Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.hatte ich mir den Schauspieler La-Rive immer als einen Bei allen den Vortheilen, die der französische Schau- Der Minister des Jnnern, Chaptal, war bekannt- hatte ich mir den Schauspieler La-Rive immer als einen Bei allen den Vortheilen, die der franzoͤsische Schau- Der Minister des Jnnern, Chaptal, war bekannt- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0165" n="165"/> hatte ich mir den Schauspieler La-Rive immer als einen<lb/> alten Mann vorgestellt, weil ich wußte, er habe sich in<lb/> Ruhe gesetzt; aber nichts Weniger. Er ist ein Mann<lb/> von etwas uͤber 40 Jahren, der, um das Leben zu ge-<lb/> nießen, ein kleines Gut, Montlignon, nahe bei dem<lb/> Thale von Montmorency, gekauft, und dort eine mine-<lb/> ralische Quelle entdeckt hat, die als sehr magenstaͤrkend<lb/> allen Leckermaͤulern empfohlen wird. Er will an dieser<lb/> Quelle ein Dorf anlegen, und erboth sich, als ich in Pa-<lb/> ris war, fuͤr 15000 Franken, ein fuͤr allemal bezahlt,<lb/> Jedem, dem es beliebe, ein allerliebstes Haus zu bauen,<lb/> und einen artigen Garten zu geben. Jch habe nicht ge-<lb/> hoͤrt, ob sein Projekt Eingang gefunden hat.</p><lb/> <p>Bei allen den Vortheilen, die der franzoͤsische Schau-<lb/> spieler genießt, hat er weit weniger Arbeit als der teut-<lb/> sche: denn man fodert nicht so oft neue Stuͤcke von ihm.<lb/> Hingegen muß man gestehen, daß er sich zehenmal mehr<lb/> Muͤhe giebt, ein neues Stuͤck gut und rund einzustudie-<lb/> ren, <hi rendition="#g">Dreißig</hi> Proben werden gewoͤhnlich, alle mit der<lb/> groͤßten Ordnung, gehalten, (in Teutschland zwei bis<lb/> drei) der Verfasser ist, wenn er will, immer gegenwaͤr-<lb/> tig. Bei der letzten Probe, selbst wenn das Stuͤck schon<lb/> angekuͤndigt ist, hat er das Recht, ein Veto von sich zu<lb/> geben, und zu erklaͤren: es geht noch nicht, es muß noch<lb/> oͤfter probirt werden. Auch wollte ich keiner Buͤhne ra-<lb/> then, ohne Einwilligung des Verfassers, auch nur ein<lb/> Wort an seinem Werke zu aͤndern. Lauter Beweise ge-<lb/> genseitiger Achtung und zarter Behandlung, von denen<lb/> man in Teutschland nur da, wo der wackre Jffland an<lb/> der Spitze steht, einen Begriff hat.</p><lb/> <p>Der Minister des Jnnern, Chaptal, war bekannt-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [165/0165]
hatte ich mir den Schauspieler La-Rive immer als einen
alten Mann vorgestellt, weil ich wußte, er habe sich in
Ruhe gesetzt; aber nichts Weniger. Er ist ein Mann
von etwas uͤber 40 Jahren, der, um das Leben zu ge-
nießen, ein kleines Gut, Montlignon, nahe bei dem
Thale von Montmorency, gekauft, und dort eine mine-
ralische Quelle entdeckt hat, die als sehr magenstaͤrkend
allen Leckermaͤulern empfohlen wird. Er will an dieser
Quelle ein Dorf anlegen, und erboth sich, als ich in Pa-
ris war, fuͤr 15000 Franken, ein fuͤr allemal bezahlt,
Jedem, dem es beliebe, ein allerliebstes Haus zu bauen,
und einen artigen Garten zu geben. Jch habe nicht ge-
hoͤrt, ob sein Projekt Eingang gefunden hat.
Bei allen den Vortheilen, die der franzoͤsische Schau-
spieler genießt, hat er weit weniger Arbeit als der teut-
sche: denn man fodert nicht so oft neue Stuͤcke von ihm.
Hingegen muß man gestehen, daß er sich zehenmal mehr
Muͤhe giebt, ein neues Stuͤck gut und rund einzustudie-
ren, Dreißig Proben werden gewoͤhnlich, alle mit der
groͤßten Ordnung, gehalten, (in Teutschland zwei bis
drei) der Verfasser ist, wenn er will, immer gegenwaͤr-
tig. Bei der letzten Probe, selbst wenn das Stuͤck schon
angekuͤndigt ist, hat er das Recht, ein Veto von sich zu
geben, und zu erklaͤren: es geht noch nicht, es muß noch
oͤfter probirt werden. Auch wollte ich keiner Buͤhne ra-
then, ohne Einwilligung des Verfassers, auch nur ein
Wort an seinem Werke zu aͤndern. Lauter Beweise ge-
genseitiger Achtung und zarter Behandlung, von denen
man in Teutschland nur da, wo der wackre Jffland an
der Spitze steht, einen Begriff hat.
Der Minister des Jnnern, Chaptal, war bekannt-
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