Kosegarten, Ludwig Gotthard: Poesieen. Bd. 3. Leipzig, 1802.Dennoch hüllt mich leise Wehmuth, Mich umflort Melancholie. Ich versink' in Schaam und Demuth. Edle, dich verdien' ich nie -- -- Lass, Geliebte, lass gewähren -- -- Nieder sink ich kraftberaubt, Und gebadet gar in Zähren, Neigt verzagend sich das Haupt -- -- Weg jedoch mit feigen Thränen! Genius, gürte dich zum Streit! Spanne die erschlafften Sehnen, Ringe nach Vortrefflichkeit. Weggeschmelzt sey jede Schlacke, Die dein reines Gold versehrt! Kühn erklommen jede Zacke, Die dem Flug des Adlers wehrt. Nein, Erhabne, nie erröthen Sollst du über deinen Freund! Mag Apollons Pfeil mich tödten, Eh dein Liebling dich verneint, Eh der Treffliche mich tadelt, Eh sich Pflicht und Ich entzweyn -- Der, den Ida's Wahl geadelt, Muss der Menschen Erster seyn. Dennoch hüllt mich leise Wehmuth, Mich umflort Melancholie. Ich versink' in Schaam und Demuth. Edle, dich verdien' ich nie — — Laſs, Geliebte, laſs gewähren — — Nieder sink ich kraftberaubt, Und gebadet gar in Zähren, Neigt verzagend sich das Haupt — — Weg jedoch mit feigen Thränen! Genius, gürte dich zum Streit! Spanne die erschlafften Sehnen, Ringe nach Vortrefflichkeit. Weggeschmelzt sey jede Schlacke, Die dein reines Gold versehrt! Kühn erklommen jede Zacke, Die dem Flug des Adlers wehrt. Nein, Erhabne, nie erröthen Sollst du über deinen Freund! Mag Apollons Pfeil mich tödten, Eh dein Liebling dich verneint, Eh der Treffliche mich tadelt, Eh sich Pflicht und Ich entzweyn — Der, den Ida's Wahl geadelt, Muſs der Menschen Erster seyn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0196" n="174"/> <lg n="5"> <l>Dennoch hüllt mich leise Wehmuth,</l><lb/> <l>Mich umflort Melancholie.</l><lb/> <l>Ich versink' in Schaam und Demuth.</l><lb/> <l>Edle, dich verdien' ich nie — —</l><lb/> <l>Laſs, Geliebte, laſs gewähren — —</l><lb/> <l>Nieder sink ich kraftberaubt,</l><lb/> <l>Und gebadet gar in Zähren,</l><lb/> <l>Neigt verzagend sich das Haupt — —</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Weg jedoch mit feigen Thränen!</l><lb/> <l>Genius, gürte dich zum Streit!</l><lb/> <l>Spanne die erschlafften Sehnen,</l><lb/> <l>Ringe nach Vortrefflichkeit.</l><lb/> <l>Weggeschmelzt sey jede Schlacke,</l><lb/> <l>Die dein reines Gold versehrt!</l><lb/> <l>Kühn erklommen jede Zacke,</l><lb/> <l>Die dem Flug des Adlers wehrt.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Nein, Erhabne, nie erröthen</l><lb/> <l>Sollst du über deinen Freund!</l><lb/> <l>Mag Apollons Pfeil mich tödten,</l><lb/> <l>Eh dein Liebling dich verneint,</l><lb/> <l>Eh der Treffliche mich tadelt,</l><lb/> <l>Eh sich Pflicht und Ich entzweyn —</l><lb/> <l>Der, den Ida's Wahl geadelt,</l><lb/> <l>Muſs der Menschen Erster seyn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0196]
Dennoch hüllt mich leise Wehmuth,
Mich umflort Melancholie.
Ich versink' in Schaam und Demuth.
Edle, dich verdien' ich nie — —
Laſs, Geliebte, laſs gewähren — —
Nieder sink ich kraftberaubt,
Und gebadet gar in Zähren,
Neigt verzagend sich das Haupt — —
Weg jedoch mit feigen Thränen!
Genius, gürte dich zum Streit!
Spanne die erschlafften Sehnen,
Ringe nach Vortrefflichkeit.
Weggeschmelzt sey jede Schlacke,
Die dein reines Gold versehrt!
Kühn erklommen jede Zacke,
Die dem Flug des Adlers wehrt.
Nein, Erhabne, nie erröthen
Sollst du über deinen Freund!
Mag Apollons Pfeil mich tödten,
Eh dein Liebling dich verneint,
Eh der Treffliche mich tadelt,
Eh sich Pflicht und Ich entzweyn —
Der, den Ida's Wahl geadelt,
Muſs der Menschen Erster seyn.
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