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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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len zu hauen und zu graben, um -- ein eisernes Gitter
darin zu befestigen, daß sie eben so gut und weit leichter
auf eine andere Art hätten befestigen können. Leider wa-
ren sogar schon öfters dergleichen Versuche gemacht wor-
den; denn ich sah mehrere Löcher in den Säulen, die mit
Kalk wieder zugefüllt waren. -- Ein angenehmer Spa-
ziergang am Wasser führt bis zu dem Zusammenfluß der
Rhone und Saone, der jedoch bei weitem nicht den schö-
nen Anblick gewährt, wie der Zusammenfluß des Rheins
mit dem Maine. Der Kay, von dem einst einer mei-
ner Bekannten behauptete, er übertreffe den Kay zu Pe-
tersburg, ist mit diesem letztern gar nicht zu vergleichen.
Dort die Breite, majestätische Newa, mit den Pallästen
zu beiden Seiten, hier die schmale Rhone mit größten Theils
unansehnlichen Häusern; dort der Fußpfad und das Gelän-
der von Granit, hier ein gepflasterter Fußpfad und gar
kein Geländer; dort der Strom mit Schiffen und niedlich
geschmückten Schaluppen bedeckt, hier mit großen platten
Böten, in welchen lange Reihen von Wäscherinnen schmu-
tzige Wäsche auf Bänken klopfen, und dann vor dem Au-
ge des Spaziergängers zum Trocknen aushängen. -- Jn
einer Fabrik, die ich besah, wurden eben Fensterkis-
sen,
zum Auflegen der Arme, für Bonaparte gemacht;
sie waren auf blauem Grunde mit Gold und Silber sehr
reich gestickt, und kosteten sicher mehr, als vormals das
ganze Gehalt dieses außerordentlichen Mannes betrug. --
Das Theater in Lyon ist in jeder Rücksicht mittelmäßig.
Man gab Eugenie; die Rolle des ersten Liebhabers, Lord
Clarendon, wurde von einem sechzigjährigen Manne ge-
brüllt,
und je ärger er brüllte, je toller klatschten die
Zuschauer, auch wenn sie nichts verstanden hatten; denn
der Lärm im Theater war fast noch ärger, als zuweilen

len zu hauen und zu graben, um — ein eisernes Gitter
darin zu befestigen, daß sie eben so gut und weit leichter
auf eine andere Art haͤtten befestigen koͤnnen. Leider wa-
ren sogar schon oͤfters dergleichen Versuche gemacht wor-
den; denn ich sah mehrere Loͤcher in den Saͤulen, die mit
Kalk wieder zugefuͤllt waren. — Ein angenehmer Spa-
ziergang am Wasser fuͤhrt bis zu dem Zusammenfluß der
Rhone und Saone, der jedoch bei weitem nicht den schoͤ-
nen Anblick gewaͤhrt, wie der Zusammenfluß des Rheins
mit dem Maine. Der Kay, von dem einst einer mei-
ner Bekannten behauptete, er uͤbertreffe den Kay zu Pe-
tersburg, ist mit diesem letztern gar nicht zu vergleichen.
Dort die Breite, majestaͤtische Newa, mit den Pallaͤsten
zu beiden Seiten, hier die schmale Rhone mit groͤßten Theils
unansehnlichen Haͤusern; dort der Fußpfad und das Gelaͤn-
der von Granit, hier ein gepflasterter Fußpfad und gar
kein Gelaͤnder; dort der Strom mit Schiffen und niedlich
geschmuͤckten Schaluppen bedeckt, hier mit großen platten
Boͤten, in welchen lange Reihen von Waͤscherinnen schmu-
tzige Waͤsche auf Baͤnken klopfen, und dann vor dem Au-
ge des Spaziergaͤngers zum Trocknen aushaͤngen. — Jn
einer Fabrik, die ich besah, wurden eben Fensterkis-
sen,
zum Auflegen der Arme, fuͤr Bonaparte gemacht;
sie waren auf blauem Grunde mit Gold und Silber sehr
reich gestickt, und kosteten sicher mehr, als vormals das
ganze Gehalt dieses außerordentlichen Mannes betrug. —
Das Theater in Lyon ist in jeder Ruͤcksicht mittelmaͤßig.
Man gab Eugenie; die Rolle des ersten Liebhabers, Lord
Clarendon, wurde von einem sechzigjaͤhrigen Manne ge-
bruͤllt,
und je aͤrger er bruͤllte, je toller klatschten die
Zuschauer, auch wenn sie nichts verstanden hatten; denn
der Laͤrm im Theater war fast noch aͤrger, als zuweilen

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[41/0045] len zu hauen und zu graben, um — ein eisernes Gitter darin zu befestigen, daß sie eben so gut und weit leichter auf eine andere Art haͤtten befestigen koͤnnen. Leider wa- ren sogar schon oͤfters dergleichen Versuche gemacht wor- den; denn ich sah mehrere Loͤcher in den Saͤulen, die mit Kalk wieder zugefuͤllt waren. — Ein angenehmer Spa- ziergang am Wasser fuͤhrt bis zu dem Zusammenfluß der Rhone und Saone, der jedoch bei weitem nicht den schoͤ- nen Anblick gewaͤhrt, wie der Zusammenfluß des Rheins mit dem Maine. Der Kay, von dem einst einer mei- ner Bekannten behauptete, er uͤbertreffe den Kay zu Pe- tersburg, ist mit diesem letztern gar nicht zu vergleichen. Dort die Breite, majestaͤtische Newa, mit den Pallaͤsten zu beiden Seiten, hier die schmale Rhone mit groͤßten Theils unansehnlichen Haͤusern; dort der Fußpfad und das Gelaͤn- der von Granit, hier ein gepflasterter Fußpfad und gar kein Gelaͤnder; dort der Strom mit Schiffen und niedlich geschmuͤckten Schaluppen bedeckt, hier mit großen platten Boͤten, in welchen lange Reihen von Waͤscherinnen schmu- tzige Waͤsche auf Baͤnken klopfen, und dann vor dem Au- ge des Spaziergaͤngers zum Trocknen aushaͤngen. — Jn einer Fabrik, die ich besah, wurden eben Fensterkis- sen, zum Auflegen der Arme, fuͤr Bonaparte gemacht; sie waren auf blauem Grunde mit Gold und Silber sehr reich gestickt, und kosteten sicher mehr, als vormals das ganze Gehalt dieses außerordentlichen Mannes betrug. — Das Theater in Lyon ist in jeder Ruͤcksicht mittelmaͤßig. Man gab Eugenie; die Rolle des ersten Liebhabers, Lord Clarendon, wurde von einem sechzigjaͤhrigen Manne ge- bruͤllt, und je aͤrger er bruͤllte, je toller klatschten die Zuschauer, auch wenn sie nichts verstanden hatten; denn der Laͤrm im Theater war fast noch aͤrger, als zuweilen

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/45>, abgerufen am 23.11.2024.