Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.wieder weit genug von einander, um, wenn man nicht wieder weit genug von einander, um, wenn man nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0175" n="171"/> wieder weit genug von einander, um, wenn man nicht<lb/> mit Fremden reden mag, ungestoͤrt bleiben zu koͤnnen.<lb/> Zierlich gekleidete Kellner mit schneeweißen Schuͤrzen lau-<lb/> fen bei Dutzenden herum. Sobald einer derselben ge-<lb/> wahr wird, daß man Mine macht, sich an einem Tisch-<lb/> chen niederzulassen, so uͤberreicht er die <hi rendition="#g">Carte,</hi> das<lb/> heißt, die Liste aller an diesem Tage vorraͤthigen Spei-<lb/> sen und Weine, mit dabei gesetzten Preisen jeder Por-<lb/> tion. Man waͤhlt; wer etwa gar kein Franzoͤsisch ver-<lb/> staͤnde, koͤnnte auch recht gut stumm bleiben, und nur<lb/> mit dem Finger auf den Namen der Speise deuten,<lb/> die er begehrt. Der Kellner fliegt davon, und bringt<lb/> gewoͤhnlich in zwei Minuten das Verlangte; trifft sichs<lb/> aber, daß man eine Speise fordert, deren Zusammen-<lb/> setzung oder Zubereitung etwas mehr Zeit kostet, so be-<lb/> nachrichtigt der Kellner den Gast davon, und sagt ihm,<lb/> wie viele Minuten er werde warten muͤssen. Dann<lb/> vertreibt unterdessen der Gast sich die Zeit entweder mit<lb/> einer andern Schuͤssel, oder er mustert die Gesellschaft,<lb/> oder er lieset die oͤffentlichen Blaͤtter, deren immer ei-<lb/> nige der vielgelesensten da liegen. Uebrigens mag er<lb/> viel oder wenig essen, kostbare oder wohlfeile Schuͤsseln<lb/> waͤhlen, seltenen oder gewoͤhnlichen Wein trinken, das<lb/> gilt alles gleich viel, er wird darum nicht minder schnell<lb/> und ohne Grimassen bedient. Jst er satt, so fordert er<lb/> die Rechnung (la Carte payante), und pfeilschnell eilt<lb/> der Kellner zu der <hi rendition="#g">Limonadiere,</hi> ihr anzuzeigen,<lb/> der Herr an dem Tische Nummer so und so viel wolle<lb/> bezahlen. Diese sogenannte Limonadiere ist eine noth-<lb/> wendige Person bei allen Restaurateurs, auf allen Kaf-<lb/> feehaͤusern. Sie sitzt erhaben auf einer Art von Kanzel,<lb/> hat Dinte und Feder und eine Menge kleiner Zettelchen.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0175]
wieder weit genug von einander, um, wenn man nicht
mit Fremden reden mag, ungestoͤrt bleiben zu koͤnnen.
Zierlich gekleidete Kellner mit schneeweißen Schuͤrzen lau-
fen bei Dutzenden herum. Sobald einer derselben ge-
wahr wird, daß man Mine macht, sich an einem Tisch-
chen niederzulassen, so uͤberreicht er die Carte, das
heißt, die Liste aller an diesem Tage vorraͤthigen Spei-
sen und Weine, mit dabei gesetzten Preisen jeder Por-
tion. Man waͤhlt; wer etwa gar kein Franzoͤsisch ver-
staͤnde, koͤnnte auch recht gut stumm bleiben, und nur
mit dem Finger auf den Namen der Speise deuten,
die er begehrt. Der Kellner fliegt davon, und bringt
gewoͤhnlich in zwei Minuten das Verlangte; trifft sichs
aber, daß man eine Speise fordert, deren Zusammen-
setzung oder Zubereitung etwas mehr Zeit kostet, so be-
nachrichtigt der Kellner den Gast davon, und sagt ihm,
wie viele Minuten er werde warten muͤssen. Dann
vertreibt unterdessen der Gast sich die Zeit entweder mit
einer andern Schuͤssel, oder er mustert die Gesellschaft,
oder er lieset die oͤffentlichen Blaͤtter, deren immer ei-
nige der vielgelesensten da liegen. Uebrigens mag er
viel oder wenig essen, kostbare oder wohlfeile Schuͤsseln
waͤhlen, seltenen oder gewoͤhnlichen Wein trinken, das
gilt alles gleich viel, er wird darum nicht minder schnell
und ohne Grimassen bedient. Jst er satt, so fordert er
die Rechnung (la Carte payante), und pfeilschnell eilt
der Kellner zu der Limonadiere, ihr anzuzeigen,
der Herr an dem Tische Nummer so und so viel wolle
bezahlen. Diese sogenannte Limonadiere ist eine noth-
wendige Person bei allen Restaurateurs, auf allen Kaf-
feehaͤusern. Sie sitzt erhaben auf einer Art von Kanzel,
hat Dinte und Feder und eine Menge kleiner Zettelchen.
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