Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.Deinen goldenen Kelch, perlenden Nektars so voll! Tochter des Himmels, du führtest dem Mädchen ein Mädchen entgegen, Edel und fühlend wie sie, zärtlich und lie- bend, wie sie. Und sie gewannen sich lieb mit unvergänglicher Liebe; Wandelten Arm in Arm zwischen den Blu- men der Flur; Schmolzen Seel' in Seele bey jedem höhern Gedan- ken, Jeglichem schöneren Bild, jeglichem regern Gefühl; Spiegelten jegliche sich in ihrer Lieblingin Antlitz; Übten in jeglicher Kraft, jeglicher Thätig- keit sich. Also wallen auf himmlischen Fluren zwey ähnliche Seelen, Trinken des nehmlichen Kelchs, kosten der nehmlichen Frucht, Also wandelte Rosa an ihrer Amalia Armen, Bis sie ein heisserer Arm ihrer Umarmung entwand, Bis die Myrte des Bundes die goldenen Locken ihr kränzte, Und das spätere Band herrisch das ältre zerriss. Deinen goldenen Kelch, perlenden Nektars so voll! Tochter des Himmels, du führtest dem Mädchen ein Mädchen entgegen, Edel und fühlend wie sie, zärtlich und lie- bend, wie sie. Und sie gewannen sich lieb mit unvergänglicher Liebe; Wandelten Arm in Arm zwischen den Blu- men der Flur; Schmolzen Seel' in Seele bey jedem höhern Gedan- ken, Jeglichem schöneren Bild, jeglichem regern Gefühl; Spiegelten jegliche sich in ihrer Lieblingin Antlitz; Übten in jeglicher Kraft, jeglicher Thätig- keit sich. Also wallen auf himmlischen Fluren zwey ähnliche Seelen, Trinken des nehmlichen Kelchs, kosten der nehmlichen Frucht, Also wandelte Rosa an ihrer Amalia Armen, Bis sie ein heisserer Arm ihrer Umarmung entwand, Bis die Myrte des Bundes die goldenen Locken ihr kränzte, Und das spätere Band herrisch das ältre zerriss. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0112" n="96"/> </l> <lg n="6"> <l>Deinen goldenen Kelch, perlenden Nektars</l><lb/> <l>so voll!</l><lb/> <l>Tochter des Himmels, du führtest dem Mädchen</l><lb/> <l>ein Mädchen entgegen,</l><lb/> <l>Edel und fühlend wie sie, zärtlich und lie-</l><lb/> <l>bend, wie sie.</l><lb/> <l>Und sie gewannen sich lieb mit unvergänglicher</l><lb/> <l>Liebe;</l><lb/> <l>Wandelten Arm in Arm zwischen den Blu-</l><lb/> <l>men der Flur;</l><lb/> <l>Schmolzen Seel' in Seele bey jedem höhern Gedan-</l><lb/> <l>ken,</l><lb/> <l>Jeglichem schöneren Bild, jeglichem regern</l><lb/> <l>Gefühl;</l><lb/> <l>Spiegelten jegliche sich in ihrer Lieblingin Antlitz;</l><lb/> <l>Übten in jeglicher Kraft, jeglicher Thätig-</l><lb/> <l>keit sich.</l><lb/> <l>Also wallen auf himmlischen Fluren zwey ähnliche</l><lb/> <l>Seelen,</l><lb/> <l>Trinken des nehmlichen Kelchs, kosten der</l><lb/> <l>nehmlichen Frucht,</l><lb/> <l>Also wandelte Rosa an ihrer Amalia Armen,</l><lb/> <l>Bis sie ein heisserer Arm ihrer Umarmung</l><lb/> <l>entwand,</l><lb/> <l>Bis die Myrte des Bundes die goldenen Locken ihr</l><lb/> <l>kränzte,</l><lb/> <l>Und das spätere Band herrisch das ältre</l><lb/> <l>zerriss.</l> </lg><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0112]
Deinen goldenen Kelch, perlenden Nektars
so voll!
Tochter des Himmels, du führtest dem Mädchen
ein Mädchen entgegen,
Edel und fühlend wie sie, zärtlich und lie-
bend, wie sie.
Und sie gewannen sich lieb mit unvergänglicher
Liebe;
Wandelten Arm in Arm zwischen den Blu-
men der Flur;
Schmolzen Seel' in Seele bey jedem höhern Gedan-
ken,
Jeglichem schöneren Bild, jeglichem regern
Gefühl;
Spiegelten jegliche sich in ihrer Lieblingin Antlitz;
Übten in jeglicher Kraft, jeglicher Thätig-
keit sich.
Also wallen auf himmlischen Fluren zwey ähnliche
Seelen,
Trinken des nehmlichen Kelchs, kosten der
nehmlichen Frucht,
Also wandelte Rosa an ihrer Amalia Armen,
Bis sie ein heisserer Arm ihrer Umarmung
entwand,
Bis die Myrte des Bundes die goldenen Locken ihr
kränzte,
Und das spätere Band herrisch das ältre
zerriss.
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