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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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nicht mehr an die Haare gebunden, sondern an den Kra-
gen des Kleides gesteckt; wenn nun der junge Herr sich
zufällig einmal bückt, so entsteht eine Kluft zwischen
Zopf und Haar. Eine Hauptbeschäftigung der jungen
Leute beiderlei Geschlechts ist, ihre Haarbüschel im-
mer wieder in die Höhe zu streichen, ungefähr wie die
Katzen und Eichhörnchen sich mit der Pfote über den
Kopf fahren. -- So wenig Umstände nun auch eine
solche Frisur zu machen scheint, so ist und bleibt der
Friseur doch eine wichtige Person im Staate. Bekannt-
lich sind alle Friseurs jetzt Artisten. Vor ihren Werk-
stätten prangen eine Menge schöne Wachsbüsten, Grie-
chen und Römer, die männlichen gleichen gewöhnlich
Bonaparte. Ein solcher Artist, wenn er zum ersten-
mal erscheint, um einen Kopf zu arrangiren, betrachtet
den Gegenstand von allen Seiten, bittet den Jnhaber
des Kopfes gen Himmel zu sehen, dann zur Erde, dann
gradeaus; er läßt ihn gehen, tanzen, sich ausschnauben
u. s. w. "Monsieur," sagt er dann, "es ist genug; ich
"weiß jetzt, was Sie bedürfen, eine Mischung von Ti-
"tus, Caracalla
und Alcibiades. Betrachten Sie
"diese Büste, dies Tituslöckchen ist äußerst gütig, aber
"es ist höchst wichtig es mit der rauhen Strenge
"dieses Löckchens von Caracalla zu vereinigen; um je-
"doch das letztere wieder aufzuheitern, fügen wir ein ko-
"kettes
Alcibiades-Löckchen hinzu. Mein Gott, Mon-
"sieur, was waren Sie, ehe ich herein trat; ein Bar-
"bar
hat ihr Haar fürchterlich verstümmelt. Jhre
"Farbe ist pale fonce, glückliche Häßlichkeit! das ist gra-
"de die antike Couleur. Jhre Augen sind schwarz a
"faire plaisir, ihre Haare schwarz, a faire horreur."

Genug. Jch schließe mit der allgemeinen Regel --

nicht mehr an die Haare gebunden, sondern an den Kra-
gen des Kleides gesteckt; wenn nun der junge Herr sich
zufaͤllig einmal buͤckt, so entsteht eine Kluft zwischen
Zopf und Haar. Eine Hauptbeschaͤftigung der jungen
Leute beiderlei Geschlechts ist, ihre Haarbuͤschel im-
mer wieder in die Hoͤhe zu streichen, ungefaͤhr wie die
Katzen und Eichhoͤrnchen sich mit der Pfote uͤber den
Kopf fahren. — So wenig Umstaͤnde nun auch eine
solche Frisur zu machen scheint, so ist und bleibt der
Friseur doch eine wichtige Person im Staate. Bekannt-
lich sind alle Friseurs jetzt Artisten. Vor ihren Werk-
staͤtten prangen eine Menge schoͤne Wachsbuͤsten, Grie-
chen und Roͤmer, die maͤnnlichen gleichen gewoͤhnlich
Bonaparte. Ein solcher Artist, wenn er zum ersten-
mal erscheint, um einen Kopf zu arrangiren, betrachtet
den Gegenstand von allen Seiten, bittet den Jnhaber
des Kopfes gen Himmel zu sehen, dann zur Erde, dann
gradeaus; er laͤßt ihn gehen, tanzen, sich ausschnauben
u. s. w. „Monsieur,“ sagt er dann, „es ist genug; ich
„weiß jetzt, was Sie beduͤrfen, eine Mischung von Ti-
„tus, Caracalla
und Alcibiades. Betrachten Sie
„diese Buͤste, dies Titusloͤckchen ist aͤußerst guͤtig, aber
„es ist hoͤchst wichtig es mit der rauhen Strenge
„dieses Loͤckchens von Caracalla zu vereinigen; um je-
„doch das letztere wieder aufzuheitern, fuͤgen wir ein ko-
„kettes
Alcibiades-Loͤckchen hinzu. Mein Gott, Mon-
„sieur, was waren Sie, ehe ich herein trat; ein Bar-
„bar
hat ihr Haar fuͤrchterlich verstuͤmmelt. Jhre
„Farbe ist pâle fonce, gluͤckliche Haͤßlichkeit! das ist gra-
„de die antike Couleur. Jhre Augen sind schwarz à
„faire plaisir, ihre Haare schwarz, à faire horreur.“

Genug. Jch schließe mit der allgemeinen Regel —

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[187/0191] nicht mehr an die Haare gebunden, sondern an den Kra- gen des Kleides gesteckt; wenn nun der junge Herr sich zufaͤllig einmal buͤckt, so entsteht eine Kluft zwischen Zopf und Haar. Eine Hauptbeschaͤftigung der jungen Leute beiderlei Geschlechts ist, ihre Haarbuͤschel im- mer wieder in die Hoͤhe zu streichen, ungefaͤhr wie die Katzen und Eichhoͤrnchen sich mit der Pfote uͤber den Kopf fahren. — So wenig Umstaͤnde nun auch eine solche Frisur zu machen scheint, so ist und bleibt der Friseur doch eine wichtige Person im Staate. Bekannt- lich sind alle Friseurs jetzt Artisten. Vor ihren Werk- staͤtten prangen eine Menge schoͤne Wachsbuͤsten, Grie- chen und Roͤmer, die maͤnnlichen gleichen gewoͤhnlich Bonaparte. Ein solcher Artist, wenn er zum ersten- mal erscheint, um einen Kopf zu arrangiren, betrachtet den Gegenstand von allen Seiten, bittet den Jnhaber des Kopfes gen Himmel zu sehen, dann zur Erde, dann gradeaus; er laͤßt ihn gehen, tanzen, sich ausschnauben u. s. w. „Monsieur,“ sagt er dann, „es ist genug; ich „weiß jetzt, was Sie beduͤrfen, eine Mischung von Ti- „tus, Caracalla und Alcibiades. Betrachten Sie „diese Buͤste, dies Titusloͤckchen ist aͤußerst guͤtig, aber „es ist hoͤchst wichtig es mit der rauhen Strenge „dieses Loͤckchens von Caracalla zu vereinigen; um je- „doch das letztere wieder aufzuheitern, fuͤgen wir ein ko- „kettes Alcibiades-Loͤckchen hinzu. Mein Gott, Mon- „sieur, was waren Sie, ehe ich herein trat; ein Bar- „bar hat ihr Haar fuͤrchterlich verstuͤmmelt. Jhre „Farbe ist pâle fonce, gluͤckliche Haͤßlichkeit! das ist gra- „de die antike Couleur. Jhre Augen sind schwarz à „faire plaisir, ihre Haare schwarz, à faire horreur.“ Genug. Jch schließe mit der allgemeinen Regel —

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/191>, abgerufen am 21.11.2024.