsres socialen Lebens eine hohe Bildung gebracht habe, welche in diesem Sinne den großen Alten fremd war. Die hauptsächliche Ursache dieser ganz veränderten socialen Verhältnisse liegt in dem christlichen Institut der Ehe; in der Ehe, wie das Christenthum dieselbe gestaltete, liegt jenes heilige Element der Familie, welches selbst das patriarchische Judenthum noch nicht erreicht hatte. In der Verbindung, die zwei Wesen für das ganze Leben schließen, in der sie nach gleichem Ziele streben, denselben Schmerz, dieselbe Freude empfinden, ruht die Möglichkeit einer idealen Erhebung, die Gewißheit irdischen Glückes; doch bewahrt die Ehe nur diesen hohen Adel, diese segensreiche Kraft, wenn die Herzen, der Geist, der Wille beider Gatten sich in gleichem Fühlen, Erkennen, Wollen einigt. Die Welt des Einen muß dem Andern vertraut, lieb und werth sein, und obgleich jede nur mögliche Verschiedenheit der Charaktere vorhanden sein kann, so müssen sich Beide in tiefer, warmer Sympathie fortwährend anziehen. Leider erfüllt die Ehe nur selten ihre schönste und heiligste Bestimmung; ich werde später darlegen, in wiefern gerade Frauen in dieser Beziehung fehlen. – Unsre Bestrebungen sind also durchaus nicht darauf gerichtet, die Frauen ihrem ursprünglichen
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