Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Hurtig enteilte der gleitende Kiel dem hallenden
Ufer.
Heregunde bestieg den hohen Spiegel des Schiffes,
Stand dort, schaute verlangend zurück nach ihren
Verlassnen,
Breitete sehnend den Arm, und schwang den sil-
bernen Schleier,
Ob die geliebten Verlass'nen ihn sähen am weichen-
den Ufer.
Immer ferner entwich das gewünschte Gestade
Kaum sichtbar
Dämmert' es noch. Es zerfloss auch das dämmernde
Grau in die Wolken.
Aber sie wähnte noch immer, die Wolke sey heimi-
sches Ufer,
Bis sich der Himmel verhüllte, und Regen stiebten.
Da flossen
Ihre Thränen. Sie weinte sich aus. -- Die Regen
versiegten.
Wieder kehrte die Heitre des Himmels. Es kehrte
die Heitre
Auch auf ihre Stirne zurück. Sie gedachte mit In-
brunst
Ihres Verlobten, des bräutlichen Tags, und der
süssen Vereinung.

Aber, o Jammer! die Wonne der süssersehn-
ten Umarmung

Hurtig enteilte der gleitende Kiel dem hallenden
Ufer.
Heregunde bestieg den hohen Spiegel des Schiffes,
Stand dort, schaute verlangend zurück nach ihren
Verlaſsnen,
Breitete sehnend den Arm, und schwang den sil-
bernen Schleier,
Ob die geliebten Verlass'nen ihn sähen am weichen-
den Ufer.
Immer ferner entwich das gewünschte Gestade
Kaum sichtbar
Dämmert' es noch. Es zerfloſs auch das dämmernde
Grau in die Wolken.
Aber sie wähnte noch immer, die Wolke sey heimi-
sches Ufer,
Bis sich der Himmel verhüllte, und Regen stiebten.
Da flossen
Ihre Thränen. Sie weinte sich aus. — Die Regen
versiegten.
Wieder kehrte die Heitre des Himmels. Es kehrte
die Heitre
Auch auf ihre Stirne zurück. Sie gedachte mit In-
brunst
Ihres Verlobten, des bräutlichen Tags, und der
süſsen Vereinung.

Aber, o Jammer! die Wonne der süſsersehn-
ten Umarmung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="20">
              <pb facs="#f0176" n="134"/>
              <l>Hurtig enteilte der gleitende Kiel dem hallenden</l><lb/>
              <l>Ufer.</l><lb/>
              <l>Heregunde bestieg den hohen Spiegel des Schiffes,</l><lb/>
              <l>Stand dort, schaute verlangend zurück nach ihren</l><lb/>
              <l>Verla&#x017F;snen,</l><lb/>
              <l>Breitete sehnend den Arm, und schwang den sil-</l><lb/>
              <l>bernen Schleier,</l><lb/>
              <l>Ob die geliebten Verlass'nen ihn sähen am weichen-</l><lb/>
              <l>den Ufer.</l><lb/>
              <l>Immer ferner entwich das gewünschte Gestade</l><lb/>
              <l>Kaum sichtbar</l><lb/>
              <l>Dämmert' es noch. Es zerflo&#x017F;s auch das dämmernde</l><lb/>
              <l>Grau in die Wolken.</l><lb/>
              <l>Aber sie wähnte noch immer, die Wolke sey heimi-</l><lb/>
              <l>sches Ufer,</l><lb/>
              <l>Bis sich der Himmel verhüllte, und Regen stiebten.</l><lb/>
              <l>Da flossen</l><lb/>
              <l>Ihre Thränen. Sie weinte sich aus. &#x2014; Die Regen</l><lb/>
              <l>versiegten.</l><lb/>
              <l>Wieder kehrte die Heitre des Himmels. Es kehrte</l><lb/>
              <l>die Heitre</l><lb/>
              <l>Auch auf ihre Stirne zurück. Sie gedachte mit In-</l><lb/>
              <l>brunst</l><lb/>
              <l>Ihres Verlobten, des bräutlichen Tags, und der</l><lb/>
              <l>&#x017F;sen Vereinung.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="21">
              <l>Aber, o Jammer! die Wonne der sü&#x017F;sersehn-</l><lb/>
              <l>ten Umarmung</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0176] Hurtig enteilte der gleitende Kiel dem hallenden Ufer. Heregunde bestieg den hohen Spiegel des Schiffes, Stand dort, schaute verlangend zurück nach ihren Verlaſsnen, Breitete sehnend den Arm, und schwang den sil- bernen Schleier, Ob die geliebten Verlass'nen ihn sähen am weichen- den Ufer. Immer ferner entwich das gewünschte Gestade Kaum sichtbar Dämmert' es noch. Es zerfloſs auch das dämmernde Grau in die Wolken. Aber sie wähnte noch immer, die Wolke sey heimi- sches Ufer, Bis sich der Himmel verhüllte, und Regen stiebten. Da flossen Ihre Thränen. Sie weinte sich aus. — Die Regen versiegten. Wieder kehrte die Heitre des Himmels. Es kehrte die Heitre Auch auf ihre Stirne zurück. Sie gedachte mit In- brunst Ihres Verlobten, des bräutlichen Tags, und der süſsen Vereinung. Aber, o Jammer! die Wonne der süſsersehn- ten Umarmung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/176
Zitationshilfe: Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kosegarten_poesieen01_1798/176>, abgerufen am 10.05.2024.