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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

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Angenehm ist es für den Fremden, daß er, wenn
er irgend etwas ihm Lästiges verkaufen will, nicht nöthig
hat, sich selbst darum zu bekümmern, sondern er beauf-
tragt das Bureau des affiches, welches ihn, gegen ei-
nen sehr mäßigen Profit, dieser Mühe überhebt. Oder
will er sein Eigenthum lieber an den Meistbiethenden
verkaufen, so schickt er es an das sogenannte Cabinet
arbitral.

Oft biethen honette Familien von gutem Tone, in
den besten Quartieren von Paris, Fremden ihren Tisch
an. Freilich sind es meisteus herabgekommene Familien,
ehemalige Adeliche, die jetzt einer solchen Beihilfe bedür-
fen, um sich anständig zu ernähren; aber kleinliche Vor-
theile suchen sie weiter nicht dabei. Jhre Tafel ist so gut
als die der bessern Restaurateurs; man findet da gewähl-
te Gesellschaft, kann sich in der Sprache üben, und den
Pariser guten Ton lernen: denn man ist in solchen Häu-
sern gleichsam zu Gaste; und gerade so behandeln sich
wechselseitig die Wirthinn und der Kostgänger.

Als ich in Paris war, kündigte ein vormaliger Ma-
jor eine Anstalt an, die er Propylee oder vestibule des
voyageurs nannte. Hier sollte ein Jeder, der auf Rei-
sen gehen wollte, allen ersprießlichen Unterricht dazu er-
halten: nämlich, Reiserouten, Anzeigen von Merkwür-
digkeiten, Zeichnungen von schönen Gegenden oder Mo-
numenten, Bildnisse berühmter Männer und Frauen;
auch sogar Empfehlungsschreiben wurden versprochen,
wenn man Bürgen stelle. Ueberdieß sollte Unterricht ge-
geben werden in Sprachen, Geschichte, Literatur, An-
thropologie, Naturgeschichte, Botanik, Oditologie
(Wissenschaft des Reisens); da hatte man zu erwarten:
Auszüge aus den besten Reisebeschreibungen, und aus

Angenehm ist es fuͤr den Fremden, daß er, wenn
er irgend etwas ihm Laͤstiges verkaufen will, nicht noͤthig
hat, sich selbst darum zu bekuͤmmern, sondern er beauf-
tragt das Bureau des affiches, welches ihn, gegen ei-
nen sehr maͤßigen Profit, dieser Muͤhe uͤberhebt. Oder
will er sein Eigenthum lieber an den Meistbiethenden
verkaufen, so schickt er es an das sogenannte Cabinet
arbitral.

Oft biethen honette Familien von gutem Tone, in
den besten Quartieren von Paris, Fremden ihren Tisch
an. Freilich sind es meisteus herabgekommene Familien,
ehemalige Adeliche, die jetzt einer solchen Beihilfe beduͤr-
fen, um sich anstaͤndig zu ernaͤhren; aber kleinliche Vor-
theile suchen sie weiter nicht dabei. Jhre Tafel ist so gut
als die der bessern Restaurateurs; man findet da gewaͤhl-
te Gesellschaft, kann sich in der Sprache uͤben, und den
Pariser guten Ton lernen: denn man ist in solchen Haͤu-
sern gleichsam zu Gaste; und gerade so behandeln sich
wechselseitig die Wirthinn und der Kostgaͤnger.

Als ich in Paris war, kuͤndigte ein vormaliger Ma-
jor eine Anstalt an, die er Propylée oder vestibule des
voyageurs nannte. Hier sollte ein Jeder, der auf Rei-
sen gehen wollte, allen ersprießlichen Unterricht dazu er-
halten: naͤmlich, Reiserouten, Anzeigen von Merkwuͤr-
digkeiten, Zeichnungen von schoͤnen Gegenden oder Mo-
numenten, Bildnisse beruͤhmter Maͤnner und Frauen;
auch sogar Empfehlungsschreiben wurden versprochen,
wenn man Buͤrgen stelle. Ueberdieß sollte Unterricht ge-
geben werden in Sprachen, Geschichte, Literatur, An-
thropologie, Naturgeschichte, Botanik, Oditologie
(Wissenschaft des Reisens); da hatte man zu erwarten:
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[190/0190] Angenehm ist es fuͤr den Fremden, daß er, wenn er irgend etwas ihm Laͤstiges verkaufen will, nicht noͤthig hat, sich selbst darum zu bekuͤmmern, sondern er beauf- tragt das Bureau des affiches, welches ihn, gegen ei- nen sehr maͤßigen Profit, dieser Muͤhe uͤberhebt. Oder will er sein Eigenthum lieber an den Meistbiethenden verkaufen, so schickt er es an das sogenannte Cabinet arbitral. Oft biethen honette Familien von gutem Tone, in den besten Quartieren von Paris, Fremden ihren Tisch an. Freilich sind es meisteus herabgekommene Familien, ehemalige Adeliche, die jetzt einer solchen Beihilfe beduͤr- fen, um sich anstaͤndig zu ernaͤhren; aber kleinliche Vor- theile suchen sie weiter nicht dabei. Jhre Tafel ist so gut als die der bessern Restaurateurs; man findet da gewaͤhl- te Gesellschaft, kann sich in der Sprache uͤben, und den Pariser guten Ton lernen: denn man ist in solchen Haͤu- sern gleichsam zu Gaste; und gerade so behandeln sich wechselseitig die Wirthinn und der Kostgaͤnger. Als ich in Paris war, kuͤndigte ein vormaliger Ma- jor eine Anstalt an, die er Propylée oder vestibule des voyageurs nannte. Hier sollte ein Jeder, der auf Rei- sen gehen wollte, allen ersprießlichen Unterricht dazu er- halten: naͤmlich, Reiserouten, Anzeigen von Merkwuͤr- digkeiten, Zeichnungen von schoͤnen Gegenden oder Mo- numenten, Bildnisse beruͤhmter Maͤnner und Frauen; auch sogar Empfehlungsschreiben wurden versprochen, wenn man Buͤrgen stelle. Ueberdieß sollte Unterricht ge- geben werden in Sprachen, Geschichte, Literatur, An- thropologie, Naturgeschichte, Botanik, Oditologie (Wissenschaft des Reisens); da hatte man zu erwarten: Auszuͤge aus den besten Reisebeschreibungen, und aus

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/190>, abgerufen am 21.11.2024.