ser. -- Le Tasse mit Veränderungen. Jch weis nicht, wie das Stück ohne Veränderungen gewesen seyn mag; aber ich weis, daß es immer ein schlechtes Stück bleiben wird, besonders für Jemand, der Göthe's Meisterwerke kennt. Einige gute Situationen hat es doch. Der Mo- ment, wo Tasse aus dem Wahnsinne nach und nach wie- der zu sich kommt, wurde von Lafond erschütternd und mit großer Wahrheit dargestellt. Die Prinzessinn aber, (Mlle. Fleury) eine Vierzigerinn, machte Tasso's ver- liebten Wahnsinn völlig unbegreiflich. -- L'homme a bonnes fortunes. Heutzutage würde man dieses alte Lustspiel höchstens noch als Posse durchschlüpfen lassen. Erstaunt bin ich über Dazincourt, der, wie ein französi- scher Nachbar mir sagte, noch ein Ueberrest der alten, gu- ten Komödie seyn soll, und wirklich ein trefflicher komi- scher Bedienter ist; aber -- als er seines Herrn Kleider anzieht, um auch bonne fortune zu suchen, als er sein Schnupftuch in eau de la vande einweicht, und es nach- her zu naß findet, ringt er es in das Souffleur- loch aus, und der Zartgeschmack der Pariser nahm dar- an keinen Anstoß. Jch äußerte meine Verwunderung darüber gegen meinen Nachbar, er wurde verlegen, und meynte, Dazincourt sey einmal so beliebt beym Publi- kum, daß man ihm Alles hingehen lasse. Freylich ken- ne ich auch in Deutschland ähnliche Beyspiele.
Zaire. Mademoiselle Volney, ein artiges, jun- ges Mädchen, spielte die Zaire so ziemlich; Lafond schrie als Orosmann entsetzlich. Nach der Vorstellung wurden Beyde herausgerufen. Der Lärmen dauerte län- ger als eine Viertelstunde, ehe Mamsell Volney er- schien; sie trat aber kaum aus der Coulisse einen Schritt hervor, machte eine kleine Verbeugung, und verschwand.
ser. — Le Tasse mit Veraͤnderungen. Jch weis nicht, wie das Stuͤck ohne Veraͤnderungen gewesen seyn mag; aber ich weis, daß es immer ein schlechtes Stuͤck bleiben wird, besonders fuͤr Jemand, der Goͤthe's Meisterwerke kennt. Einige gute Situationen hat es doch. Der Mo- ment, wo Tasse aus dem Wahnsinne nach und nach wie- der zu sich kommt, wurde von Lafond erschuͤtternd und mit großer Wahrheit dargestellt. Die Prinzessinn aber, (Mlle. Fleury) eine Vierzigerinn, machte Tasso's ver- liebten Wahnsinn voͤllig unbegreiflich. — L'homme à bonnes fortunes. Heutzutage wuͤrde man dieses alte Lustspiel hoͤchstens noch als Posse durchschluͤpfen lassen. Erstaunt bin ich uͤber Dazincourt, der, wie ein franzoͤsi- scher Nachbar mir sagte, noch ein Ueberrest der alten, gu- ten Komoͤdie seyn soll, und wirklich ein trefflicher komi- scher Bedienter ist; aber — als er seines Herrn Kleider anzieht, um auch bonne fortune zu suchen, als er sein Schnupftuch in eau de la vande einweicht, und es nach- her zu naß findet, ringt er es in das Souffleur- loch aus, und der Zartgeschmack der Pariser nahm dar- an keinen Anstoß. Jch aͤußerte meine Verwunderung daruͤber gegen meinen Nachbar, er wurde verlegen, und meynte, Dazincourt sey einmal so beliebt beym Publi- kum, daß man ihm Alles hingehen lasse. Freylich ken- ne ich auch in Deutschland aͤhnliche Beyspiele.
Zaire. Mademoiselle Volney, ein artiges, jun- ges Maͤdchen, spielte die Zaire so ziemlich; Lafond schrie als Orosmann entsetzlich. Nach der Vorstellung wurden Beyde herausgerufen. Der Laͤrmen dauerte laͤn- ger als eine Viertelstunde, ehe Mamsell Volney er- schien; sie trat aber kaum aus der Coulisse einen Schritt hervor, machte eine kleine Verbeugung, und verschwand.
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ser. — Le Tasse mit Veraͤnderungen. Jch weis nicht,
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wird, besonders fuͤr Jemand, der Goͤthe's Meisterwerke
kennt. Einige gute Situationen hat es doch. Der Mo-
ment, wo Tasse aus dem Wahnsinne nach und nach wie-
der zu sich kommt, wurde von Lafond erschuͤtternd und
mit großer Wahrheit dargestellt. Die Prinzessinn aber,
(Mlle. Fleury) eine Vierzigerinn, machte Tasso's ver-
liebten Wahnsinn voͤllig unbegreiflich. — L'homme à
bonnes fortunes. Heutzutage wuͤrde man dieses alte
Lustspiel hoͤchstens noch als Posse durchschluͤpfen lassen.
Erstaunt bin ich uͤber Dazincourt, der, wie ein franzoͤsi-
scher Nachbar mir sagte, noch ein Ueberrest der alten, gu-
ten Komoͤdie seyn soll, und wirklich ein trefflicher komi-
scher Bedienter ist; aber — als er seines Herrn Kleider
anzieht, um auch bonne fortune zu suchen, als er sein
Schnupftuch in eau de la vande einweicht, und es nach-
her zu naß findet, ringt er es in das Souffleur-
loch aus, und der Zartgeschmack der Pariser nahm dar-
an keinen Anstoß. Jch aͤußerte meine Verwunderung
daruͤber gegen meinen Nachbar, er wurde verlegen, und
meynte, Dazincourt sey einmal so beliebt beym Publi-
kum, daß man ihm Alles hingehen lasse. Freylich ken-
ne ich auch in Deutschland aͤhnliche Beyspiele.
Zaire. Mademoiselle Volney, ein artiges, jun-
ges Maͤdchen, spielte die Zaire so ziemlich; Lafond
schrie als Orosmann entsetzlich. Nach der Vorstellung
wurden Beyde herausgerufen. Der Laͤrmen dauerte laͤn-
ger als eine Viertelstunde, ehe Mamsell Volney er-
schien; sie trat aber kaum aus der Coulisse einen Schritt
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von Au… [mehr]
Die "Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804" von August von Kotzebue erschienen 1804 in einer einbändigen Ausgabe im Frölich-Verlag, Berlin. Im gleichen Jahr wurde diese Ausgabe als zweibändige Ausgabe in einem Band im Titel als "unveränderte Auflage" bezeichnet, herausgegeben. Das Deutsche Textarchiv hat den Text der 3. unveränderten Auflage im Rahmen einer Kuration herausgegeben.
Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/122>, abgerufen am 17.02.2025.
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