Kortum, Carl Arnold: Die Jobsiade. Bd. 3. Dortmund, 1799.4. Sie ließ, ohne die Sache selbst zu verstärken, Sich doch gegen andre davon nichts merken, Denn sie übertraf an Verschwiegenheit, Alle andre Frauen, alt und jung, weit. 5. Auch im Dorf war schon lange ein Gerüchte, Von des Barons und der Esther Liebesgeschichte, Und es hatte so gar fast jedes Kind, Von den geheimen Händeln Wind. 6. Selbst die alte Herrschaft merkte diese Händel, Und aus manchem verstohlnen Getändel, Was ihr Herr Sohn mit Esther gemacht, Schöpften sie allgemach Verdacht. 7. Zwar hielten diese ihre verliebten Blicke, In Gegenwart der Schloßherrschaft möglichst zurücke, Und ratione ihres Betragens und Gesichts, Hätt' man sollen denken: mir nichts, dir nichts. 8. Aber Veriiebte können just in allen Fällen, Nicht andre täuschen und sich immer verstellen; Das Ding währet höchstens eine Zeitlang; Denn Naturtrieb gehet vor Zwang. 9. Besonders erregten die Besuche und Gänge, Nach dem Pfarrhause, wegen ihrer Menge, Aufmerksamkeit und gerechten Argwohn, Ueber Jungfer Esther und den jungen Baron. 10. Aber
4. Sie ließ, ohne die Sache ſelbſt zu verſtaͤrken, Sich doch gegen andre davon nichts merken, Denn ſie uͤbertraf an Verſchwiegenheit, Alle andre Frauen, alt und jung, weit. 5. Auch im Dorf war ſchon lange ein Geruͤchte, Von des Barons und der Eſther Liebesgeſchichte, Und es hatte ſo gar faſt jedes Kind, Von den geheimen Haͤndeln Wind. 6. Selbſt die alte Herrſchaft merkte dieſe Haͤndel, Und aus manchem verſtohlnen Getaͤndel, Was ihr Herr Sohn mit Eſther gemacht, Schoͤpften ſie allgemach Verdacht. 7. Zwar hielten dieſe ihre verliebten Blicke, In Gegenwart der Schloßherrſchaft moͤglichſt zuruͤcke, Und ratione ihres Betragens und Geſichts, Haͤtt’ man ſollen denken: mir nichts, dir nichts. 8. Aber Veriiebte koͤnnen juſt in allen Faͤllen, Nicht andre taͤuſchen und ſich immer verſtellen; Das Ding waͤhret hoͤchſtens eine Zeitlang; Denn Naturtrieb gehet vor Zwang. 9. Beſonders erregten die Beſuche und Gaͤnge, Nach dem Pfarrhauſe, wegen ihrer Menge, Aufmerkſamkeit und gerechten Argwohn, Ueber Jungfer Eſther und den jungen Baron. 10. Aber
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0082" n="60"/> <lg n="4"> <l>4. Sie ließ, ohne die Sache ſelbſt zu verſtaͤrken,</l><lb/> <l>Sich doch gegen andre davon nichts merken,</l><lb/> <l>Denn ſie uͤbertraf an Verſchwiegenheit,</l><lb/> <l>Alle andre Frauen, alt und jung, weit.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>5. Auch im Dorf war ſchon lange ein Geruͤchte,</l><lb/> <l>Von des Barons und der Eſther Liebesgeſchichte,</l><lb/> <l>Und es hatte ſo gar faſt jedes Kind,</l><lb/> <l>Von den geheimen Haͤndeln Wind.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>6. Selbſt die alte Herrſchaft merkte dieſe Haͤndel,</l><lb/> <l>Und aus manchem verſtohlnen Getaͤndel,</l><lb/> <l>Was ihr Herr Sohn mit Eſther gemacht,</l><lb/> <l>Schoͤpften ſie allgemach Verdacht.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>7. Zwar hielten dieſe ihre verliebten Blicke,</l><lb/> <l>In Gegenwart der Schloßherrſchaft moͤglichſt</l><lb/> <l>zuruͤcke,</l><lb/> <l>Und ratione ihres Betragens und Geſichts,</l><lb/> <l>Haͤtt’ man ſollen denken: mir nichts, dir</l><lb/> <l>nichts.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>8. Aber Veriiebte koͤnnen juſt in allen Faͤllen,</l><lb/> <l>Nicht andre taͤuſchen und ſich immer verſtellen;</l><lb/> <l>Das Ding waͤhret hoͤchſtens eine Zeitlang;</l><lb/> <l>Denn Naturtrieb gehet vor Zwang.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>9. Beſonders erregten die Beſuche und Gaͤnge,</l><lb/> <l>Nach dem Pfarrhauſe, wegen ihrer Menge,</l><lb/> <l>Aufmerkſamkeit und gerechten Argwohn,</l><lb/> <l>Ueber Jungfer Eſther und den jungen Baron.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">10. Aber</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [60/0082]
4. Sie ließ, ohne die Sache ſelbſt zu verſtaͤrken,
Sich doch gegen andre davon nichts merken,
Denn ſie uͤbertraf an Verſchwiegenheit,
Alle andre Frauen, alt und jung, weit.
5. Auch im Dorf war ſchon lange ein Geruͤchte,
Von des Barons und der Eſther Liebesgeſchichte,
Und es hatte ſo gar faſt jedes Kind,
Von den geheimen Haͤndeln Wind.
6. Selbſt die alte Herrſchaft merkte dieſe Haͤndel,
Und aus manchem verſtohlnen Getaͤndel,
Was ihr Herr Sohn mit Eſther gemacht,
Schoͤpften ſie allgemach Verdacht.
7. Zwar hielten dieſe ihre verliebten Blicke,
In Gegenwart der Schloßherrſchaft moͤglichſt
zuruͤcke,
Und ratione ihres Betragens und Geſichts,
Haͤtt’ man ſollen denken: mir nichts, dir
nichts.
8. Aber Veriiebte koͤnnen juſt in allen Faͤllen,
Nicht andre taͤuſchen und ſich immer verſtellen;
Das Ding waͤhret hoͤchſtens eine Zeitlang;
Denn Naturtrieb gehet vor Zwang.
9. Beſonders erregten die Beſuche und Gaͤnge,
Nach dem Pfarrhauſe, wegen ihrer Menge,
Aufmerkſamkeit und gerechten Argwohn,
Ueber Jungfer Eſther und den jungen Baron.
10. Aber
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |