Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.bedenklich hinzu, aber heute ist gerade ein Tag, an dem Doch ich sehe Jhnen an, daß Sie von dem Spazier- Zweiter Brief. Heute, liebe Freundin, verfolgen wir unsern Spa- bedenklich hinzu, aber heute ist gerade ein Tag, an dem Doch ich sehe Jhnen an, daß Sie von dem Spazier- Zweiter Brief. Heute, liebe Freundin, verfolgen wir unsern Spa- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0061" n="57"/> bedenklich hinzu, aber heute ist gerade ein Tag, an dem<lb/> sich alles vortrefflich praͤsentiren wird. Jch gesteh' Jhnen,<lb/> liebe Freundin, der Kahlkopf sprach neulich so gut und<lb/> unbefangen daß ich mich verleiten ließ, vor seinen Tu-<lb/> bus zu treten. Da zog er unvermerkt an einem Zwirns-<lb/> faden, und siehe, zwischen meinem Auge und dem gewoͤhn-<lb/> lichen Fensterglase huͤpfte ein Centaur vorbei, den er aus<lb/> irgend einem Nuͤrnberger Bilderbogen ausgeschnitten hatte.<lb/> Schnell zog ich den Kopf beschaͤmt zuruͤck und schlich fort,<lb/> um einem Andern Platz zu machen. — Aber warum sollt'<lb/> ich mich schaͤmen? dacht' ich auf dem Heimwege: geschieht<lb/> es doch in meinem lieben Vaterlande taͤglich, daß die gro-<lb/> ßen Dichter und Philosophen uns ihre Tubus mit maͤch-<lb/> tigem Geschrei vor die Augen halten, indem sie uns, Gott<lb/> weiß, welche Wunderdinge versprechen. Wir sind guther-<lb/> zig, wir sehen hinein, und was erblicken wir? — Jrgend<lb/> ein kleines Nuͤrnberger Ungeheuer. —</p><lb/> <p>Doch ich sehe Jhnen an, daß Sie von dem Spazier-<lb/> gange ermuͤdet sind. Wenn das Wetter so schoͤn bleibt,<lb/> so setzen wir ihn wohl morgen ein Stuͤndchen fort, denn<lb/> ich versichere Sie, wir haben noch viele artige und naͤrri-<lb/> sche Dinge zu besehen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>Zweiter Brief.</head><lb/> <p>Heute, liebe Freundin, verfolgen wir unsern Spa-<lb/> ziergang bei trocknem Wetter. Nicht immer werden die<lb/> Gegenstaͤnde so lustig seyn, und ich stehe Jhnen nicht da-<lb/> fuͤr, daß nicht eine Thraͤne dann und wann sich in Jhr<lb/> Auge stehlen wird. Da stoͤßt uns gleich ein armer Blin-<lb/> der auf, er singt sein Lied in einfach ruͤhrenden Toͤnen;<lb/> neben ihm liegt sein treuer Fuͤhrer, der zottige Hund,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [57/0061]
bedenklich hinzu, aber heute ist gerade ein Tag, an dem
sich alles vortrefflich praͤsentiren wird. Jch gesteh' Jhnen,
liebe Freundin, der Kahlkopf sprach neulich so gut und
unbefangen daß ich mich verleiten ließ, vor seinen Tu-
bus zu treten. Da zog er unvermerkt an einem Zwirns-
faden, und siehe, zwischen meinem Auge und dem gewoͤhn-
lichen Fensterglase huͤpfte ein Centaur vorbei, den er aus
irgend einem Nuͤrnberger Bilderbogen ausgeschnitten hatte.
Schnell zog ich den Kopf beschaͤmt zuruͤck und schlich fort,
um einem Andern Platz zu machen. — Aber warum sollt'
ich mich schaͤmen? dacht' ich auf dem Heimwege: geschieht
es doch in meinem lieben Vaterlande taͤglich, daß die gro-
ßen Dichter und Philosophen uns ihre Tubus mit maͤch-
tigem Geschrei vor die Augen halten, indem sie uns, Gott
weiß, welche Wunderdinge versprechen. Wir sind guther-
zig, wir sehen hinein, und was erblicken wir? — Jrgend
ein kleines Nuͤrnberger Ungeheuer. —
Doch ich sehe Jhnen an, daß Sie von dem Spazier-
gange ermuͤdet sind. Wenn das Wetter so schoͤn bleibt,
so setzen wir ihn wohl morgen ein Stuͤndchen fort, denn
ich versichere Sie, wir haben noch viele artige und naͤrri-
sche Dinge zu besehen.
Zweiter Brief.
Heute, liebe Freundin, verfolgen wir unsern Spa-
ziergang bei trocknem Wetter. Nicht immer werden die
Gegenstaͤnde so lustig seyn, und ich stehe Jhnen nicht da-
fuͤr, daß nicht eine Thraͤne dann und wann sich in Jhr
Auge stehlen wird. Da stoͤßt uns gleich ein armer Blin-
der auf, er singt sein Lied in einfach ruͤhrenden Toͤnen;
neben ihm liegt sein treuer Fuͤhrer, der zottige Hund,
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