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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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deux Sous! (50 Zahnstocher für zwei Sous). Auch
dies Mädchen hat einen sehr geringen Absatz von ihrer
Waare; sie ist häßlich, Niemand kauft ihr ab, und doch
lebt sie. -- Nein, da lob' ich mir die pfiffigen Köpfe,
deren Jndustrie auf das unerschöpflichste Ding, die Neu-
begier der Menschen
berechnet ist. Hier steht ein
altes Weib und liest mit kreischender Stimme von einem
bedruckten Blättchen Löschpapier, was in der letzten Si-
tzung des Staatsraths vorgegangen. Kaum schließt sie den
zahnlosen Mund, so eröffnet schon ihre ältere Nachbarin
die blassen Lippen, ergießt sich in einen Strom von ge-
druckter Beredsamkeit über die Treulosigkeit der Engländer;
deutet dabei auf den Holzschnitt, der ihr Blatt verziert,
und auf welchem der König von England sehr übel behan-
delt wird. Den angenehmen Vortrag beider Weiber hört
man gratis, und kauft ihre Blätter für einen Sous. --
Lassen sie von den Hexengestalten zu jenem hübschen, run-
den Mädchen uns wenden, die ein bescheidenes Tischchen
aufgeschlagen, auf dem etwa ein halbes Dutzend zinner-
ner und plattirter sehr schmutziger Leuchter stehen. Sie
hat einen wollenen Lappen in der Hand, den sie in ein
rothes Pulver taucht, und während sie die Leuchter herr-
lich blank putzt, preist sie mit einer äußerst geläufigen
Zunge und einem Grübchen in den Wangen, die Wun-
derkraft ihres Pulvers an. Sie fordert Fingerhüte und
Schnallen von den Umstehenden, sie giebt sie neu zurück,
sie verspricht sogar die Flecken aus dem Gesichte mit ihrem
Pulver zu vertreiben. Niemand wollte aber sein Gesicht
zu diesem Experiment hergeben. Ein lustiger Kriegsmann
zieht vorüber; er zeigt ihr eine Narbe auf der Backe, er
fragt lachend, ob sie auch wohl diese wegschaffen könne?
Sie antwortet, o ja! und verspricht ihm zu dem Ende ei-

deux Sous! (50 Zahnstocher fuͤr zwei Sous). Auch
dies Maͤdchen hat einen sehr geringen Absatz von ihrer
Waare; sie ist haͤßlich, Niemand kauft ihr ab, und doch
lebt sie. — Nein, da lob' ich mir die pfiffigen Koͤpfe,
deren Jndustrie auf das unerschoͤpflichste Ding, die Neu-
begier der Menschen
berechnet ist. Hier steht ein
altes Weib und liest mit kreischender Stimme von einem
bedruckten Blaͤttchen Loͤschpapier, was in der letzten Si-
tzung des Staatsraths vorgegangen. Kaum schließt sie den
zahnlosen Mund, so eroͤffnet schon ihre aͤltere Nachbarin
die blassen Lippen, ergießt sich in einen Strom von ge-
druckter Beredsamkeit uͤber die Treulosigkeit der Englaͤnder;
deutet dabei auf den Holzschnitt, der ihr Blatt verziert,
und auf welchem der Koͤnig von England sehr uͤbel behan-
delt wird. Den angenehmen Vortrag beider Weiber hoͤrt
man gratis, und kauft ihre Blaͤtter fuͤr einen Sous. —
Lassen sie von den Hexengestalten zu jenem huͤbschen, run-
den Maͤdchen uns wenden, die ein bescheidenes Tischchen
aufgeschlagen, auf dem etwa ein halbes Dutzend zinner-
ner und plattirter sehr schmutziger Leuchter stehen. Sie
hat einen wollenen Lappen in der Hand, den sie in ein
rothes Pulver taucht, und waͤhrend sie die Leuchter herr-
lich blank putzt, preist sie mit einer aͤußerst gelaͤufigen
Zunge und einem Gruͤbchen in den Wangen, die Wun-
derkraft ihres Pulvers an. Sie fordert Fingerhuͤte und
Schnallen von den Umstehenden, sie giebt sie neu zuruͤck,
sie verspricht sogar die Flecken aus dem Gesichte mit ihrem
Pulver zu vertreiben. Niemand wollte aber sein Gesicht
zu diesem Experiment hergeben. Ein lustiger Kriegsmann
zieht voruͤber; er zeigt ihr eine Narbe auf der Backe, er
fragt lachend, ob sie auch wohl diese wegschaffen koͤnne?
Sie antwortet, o ja! und verspricht ihm zu dem Ende ei-

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[54/0058] deux Sous! (50 Zahnstocher fuͤr zwei Sous). Auch dies Maͤdchen hat einen sehr geringen Absatz von ihrer Waare; sie ist haͤßlich, Niemand kauft ihr ab, und doch lebt sie. — Nein, da lob' ich mir die pfiffigen Koͤpfe, deren Jndustrie auf das unerschoͤpflichste Ding, die Neu- begier der Menschen berechnet ist. Hier steht ein altes Weib und liest mit kreischender Stimme von einem bedruckten Blaͤttchen Loͤschpapier, was in der letzten Si- tzung des Staatsraths vorgegangen. Kaum schließt sie den zahnlosen Mund, so eroͤffnet schon ihre aͤltere Nachbarin die blassen Lippen, ergießt sich in einen Strom von ge- druckter Beredsamkeit uͤber die Treulosigkeit der Englaͤnder; deutet dabei auf den Holzschnitt, der ihr Blatt verziert, und auf welchem der Koͤnig von England sehr uͤbel behan- delt wird. Den angenehmen Vortrag beider Weiber hoͤrt man gratis, und kauft ihre Blaͤtter fuͤr einen Sous. — Lassen sie von den Hexengestalten zu jenem huͤbschen, run- den Maͤdchen uns wenden, die ein bescheidenes Tischchen aufgeschlagen, auf dem etwa ein halbes Dutzend zinner- ner und plattirter sehr schmutziger Leuchter stehen. Sie hat einen wollenen Lappen in der Hand, den sie in ein rothes Pulver taucht, und waͤhrend sie die Leuchter herr- lich blank putzt, preist sie mit einer aͤußerst gelaͤufigen Zunge und einem Gruͤbchen in den Wangen, die Wun- derkraft ihres Pulvers an. Sie fordert Fingerhuͤte und Schnallen von den Umstehenden, sie giebt sie neu zuruͤck, sie verspricht sogar die Flecken aus dem Gesichte mit ihrem Pulver zu vertreiben. Niemand wollte aber sein Gesicht zu diesem Experiment hergeben. Ein lustiger Kriegsmann zieht voruͤber; er zeigt ihr eine Narbe auf der Backe, er fragt lachend, ob sie auch wohl diese wegschaffen koͤnne? Sie antwortet, o ja! und verspricht ihm zu dem Ende ei-

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/58>, abgerufen am 21.11.2024.