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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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Amazonenkleide spazieren, mit einer Art von Husaren-
mütze auf dem Kopfe, und geschnürten Halbstiefeln an
den Füßen. Vor einiger Zeit war dabei Mode, ein
Buch in der Hand zu tragen, als sey man gesonnen,
sich irgendwo unter den Bäumen niederzulassen, und zu
lesen. -- Das Pelzwerk wird wieder hervorgesucht, so-
gar der Muff, welches denn mit der übrigen, dem Ze-
phyr gewidmeten Kleidung, seltsam contrastirt.

Ridicüles sieht man gar nicht mehr, wodurch
natürlich die Verlegenheit wegen des Schnupftuchs aufs
neue sehr bemerklich wird. Eine Mutter fragte einst ih-
re Tochter: warum leidest du, daß der große dicke Mensch,
der aussieht, wie ein Modell zu einem Glockenthurme,
dich immer verfolgt? -- "Mein Gott!" versetzte die
Tochter, "ich muß mich doch ausschnauben." (Er trug
nemlich ihr Schnupftuch).

Trotz all dieser Modewuth giebt es dennoch ein Stadt-
viertel in Paris, wo man wenig oder nichts davon weiß,
nemlich au marais. Da wohnen, wegen der größern
Wohlfeilheit, die wenig Bemittelten; da herrschen noch
Einfachheit und Anstand in der Kleidung; da giebt es
gute, sittsame Mädchen die Niemand heyrathet. Wer
in seinem Wohlstande zurückkömmt, zieht au marais;
aber -- wessen Umstände sich verbessern, verläßt es auch
bald wieder; besonders die jungen Leute, denen es viel
zu steif und ehrbar da zugeht.

Die Schneiderkunst für Herren besteht jetzt da-
rin, fünf oder sechs Säcke zusammen zu nähen, die
man Westen und Hosen nennt. Jch erinnere mich wohl noch
der Zeit, da man ein paar Gehülfen nöthig hatte, um
sich in eine Hose hinein zu arbeiten, jetzt kann man
sie an die Beine schleudern. Pantalons werden aber

Amazonenkleide spazieren, mit einer Art von Husaren-
muͤtze auf dem Kopfe, und geschnuͤrten Halbstiefeln an
den Fuͤßen. Vor einiger Zeit war dabei Mode, ein
Buch in der Hand zu tragen, als sey man gesonnen,
sich irgendwo unter den Baͤumen niederzulassen, und zu
lesen. — Das Pelzwerk wird wieder hervorgesucht, so-
gar der Muff, welches denn mit der uͤbrigen, dem Ze-
phyr gewidmeten Kleidung, seltsam contrastirt.

Ridicuͤles sieht man gar nicht mehr, wodurch
natuͤrlich die Verlegenheit wegen des Schnupftuchs aufs
neue sehr bemerklich wird. Eine Mutter fragte einst ih-
re Tochter: warum leidest du, daß der große dicke Mensch,
der aussieht, wie ein Modell zu einem Glockenthurme,
dich immer verfolgt? — „Mein Gott!“ versetzte die
Tochter, „ich muß mich doch ausschnauben.“ (Er trug
nemlich ihr Schnupftuch).

Trotz all dieser Modewuth giebt es dennoch ein Stadt-
viertel in Paris, wo man wenig oder nichts davon weiß,
nemlich au marais. Da wohnen, wegen der groͤßern
Wohlfeilheit, die wenig Bemittelten; da herrschen noch
Einfachheit und Anstand in der Kleidung; da giebt es
gute, sittsame Maͤdchen die Niemand heyrathet. Wer
in seinem Wohlstande zuruͤckkoͤmmt, zieht au marais;
aber — wessen Umstaͤnde sich verbessern, verlaͤßt es auch
bald wieder; besonders die jungen Leute, denen es viel
zu steif und ehrbar da zugeht.

Die Schneiderkunst fuͤr Herren besteht jetzt da-
rin, fuͤnf oder sechs Saͤcke zusammen zu naͤhen, die
man Westen und Hosen nennt. Jch erinnere mich wohl noch
der Zeit, da man ein paar Gehuͤlfen noͤthig hatte, um
sich in eine Hose hinein zu arbeiten, jetzt kann man
sie an die Beine schleudern. Pantalons werden aber

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[185/0189] Amazonenkleide spazieren, mit einer Art von Husaren- muͤtze auf dem Kopfe, und geschnuͤrten Halbstiefeln an den Fuͤßen. Vor einiger Zeit war dabei Mode, ein Buch in der Hand zu tragen, als sey man gesonnen, sich irgendwo unter den Baͤumen niederzulassen, und zu lesen. — Das Pelzwerk wird wieder hervorgesucht, so- gar der Muff, welches denn mit der uͤbrigen, dem Ze- phyr gewidmeten Kleidung, seltsam contrastirt. Ridicuͤles sieht man gar nicht mehr, wodurch natuͤrlich die Verlegenheit wegen des Schnupftuchs aufs neue sehr bemerklich wird. Eine Mutter fragte einst ih- re Tochter: warum leidest du, daß der große dicke Mensch, der aussieht, wie ein Modell zu einem Glockenthurme, dich immer verfolgt? — „Mein Gott!“ versetzte die Tochter, „ich muß mich doch ausschnauben.“ (Er trug nemlich ihr Schnupftuch). Trotz all dieser Modewuth giebt es dennoch ein Stadt- viertel in Paris, wo man wenig oder nichts davon weiß, nemlich au marais. Da wohnen, wegen der groͤßern Wohlfeilheit, die wenig Bemittelten; da herrschen noch Einfachheit und Anstand in der Kleidung; da giebt es gute, sittsame Maͤdchen die Niemand heyrathet. Wer in seinem Wohlstande zuruͤckkoͤmmt, zieht au marais; aber — wessen Umstaͤnde sich verbessern, verlaͤßt es auch bald wieder; besonders die jungen Leute, denen es viel zu steif und ehrbar da zugeht. Die Schneiderkunst fuͤr Herren besteht jetzt da- rin, fuͤnf oder sechs Saͤcke zusammen zu naͤhen, die man Westen und Hosen nennt. Jch erinnere mich wohl noch der Zeit, da man ein paar Gehuͤlfen noͤthig hatte, um sich in eine Hose hinein zu arbeiten, jetzt kann man sie an die Beine schleudern. Pantalons werden aber

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/189>, abgerufen am 24.11.2024.