Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.die Stirne küßte; die mütterliche Gutmüthigkeit, mit Wenn die Neider der lieblichen Frau verzweifeln die Stirne kuͤßte; die muͤtterliche Gutmuͤthigkeit, mit Wenn die Neider der lieblichen Frau verzweifeln <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0118" n="114"/> die Stirne kuͤßte; die muͤtterliche Gutmuͤthigkeit, mit<lb/> der sie es zum Essen noͤthigte, und das uͤbrige Zucker-<lb/> werk ihm in die Taschen pfropfte; der unarticulierte<lb/> Dank, den das Kind auf eine hoͤchst seltsame, aber<lb/> ruͤhrende Weise, durch eine Art von Geschrei ausdruͤck-<lb/> te: — von alle dem war doch wahrlich nichts erkuͤn-<lb/> stelt, und von solchen Scenen bin ich ja nicht etwa<lb/> nur <hi rendition="#g">Einmal</hi> Zeuge gewesen. —</p><lb/> <p>Wenn die Neider der lieblichen Frau verzweifeln<lb/> muͤssen, daß der Angriff auf ihre <hi rendition="#g">Sittlichkeit</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Tugend</hi> gelingen werde, so suchen sie durch ein Ach-<lb/> selzucken ihren Geist herabzuwuͤrdigen. Freylich, wenn<lb/> nur <hi rendition="#g">das</hi> Frauenzimmer geistvoll genannt werden kann,<lb/> was die Philosophie eben so fertig handhabet, als eine<lb/> Sticknadel, uͤber die Kunst in Floskeln schwatzt, uͤber<lb/> alle neuern Produkte der schoͤnern Literatur ohne Beden-<lb/> ken abspricht, verdienstvollen Maͤnnern uͤber den Mund<lb/> faͤhrt und fuͤr Secten Parthei nimmt, freylich, dann<lb/> ist Madame Recamier kein geistvolles Frauenzimmer.<lb/> Sie gehoͤrt nicht zu den Damen, die sich hervordraͤn-<lb/> gen, Fahnen unter die verschiedenen Volontair- Corps<lb/> austheilen, unter welchen sie doch selbst nicht mitfechten<lb/> koͤnnen. Wenn aber ein gesunder Verstand, eine vor-<lb/> urtheilsfreie Vernunft, ein reines Gefuͤhl fuͤr alles<lb/> Edle und Schoͤne, es komme woher und von wem es<lb/> wolle, ein williges Hingeben an die schoͤnen Wahrhei-<lb/> ten der Natur und an die lieblichen Taͤuschungen der<lb/> Kunst, wenn alles dies einem Frauenzimmer Anspruch<lb/> auf Geist giebt, so ist Madame Recamier eine sehr geistrei-<lb/> che Frau, und wollte der Himmel, es gaͤbe zum haͤuslichen<lb/> Gluͤck aller Ehemaͤnner, und zum Vortheil der weiblichen<lb/> Liebenswuͤrdigkeit uͤberhaupt, nie geistreichere Frauen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0118]
die Stirne kuͤßte; die muͤtterliche Gutmuͤthigkeit, mit
der sie es zum Essen noͤthigte, und das uͤbrige Zucker-
werk ihm in die Taschen pfropfte; der unarticulierte
Dank, den das Kind auf eine hoͤchst seltsame, aber
ruͤhrende Weise, durch eine Art von Geschrei ausdruͤck-
te: — von alle dem war doch wahrlich nichts erkuͤn-
stelt, und von solchen Scenen bin ich ja nicht etwa
nur Einmal Zeuge gewesen. —
Wenn die Neider der lieblichen Frau verzweifeln
muͤssen, daß der Angriff auf ihre Sittlichkeit und
Tugend gelingen werde, so suchen sie durch ein Ach-
selzucken ihren Geist herabzuwuͤrdigen. Freylich, wenn
nur das Frauenzimmer geistvoll genannt werden kann,
was die Philosophie eben so fertig handhabet, als eine
Sticknadel, uͤber die Kunst in Floskeln schwatzt, uͤber
alle neuern Produkte der schoͤnern Literatur ohne Beden-
ken abspricht, verdienstvollen Maͤnnern uͤber den Mund
faͤhrt und fuͤr Secten Parthei nimmt, freylich, dann
ist Madame Recamier kein geistvolles Frauenzimmer.
Sie gehoͤrt nicht zu den Damen, die sich hervordraͤn-
gen, Fahnen unter die verschiedenen Volontair- Corps
austheilen, unter welchen sie doch selbst nicht mitfechten
koͤnnen. Wenn aber ein gesunder Verstand, eine vor-
urtheilsfreie Vernunft, ein reines Gefuͤhl fuͤr alles
Edle und Schoͤne, es komme woher und von wem es
wolle, ein williges Hingeben an die schoͤnen Wahrhei-
ten der Natur und an die lieblichen Taͤuschungen der
Kunst, wenn alles dies einem Frauenzimmer Anspruch
auf Geist giebt, so ist Madame Recamier eine sehr geistrei-
che Frau, und wollte der Himmel, es gaͤbe zum haͤuslichen
Gluͤck aller Ehemaͤnner, und zum Vortheil der weiblichen
Liebenswuͤrdigkeit uͤberhaupt, nie geistreichere Frauen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |