Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798."Schwester, komm' hinweg!" Da verrannen, wie rauschende Wogen, Ihre Sinne. Hinweg schwanden ihr Erde und Tag. Nächtliches Dunkel umdämmert' ihr Aug'. Ambro- sischer Schlummer Überwältigte sie, säuselt' in Träume sie ein, Goldne Träume von Perlen und Kränzen und Pal- men von Edens Nimmererlöschender Lust, nimmerversiegen- der Ruh. Mit dem erblühenden Morgen entfloh die entkleidete Seele. Ihr Gewand aus Staub ward in die Erde gesät. Blumen sprossten empor auf ihren Rasen. Es klag- ten Trauerharfen, und sanft thaueten Thränen hinab -- -- Und wenn meine Harfe nicht dann auf ewig ver- stummt ist, Wenn dem Trauernden noch glänzet das Licht des Gesangs: Siehe, so raff' ich mich auf in meinen silbernen Locken, Sing' ein heiliges Lied über der heiligen Gruft, „Schwester, komm' hinweg!“ Da verrannen, wie rauschende Wogen, Ihre Sinne. Hinweg schwanden ihr Erde und Tag. Nächtliches Dunkel umdämmert' ihr Aug'. Ambro- sischer Schlummer Überwältigte sie, säuselt' in Träume sie ein, Goldne Träume von Perlen und Kränzen und Pal- men von Edens Nimmererlöschender Lust, nimmerversiegen- der Ruh. Mit dem erblühenden Morgen entfloh die entkleidete Seele. Ihr Gewand aus Staub ward in die Erde gesät. Blumen sprossten empor auf ihren Rasen. Es klag- ten Trauerharfen, und sanft thaueten Thränen hinab — — Und wenn meine Harfe nicht dann auf ewig ver- stummt ist, Wenn dem Trauernden noch glänzet das Licht des Gesangs: Siehe, so raff' ich mich auf in meinen silbernen Locken, Sing' ein heiliges Lied über der heiligen Gruft, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <l> <pb facs="#f0114" n="98"/> </l> <lg n="8"> <l>„Schwester, komm' hinweg!“ Da verrannen, wie</l><lb/> <l>rauschende Wogen,</l><lb/> <l>Ihre Sinne. Hinweg schwanden ihr Erde</l><lb/> <l>und Tag.</l><lb/> <l>Nächtliches Dunkel umdämmert' ihr Aug'. Ambro-</l><lb/> <l>sischer Schlummer</l><lb/> <l>Überwältigte sie, säuselt' in Träume sie</l><lb/> <l>ein,</l><lb/> <l>Goldne Träume von Perlen und Kränzen und Pal-</l><lb/> <l>men von Edens</l><lb/> <l>Nimmererlöschender Lust, nimmerversiegen-</l><lb/> <l>der Ruh.</l><lb/> <l>Mit dem erblühenden Morgen entfloh die entkleidete</l><lb/> <l>Seele.</l><lb/> <l>Ihr Gewand aus Staub ward in die Erde</l><lb/> <l>gesät.</l><lb/> <l>Blumen sprossten empor auf ihren Rasen. Es klag-</l><lb/> <l>ten</l><lb/> <l>Trauerharfen, und sanft thaueten Thränen</l><lb/> <l>hinab — —</l><lb/> <l>Und wenn meine Harfe nicht dann auf ewig ver-</l><lb/> <l>stummt ist,</l><lb/> <l>Wenn dem Trauernden noch glänzet das</l><lb/> <l>Licht des Gesangs:</l><lb/> <l>Siehe, so raff' ich mich auf in meinen silbernen</l><lb/> <l>Locken,</l><lb/> <l>Sing' ein heiliges Lied über der heiligen</l><lb/> <l>Gruft,</l><lb/> <l> </l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0114]
„Schwester, komm' hinweg!“ Da verrannen, wie
rauschende Wogen,
Ihre Sinne. Hinweg schwanden ihr Erde
und Tag.
Nächtliches Dunkel umdämmert' ihr Aug'. Ambro-
sischer Schlummer
Überwältigte sie, säuselt' in Träume sie
ein,
Goldne Träume von Perlen und Kränzen und Pal-
men von Edens
Nimmererlöschender Lust, nimmerversiegen-
der Ruh.
Mit dem erblühenden Morgen entfloh die entkleidete
Seele.
Ihr Gewand aus Staub ward in die Erde
gesät.
Blumen sprossten empor auf ihren Rasen. Es klag-
ten
Trauerharfen, und sanft thaueten Thränen
hinab — —
Und wenn meine Harfe nicht dann auf ewig ver-
stummt ist,
Wenn dem Trauernden noch glänzet das
Licht des Gesangs:
Siehe, so raff' ich mich auf in meinen silbernen
Locken,
Sing' ein heiliges Lied über der heiligen
Gruft,
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