Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
"Bleib bey uns!" so rufen sie, und fliegen
Blass von Wehmuth an dein Mutterherz.
"Bleib bey uns!" so flehen sie, und schmiegen
Immer brünstiger sich dir ans Herz --
"Deines Lebens halbgeknickten Stengel
"Stärke der Genesung holder Engel,
"Dass noch lang' uns deine Lieb' erfreu,
"Lang' dein Beyspiel unsre Leuchte sey!"
Weile denn in deiner Trauten Kreise;
Weile, Theure, noch ein Weilchen lang.
Früh genug noch wagest du die Reise,
Die dem Gatten viel zu früh gelang.
Neue Kraft durchströme dein Geäder,
Spanne deiner Uhr erschlaffte Feder,
Schmelze deiner Lebensgeister Fluth,
Schüre ihre halbverglommne Gluth.
Manche Freude sey dir noch gesparet
Auf der Erde mütterlichem Stern!
Wo sich Frömmigkeit mit Leiden paaret,
Bleibt Beruhigung nicht ewig fern.
Wahrlich, von des Glaubens Sternenhügeln
Wird der Seraph Ruhe dich umflügeln,
Balsam wird er träufeln auf dein Herz,
Und in Schlummer lullen Gram und Schmerz
„Bleib bey uns!“ so rufen sie, und fliegen
Blaſs von Wehmuth an dein Mutterherz.
„Bleib bey uns!“ so flehen sie, und schmiegen
Immer brünstiger sich dir ans Herz —
„Deines Lebens halbgeknickten Stengel
„Stärke der Genesung holder Engel,
„Daſs noch lang' uns deine Lieb' erfreu,
„Lang' dein Beyspiel unsre Leuchte sey!“
Weile denn in deiner Trauten Kreise;
Weile, Theure, noch ein Weilchen lang.
Früh genug noch wagest du die Reise,
Die dem Gatten viel zu früh gelang.
Neue Kraft durchströme dein Geäder,
Spanne deiner Uhr erschlaffte Feder,
Schmelze deiner Lebensgeister Fluth,
Schüre ihre halbverglommne Gluth.
Manche Freude sey dir noch gesparet
Auf der Erde mütterlichem Stern!
Wo sich Frömmigkeit mit Leiden paaret,
Bleibt Beruhigung nicht ewig fern.
Wahrlich, von des Glaubens Sternenhügeln
Wird der Seraph Ruhe dich umflügeln,
Balsam wird er träufeln auf dein Herz,
Und in Schlummer lullen Gram und Schmerz
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0149" n="109"/>
            <lg n="6">
              <l>&#x201E;Bleib bey uns!&#x201C; so rufen sie, und fliegen</l><lb/>
              <l>Bla&#x017F;s von Wehmuth an dein Mutterherz.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Bleib bey uns!&#x201C; so flehen sie, und schmiegen</l><lb/>
              <l>Immer brünstiger sich dir ans Herz &#x2014;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Deines Lebens halbgeknickten Stengel</l><lb/>
              <l>&#x201E;Stärke der Genesung holder Engel,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Da&#x017F;s noch lang' uns deine Lieb' erfreu,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Lang' dein Beyspiel unsre Leuchte sey!&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Weile denn in deiner Trauten Kreise;</l><lb/>
              <l>Weile, Theure, noch ein Weilchen lang.</l><lb/>
              <l>Früh genug noch wagest du die Reise,</l><lb/>
              <l>Die dem Gatten viel zu früh gelang.</l><lb/>
              <l>Neue Kraft durchströme dein Geäder,</l><lb/>
              <l>Spanne deiner Uhr erschlaffte Feder,</l><lb/>
              <l>Schmelze deiner Lebensgeister Fluth,</l><lb/>
              <l>Schüre ihre halbverglommne Gluth.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Manche Freude sey dir noch gesparet</l><lb/>
              <l>Auf der Erde mütterlichem Stern!</l><lb/>
              <l>Wo sich Frömmigkeit mit Leiden paaret,</l><lb/>
              <l>Bleibt Beruhigung nicht ewig fern.</l><lb/>
              <l>Wahrlich, von des Glaubens Sternenhügeln</l><lb/>
              <l>Wird der Seraph Ruhe dich umflügeln,</l><lb/>
              <l>Balsam wird er träufeln auf dein Herz,</l><lb/>
              <l>Und in Schlummer lullen Gram und Schmerz</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0149] „Bleib bey uns!“ so rufen sie, und fliegen Blaſs von Wehmuth an dein Mutterherz. „Bleib bey uns!“ so flehen sie, und schmiegen Immer brünstiger sich dir ans Herz — „Deines Lebens halbgeknickten Stengel „Stärke der Genesung holder Engel, „Daſs noch lang' uns deine Lieb' erfreu, „Lang' dein Beyspiel unsre Leuchte sey!“ Weile denn in deiner Trauten Kreise; Weile, Theure, noch ein Weilchen lang. Früh genug noch wagest du die Reise, Die dem Gatten viel zu früh gelang. Neue Kraft durchströme dein Geäder, Spanne deiner Uhr erschlaffte Feder, Schmelze deiner Lebensgeister Fluth, Schüre ihre halbverglommne Gluth. Manche Freude sey dir noch gesparet Auf der Erde mütterlichem Stern! Wo sich Frömmigkeit mit Leiden paaret, Bleibt Beruhigung nicht ewig fern. Wahrlich, von des Glaubens Sternenhügeln Wird der Seraph Ruhe dich umflügeln, Balsam wird er träufeln auf dein Herz, Und in Schlummer lullen Gram und Schmerz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/149
Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/149>, abgerufen am 23.11.2024.