Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 2. Leipzig, 1798.
"Vater und Mutter noch wohl der fernen Cidli ge- Lächelnd durch ihre Thränen sprach Zilia: "Nimmer vergessen "Vater und Mutter dein! Nicht leicht vergisst sich der Säugling, "Den man empfing im Wonnemoment des höchsten Entzückens, "Den man dem Herzen zunächst neun lange Monden getragen, "Den man mit Angst gebar, mit seinen Brüsten ihn tränkte -- "Nie, o Töchterchen, nie vergessen deiner die Deinen." Heiterlächelnd sprach Cidli: "Und meine Trau- ten, o Gute, "Lilla, die Holde, und Lili, der Fromme, was machen wohl diese? "Manchen fröhlichen Tag und manchen vertraulichen Abend "Haben wir miteinander gekürzt in mancherley Spielen. "Greifens spielten wir itzt, und itzt Versteckens. Am liebsten "Spielten wir Bräut'gam und Braut. Der silber- lockige Lili
„Vater und Mutter noch wohl der fernen Cidli ge- Lächelnd durch ihre Thränen sprach Zilia: „Nimmer vergessen „Vater und Mutter dein! Nicht leicht vergisst sich der Säugling, „Den man empfing im Wonnemoment des höchsten Entzückens, „Den man dem Herzen zunächst neun lange Monden getragen, „Den man mit Angst gebar, mit seinen Brüsten ihn tränkte — „Nie, o Töchterchen, nie vergessen deiner die Deinen.“ Heiterlächelnd sprach Cidli: „Und meine Trau- ten, o Gute, „Lilla, die Holde, und Lili, der Fromme, was machen wohl diese? „Manchen fröhlichen Tag und manchen vertraulichen Abend „Haben wir miteinander gekürzt in mancherley Spielen. „Greifens spielten wir itzt, und itzt Versteckens. Am liebsten „Spielten wir Bräut'gam und Braut. Der silber- lockige Lili <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="5"> <l> <pb facs="#f0370" n="348"/> </l> <l>„Vater und Mutter noch wohl der fernen Cidli ge-</l><lb/> <l>denken?“</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Lächelnd durch ihre Thränen sprach Zilia:</l><lb/> <l>„Nimmer vergessen</l><lb/> <l>„Vater und Mutter dein! Nicht leicht vergisst sich</l><lb/> <l>der Säugling,</l><lb/> <l>„Den man empfing im Wonnemoment des höchsten</l><lb/> <l>Entzückens,</l><lb/> <l>„Den man dem Herzen zunächst neun lange Monden</l><lb/> <l>getragen,</l><lb/> <l>„Den man mit Angst gebar, mit seinen Brüsten</l><lb/> <l>ihn tränkte —</l><lb/> <l>„Nie, o Töchterchen, nie vergessen deiner die</l><lb/> <l>Deinen.“</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Heiterlächelnd sprach Cidli: „Und meine Trau-</l><lb/> <l>ten, o Gute,</l><lb/> <l>„Lilla, die Holde, und Lili, der Fromme, was</l><lb/> <l>machen wohl diese?</l><lb/> <l>„Manchen fröhlichen Tag und manchen vertraulichen</l><lb/> <l>Abend</l><lb/> <l>„Haben wir miteinander gekürzt in mancherley</l><lb/> <l>Spielen.</l><lb/> <l>„Greifens spielten wir itzt, und itzt Versteckens.</l><lb/> <l>Am liebsten</l><lb/> <l>„Spielten wir Bräut'gam und Braut. Der silber-</l><lb/> <l>lockige Lili</l><lb/> <l> </l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [348/0370]
„Vater und Mutter noch wohl der fernen Cidli ge-
denken?“
Lächelnd durch ihre Thränen sprach Zilia:
„Nimmer vergessen
„Vater und Mutter dein! Nicht leicht vergisst sich
der Säugling,
„Den man empfing im Wonnemoment des höchsten
Entzückens,
„Den man dem Herzen zunächst neun lange Monden
getragen,
„Den man mit Angst gebar, mit seinen Brüsten
ihn tränkte —
„Nie, o Töchterchen, nie vergessen deiner die
Deinen.“
Heiterlächelnd sprach Cidli: „Und meine Trau-
ten, o Gute,
„Lilla, die Holde, und Lili, der Fromme, was
machen wohl diese?
„Manchen fröhlichen Tag und manchen vertraulichen
Abend
„Haben wir miteinander gekürzt in mancherley
Spielen.
„Greifens spielten wir itzt, und itzt Versteckens.
Am liebsten
„Spielten wir Bräut'gam und Braut. Der silber-
lockige Lili
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