Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.Aber er träfe mich doch, Griffe mit der Kralle des Tiegers An die Gurgel dem Jauchzenden, brüllet' ihm zu: Was jauchzest du, Schatten? Zerflattre! Es entsinket der Kelch der zitternden Hand; Es entsprudelt dem blinkenden Schierlingsschaum! Die Rose duftet Verwesung; Die Musik tönt Gräbergeheul! Rühret mich nicht an! Umarmet mich nicht So brünstig, meine Geliebten! Ach, drückt den Vergänglichen nicht so fest an euer Herz; An eurem Herzen dürft' er zerfliessen! Der Vernichtung Fittige sausen daher. Sie sausen, sie rauschen mich an. -- Ach rettet, Liebende, rettet! -- -- Wohin, Verirrte, wohin? Ermanne dich, Seele! Bedenk' es: Du bist unsterblich! Ja wahrlich, wahrlich, ich bins! Ich bin, ich bin unsterblich! Der Himmel zeugt es; es schwört es die Erde. Es schwor der Ewige es bey seinem Leben. Aber er träfe mich doch, Griffe mit der Kralle des Tiegers An die Gurgel dem Jauchzenden, brüllet' ihm zu: Was jauchzest du, Schatten? Zerflattre! Es entsinket der Kelch der zitternden Hand; Es entsprudelt dem blinkenden Schierlingsschaum! Die Rose duftet Verwesung; Die Musik tönt Gräbergeheul! Rühret mich nicht an! Umarmet mich nicht So brünstig, meine Geliebten! Ach, drückt den Vergänglichen nicht so fest an euer Herz; An eurem Herzen dürft' er zerflieſsen! Der Vernichtung Fittige sausen daher. Sie sausen, sie rauschen mich an. — Ach rettet, Liebende, rettet! — — Wohin, Verirrte, wohin? Ermanne dich, Seele! Bedenk' es: Du bist unsterblich! Ja wahrlich, wahrlich, ich bins! Ich bin, ich bin unsterblich! Der Himmel zeugt es; es schwört es die Erde. Es schwor der Ewige es bey seinem Leben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0142" n="102"/> <lg n="14"> <l>Aber er träfe mich doch,</l><lb/> <l>Griffe mit der Kralle des Tiegers</l><lb/> <l>An die Gurgel dem Jauchzenden, brüllet' ihm zu:</l><lb/> <l>Was jauchzest du, Schatten? Zerflattre!</l> </lg><lb/> <lg n="15"> <l>Es entsinket der Kelch der zitternden Hand;</l><lb/> <l>Es entsprudelt dem blinkenden Schierlingsschaum!</l><lb/> <l>Die Rose duftet Verwesung;</l><lb/> <l>Die Musik tönt Gräbergeheul!</l> </lg><lb/> <lg n="16"> <l>Rühret mich nicht an! Umarmet mich nicht</l><lb/> <l>So brünstig, meine Geliebten!</l><lb/> <l>Ach, drückt den Vergänglichen nicht so fest</l><lb/> <l>an euer Herz;</l><lb/> <l>An eurem Herzen dürft' er zerflieſsen!</l> </lg><lb/> <lg n="17"> <l>Der Vernichtung Fittige sausen daher.</l><lb/> <l>Sie sausen, sie rauschen mich an. — Ach rettet,</l><lb/> <l>Liebende, rettet! — —</l><lb/> <l>Wohin, Verirrte, wohin? Ermanne dich,</l><lb/> <l>Seele! Bedenk' es:</l><lb/> <l>Du bist unsterblich!</l> </lg><lb/> <lg n="18"> <l>Ja wahrlich, wahrlich, ich bins!</l><lb/> <l>Ich bin, ich bin unsterblich!</l><lb/> <l>Der Himmel zeugt es; es schwört es die</l><lb/> <l>Erde.</l><lb/> <l>Es schwor der Ewige es bey seinem Leben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0142]
Aber er träfe mich doch,
Griffe mit der Kralle des Tiegers
An die Gurgel dem Jauchzenden, brüllet' ihm zu:
Was jauchzest du, Schatten? Zerflattre!
Es entsinket der Kelch der zitternden Hand;
Es entsprudelt dem blinkenden Schierlingsschaum!
Die Rose duftet Verwesung;
Die Musik tönt Gräbergeheul!
Rühret mich nicht an! Umarmet mich nicht
So brünstig, meine Geliebten!
Ach, drückt den Vergänglichen nicht so fest
an euer Herz;
An eurem Herzen dürft' er zerflieſsen!
Der Vernichtung Fittige sausen daher.
Sie sausen, sie rauschen mich an. — Ach rettet,
Liebende, rettet! — —
Wohin, Verirrte, wohin? Ermanne dich,
Seele! Bedenk' es:
Du bist unsterblich!
Ja wahrlich, wahrlich, ich bins!
Ich bin, ich bin unsterblich!
Der Himmel zeugt es; es schwört es die
Erde.
Es schwor der Ewige es bey seinem Leben.
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