Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.Theater der Franzosen. Da in Paris täglich auf 17 oder 18 verschiedenen Büh- Das Erste im Range und in der Vollkommenheit ist Theater der Franzosen. Da in Paris taͤglich auf 17 oder 18 verschiedenen Buͤh- Das Erste im Range und in der Vollkommenheit ist <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0120" n="120"/> <div n="1"> <head>Theater der Franzosen.</head><lb/> <p>Da in Paris taͤglich auf 17 oder 18 verschiedenen Buͤh-<lb/> nen gespielt wird, so ist begreiflich, daß die Theater von<lb/> sehr verschiedenem Werthe sind. Es giebt vortreffliche,<lb/> gute, mittelmaͤßige und schlechte.</p><lb/> <p>Das Erste im Range und in der Vollkommenheit ist<lb/> das Théatre français. Ueber die franzoͤsische <hi rendition="#g">Manier,</hi><lb/> Trauerspiele darzustellen, habe ich mich schon an mehre-<lb/> ren Orten erklaͤrt. Jch kann sie nicht leiden, eben weil<lb/> sie Manier ist. Alle franzoͤsische Helden sind in eine<lb/> Form gegossen, bey ihnen giebt es nur <hi rendition="#g">eine</hi> Art, Em-<lb/> pfinduug und Leidenschaft auszudruͤcken; wer <hi rendition="#g">ein</hi> Trauer-<lb/> spiel sah, der hat sie alle gesehen. Einige der <hi rendition="#g">ersten</hi><lb/> Mitglieder des Théatre français machen hiervon <hi rendition="#g">zuwei-<lb/> len</hi> eine Ausnahme, der einzige <hi rendition="#g">Talma immer.</hi> Er<lb/> selbst gesteht aber auch, daß er die deutsche und franzoͤ-<lb/> sische Manier zu vereinigen suche. Seine Neider tadeln<lb/> ihn deßhalb, aber die große Wirkung, die er <hi rendition="#g">jedes-<lb/> mal</hi> hervorbringt, beweist zur Genuͤge, daß er die Her-<lb/> zen trifft. Talma ist ein schoͤner Mann, mit einer sanft<lb/> schwermuͤthigen Physiognomie, die jedoch jede Leideuschaft<lb/> auszudruͤcken faͤhig ist. Er spricht sehr vernuͤnftig uͤber<lb/><hi rendition="#g">Natur</hi> und <hi rendition="#g">Kunst,</hi> und uͤber den großen Streit zwi-<lb/> schen Teutschen und Franzosen, da sie bald dieser, bald<lb/> jener ausschließlich huldigen. Die Vereinigung Beyder,<lb/> sagt er mit Recht, sey Beyder Triumph. Er hat aus-<lb/> laͤndische Theater gesehen. Pruͤfet Alles, das Gute be-<lb/> haltet, ist auch sein Wahlspruch.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [120/0120]
Theater der Franzosen.
Da in Paris taͤglich auf 17 oder 18 verschiedenen Buͤh-
nen gespielt wird, so ist begreiflich, daß die Theater von
sehr verschiedenem Werthe sind. Es giebt vortreffliche,
gute, mittelmaͤßige und schlechte.
Das Erste im Range und in der Vollkommenheit ist
das Théatre français. Ueber die franzoͤsische Manier,
Trauerspiele darzustellen, habe ich mich schon an mehre-
ren Orten erklaͤrt. Jch kann sie nicht leiden, eben weil
sie Manier ist. Alle franzoͤsische Helden sind in eine
Form gegossen, bey ihnen giebt es nur eine Art, Em-
pfinduug und Leidenschaft auszudruͤcken; wer ein Trauer-
spiel sah, der hat sie alle gesehen. Einige der ersten
Mitglieder des Théatre français machen hiervon zuwei-
len eine Ausnahme, der einzige Talma immer. Er
selbst gesteht aber auch, daß er die deutsche und franzoͤ-
sische Manier zu vereinigen suche. Seine Neider tadeln
ihn deßhalb, aber die große Wirkung, die er jedes-
mal hervorbringt, beweist zur Genuͤge, daß er die Her-
zen trifft. Talma ist ein schoͤner Mann, mit einer sanft
schwermuͤthigen Physiognomie, die jedoch jede Leideuschaft
auszudruͤcken faͤhig ist. Er spricht sehr vernuͤnftig uͤber
Natur und Kunst, und uͤber den großen Streit zwi-
schen Teutschen und Franzosen, da sie bald dieser, bald
jener ausschließlich huldigen. Die Vereinigung Beyder,
sagt er mit Recht, sey Beyder Triumph. Er hat aus-
laͤndische Theater gesehen. Pruͤfet Alles, das Gute be-
haltet, ist auch sein Wahlspruch.
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