Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.
liche Jnschriften setzen wollen, jemanden zu Rathe Sinzheim. Dies Städtchen gehört jetzt dem Fürsten von Leinin-
liche Jnschriften setzen wollen, jemanden zu Rathe Sinzheim. Dies Staͤdtchen gehoͤrt jetzt dem Fuͤrsten von Leinin- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0024" n="20"/> liche Jnschriften</hi> setzen wollen, jemanden zu Rathe<lb/> ziehen moͤchten, der die Sprache versteht. Ueber dem Tho-<lb/> re von Neckargmuͤnd stehet geschrieben: <hi rendition="#g">Zu Ehren dem<lb/> Vater des Vaterlandes, zur Zierde der<lb/> Stadt, heilig dem Volke.</hi> Von dieser Jnschrift<lb/> kann nur der <hi rendition="#g">mittelste</hi> Satz einleuchten, wenn nehm-<lb/> lich das Thor schoͤn gebaut ist. Warum soll es aber dem<lb/> Vater des Vaterlandes zur Ehre gereichen? Es ist ja kei-<lb/> ne Ehrenpforte. Und warum soll es dem <hi rendition="#g">Volke heilig</hi><lb/> seyn? Das letztere ist ganz unverstaͤndlich, und kann hoͤch-<lb/> stens bedeuten, daß man den Thorschreiber nicht um das<lb/> Sperrgeld betriegen soll.</p><lb/> <p>Sinzheim.</p><lb/> <p>Dies Staͤdtchen gehoͤrt jetzt dem Fuͤrsten von Leinin-<lb/> gen, der ein guter Fuͤrst seyn muß, weil ich uͤberall mit<lb/> Liebe von ihm sprechen hoͤre. Besonders zugethan scheint<lb/> man dem Erbprinzen, dessen bloße Erwaͤhnung auf alle<lb/> Gesichter ein freundliches Laͤcheln lockt. Warum kann ich<lb/> nicht dasselbe von allen Staaten sagen, durch die ich ge-<lb/> reist bin! Jn dem einen herrscht <hi rendition="#g">Furcht</hi> mit eisernem<lb/> Scepter; in dem andern erkennt man <hi rendition="#g">gleichguͤltig</hi> die<lb/> wahren Verdienste eines Regenten, weil er sich zu abge-<lb/> sondert von seinem Volke haͤlt, mit zu viel Ernst seine<lb/> Wohlthaten spendet; hier ein Laͤndchen, wo man den klei-<lb/> nen Despoten <hi rendition="#g">verwuͤnscht,</hi> dort ein anderes, wo die<lb/> Menschenscheu des Fuͤrsten ihm die <hi rendition="#g">Herzen entfrem-<lb/> det;</hi> u. s. w. Wie wohl thut es nach allen diesen und<lb/> noch manchen andern Erfahrungen, wenn man die Men-<lb/> schen im Leiningischen so heiter, so herzlich von ihrem Erb-<lb/> prinzen sprechen hoͤrt! Jammerschade, daß die Großen die-<lb/> ser Erde die schoͤne Gewohnheit haben abkommen lassen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [20/0024]
liche Jnschriften setzen wollen, jemanden zu Rathe
ziehen moͤchten, der die Sprache versteht. Ueber dem Tho-
re von Neckargmuͤnd stehet geschrieben: Zu Ehren dem
Vater des Vaterlandes, zur Zierde der
Stadt, heilig dem Volke. Von dieser Jnschrift
kann nur der mittelste Satz einleuchten, wenn nehm-
lich das Thor schoͤn gebaut ist. Warum soll es aber dem
Vater des Vaterlandes zur Ehre gereichen? Es ist ja kei-
ne Ehrenpforte. Und warum soll es dem Volke heilig
seyn? Das letztere ist ganz unverstaͤndlich, und kann hoͤch-
stens bedeuten, daß man den Thorschreiber nicht um das
Sperrgeld betriegen soll.
Sinzheim.
Dies Staͤdtchen gehoͤrt jetzt dem Fuͤrsten von Leinin-
gen, der ein guter Fuͤrst seyn muß, weil ich uͤberall mit
Liebe von ihm sprechen hoͤre. Besonders zugethan scheint
man dem Erbprinzen, dessen bloße Erwaͤhnung auf alle
Gesichter ein freundliches Laͤcheln lockt. Warum kann ich
nicht dasselbe von allen Staaten sagen, durch die ich ge-
reist bin! Jn dem einen herrscht Furcht mit eisernem
Scepter; in dem andern erkennt man gleichguͤltig die
wahren Verdienste eines Regenten, weil er sich zu abge-
sondert von seinem Volke haͤlt, mit zu viel Ernst seine
Wohlthaten spendet; hier ein Laͤndchen, wo man den klei-
nen Despoten verwuͤnscht, dort ein anderes, wo die
Menschenscheu des Fuͤrsten ihm die Herzen entfrem-
det; u. s. w. Wie wohl thut es nach allen diesen und
noch manchen andern Erfahrungen, wenn man die Men-
schen im Leiningischen so heiter, so herzlich von ihrem Erb-
prinzen sprechen hoͤrt! Jammerschade, daß die Großen die-
ser Erde die schoͤne Gewohnheit haben abkommen lassen,
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