eines alten Römers, ernst, edel, ausdrucksvoll. Wenn er immer schwiege, so würde sein Ernst etwas Kaltes, Zurückschreckendes haben; so bald er aber redet, ziert ein wirklich holdes Lächeln seinen Mund, und man gewinnt Vertrauen zu ihm. Grade das war der Fall mit Paul dem Ersten, dessen Freundlichkeit man nicht widerste- hen konnte.
Da ich eben Pauls des Ersten gedenke, so darf ich nicht vergessen zu erwähnen, daß der erste Konsul mit mir über diesen unglücklichen Monarchen sprach, und mit Jnnigkeit seine Hochachtung für ihn bezeigte. "Er war ein Hitzkopf," sagte er unter andern, "aber er hatte ein vortreffliches Herz."
Einige Schritte von mir stand der amerikanische Ge- sandte, mit dem er, wenn ich anders recht verstanden, über den Handel seines Vaterlandes sprach. Der Ge- sandte ließ, hierdurch veranlaßt, einen leisen Wunsch nach Frieden fallen; der erste Konsul zuckte die Achseln, als wolle er sagen: meine Schuld ist es nicht. Auch schienen einige Worte über diesen Gegenstand ihm auf der Lippe zu schweben, aber er verschluckte sie und gieng weiter. -- Mit großer Leichtigkeit und Unbefangenheit sprach er von den verschiedenartigsten Materien, worunter denn, als er zum zweitenmal sich mir nahete, auch das Theater Platz fand. Er nannte uns Deutsche melancholisch, und meinte, durch die rührenden Dramen werde das französi- sche Trauerspiel etwas beeinträchtigt: er liebe nicht zu wei- nen u. s. w. -- Wenn ich anführe, was der erste Kon- sul mit mir selbst gesprochen, so hebe ich natürlich dasje- nige aus, was, ohne Rücksicht auf mich, für das Publi- kum Jnteresse haben kann. Aus einer Art von Reisebe- chreibung sein Jch ganz zu verbannen, ist nicht wohl
eines alten Roͤmers, ernst, edel, ausdrucksvoll. Wenn er immer schwiege, so wuͤrde sein Ernst etwas Kaltes, Zuruͤckschreckendes haben; so bald er aber redet, ziert ein wirklich holdes Laͤcheln seinen Mund, und man gewinnt Vertrauen zu ihm. Grade das war der Fall mit Paul dem Ersten, dessen Freundlichkeit man nicht widerste- hen konnte.
Da ich eben Pauls des Ersten gedenke, so darf ich nicht vergessen zu erwaͤhnen, daß der erste Konsul mit mir uͤber diesen ungluͤcklichen Monarchen sprach, und mit Jnnigkeit seine Hochachtung fuͤr ihn bezeigte. „Er war ein Hitzkopf,“ sagte er unter andern, „aber er hatte ein vortreffliches Herz.“
Einige Schritte von mir stand der amerikanische Ge- sandte, mit dem er, wenn ich anders recht verstanden, uͤber den Handel seines Vaterlandes sprach. Der Ge- sandte ließ, hierdurch veranlaßt, einen leisen Wunsch nach Frieden fallen; der erste Konsul zuckte die Achseln, als wolle er sagen: meine Schuld ist es nicht. Auch schienen einige Worte uͤber diesen Gegenstand ihm auf der Lippe zu schweben, aber er verschluckte sie und gieng weiter. — Mit großer Leichtigkeit und Unbefangenheit sprach er von den verschiedenartigsten Materien, worunter denn, als er zum zweitenmal sich mir nahete, auch das Theater Platz fand. Er nannte uns Deutsche melancholisch, und meinte, durch die ruͤhrenden Dramen werde das franzoͤsi- sche Trauerspiel etwas beeintraͤchtigt: er liebe nicht zu wei- nen u. s. w. — Wenn ich anfuͤhre, was der erste Kon- sul mit mir selbst gesprochen, so hebe ich natuͤrlich dasje- nige aus, was, ohne Ruͤcksicht auf mich, fuͤr das Publi- kum Jnteresse haben kann. Aus einer Art von Reisebe- chreibung sein Jch ganz zu verbannen, ist nicht wohl
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eines alten Roͤmers, ernst, edel, ausdrucksvoll. Wenn
er immer schwiege, so wuͤrde sein Ernst etwas Kaltes,
Zuruͤckschreckendes haben; so bald er aber redet, ziert ein
wirklich holdes Laͤcheln seinen Mund, und man gewinnt
Vertrauen zu ihm. Grade das war der Fall mit Paul
dem Ersten, dessen Freundlichkeit man nicht widerste-
hen konnte.
Da ich eben Pauls des Ersten gedenke, so darf ich
nicht vergessen zu erwaͤhnen, daß der erste Konsul mit
mir uͤber diesen ungluͤcklichen Monarchen sprach, und mit
Jnnigkeit seine Hochachtung fuͤr ihn bezeigte. „Er war
ein Hitzkopf,“ sagte er unter andern, „aber er hatte ein
vortreffliches Herz.“
Einige Schritte von mir stand der amerikanische Ge-
sandte, mit dem er, wenn ich anders recht verstanden,
uͤber den Handel seines Vaterlandes sprach. Der Ge-
sandte ließ, hierdurch veranlaßt, einen leisen Wunsch nach
Frieden fallen; der erste Konsul zuckte die Achseln, als
wolle er sagen: meine Schuld ist es nicht. Auch schienen
einige Worte uͤber diesen Gegenstand ihm auf der Lippe zu
schweben, aber er verschluckte sie und gieng weiter. —
Mit großer Leichtigkeit und Unbefangenheit sprach er von
den verschiedenartigsten Materien, worunter denn, als er
zum zweitenmal sich mir nahete, auch das Theater Platz
fand. Er nannte uns Deutsche melancholisch, und
meinte, durch die ruͤhrenden Dramen werde das franzoͤsi-
sche Trauerspiel etwas beeintraͤchtigt: er liebe nicht zu wei-
nen u. s. w. — Wenn ich anfuͤhre, was der erste Kon-
sul mit mir selbst gesprochen, so hebe ich natuͤrlich dasje-
nige aus, was, ohne Ruͤcksicht auf mich, fuͤr das Publi-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/85>, abgerufen am 16.02.2025.
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