Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.Sie sind gewißermaßen seine Bürgen. Die homeri- Was ist das für ein Volk, das bei den olympischen Was allgemein ist, kann kein Vorurtheil seyn. Nicht Sie sind gewißermaßen seine Buͤrgen. Die homeri- Was ist das fuͤr ein Volk, das bei den olympischen Was allgemein ist, kann kein Vorurtheil seyn. Nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0035" n="35"/> Sie sind gewißermaßen seine <hi rendition="#g">Buͤrgen.</hi> Die homeri-<lb/> schen Helden unterlassen es nie. <hi rendition="#g">Plato</hi> selbst haͤlt es<lb/> nicht fuͤr zu gering, zu bemerken, daß <hi rendition="#g">Alcibiades,</hi><lb/> durch den <hi rendition="#g">Eurysaces,</hi> bis zu Jupiter hinauf rechnen<lb/> konnte, und daß <hi rendition="#g">Sokrates</hi> den <hi rendition="#g">Daͤdalus</hi> und <hi rendition="#g">Vul-<lb/> kan</hi> zu Ahnherren hatte. —</p><lb/> <p>Was ist das fuͤr ein Volk, das bei den olympischen<lb/> Spielen sich das Geschlechtsregister des <hi rendition="#g">Leonidas</hi> her-<lb/> erzaͤhlen laͤßt? Was ist das fuͤr ein Volk, das die Ge-<lb/> duld hat, von der Rednerbuͤhne herab den Caͤsar die<lb/> lange Reihe seiner Ahnen nennen zu hoͤren? — Die<lb/><hi rendition="#g">Griechen!</hi> die <hi rendition="#g">Roͤmer!</hi> — Man waͤge auf einer<lb/> Seite die Uebereinstimmung aller Voͤlker, aller Zeiten,<lb/> unter allen Regierungen und Formen derselben; auf der<lb/> andern die Weisheit einiger Tage, der man die große Ent-<lb/> deckung verdanket, daß ein Sohn mit seinem Vater gar<lb/> Nichts zu schaffen hat.</p><lb/> <p>Was allgemein ist, kann kein Vorurtheil seyn. Nicht<lb/> nur Europa, selbst die neue Welt haͤngt an diesem Glau-<lb/> ben, und kein Wilder in Nordamerika verlaͤßt seine Woh-<lb/> nung, ohne die Gebeine seiner Vaͤter mitzunehmen. Das<lb/> aͤlteste bekannte Volk, die Chineser, verehrt seine Voraͤl-<lb/> tern sogar noch abgoͤttisch. Vom Palast bis zur Huͤtte<lb/> sucht der Mensch sein Andenken auf kommende Jahrhun-<lb/> derte fortzupflanzen. Von diesem Wunsche beseelt, saͤet<lb/> der Greis den Saamen eines Baumes, dessen drittes Blatt<lb/> er vielleicht kaum erleben wird. Durch seine Voraͤltern<lb/> (das heißt <hi rendition="#g">Erinnerungen)</hi> haͤngt er mit der Vergan-<lb/> genheit zusammen; durch seine Kinder (das heißt <hi rendition="#g">Hoff-<lb/> nungen)</hi> mit der Zukunft. Jn der physischen Ord-<lb/> nung der Dinge gehen die Jndividuen unter, die Gattun-<lb/> gen bleiben ewig; eben so in der moralischen. Der ist<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0035]
Sie sind gewißermaßen seine Buͤrgen. Die homeri-
schen Helden unterlassen es nie. Plato selbst haͤlt es
nicht fuͤr zu gering, zu bemerken, daß Alcibiades,
durch den Eurysaces, bis zu Jupiter hinauf rechnen
konnte, und daß Sokrates den Daͤdalus und Vul-
kan zu Ahnherren hatte. —
Was ist das fuͤr ein Volk, das bei den olympischen
Spielen sich das Geschlechtsregister des Leonidas her-
erzaͤhlen laͤßt? Was ist das fuͤr ein Volk, das die Ge-
duld hat, von der Rednerbuͤhne herab den Caͤsar die
lange Reihe seiner Ahnen nennen zu hoͤren? — Die
Griechen! die Roͤmer! — Man waͤge auf einer
Seite die Uebereinstimmung aller Voͤlker, aller Zeiten,
unter allen Regierungen und Formen derselben; auf der
andern die Weisheit einiger Tage, der man die große Ent-
deckung verdanket, daß ein Sohn mit seinem Vater gar
Nichts zu schaffen hat.
Was allgemein ist, kann kein Vorurtheil seyn. Nicht
nur Europa, selbst die neue Welt haͤngt an diesem Glau-
ben, und kein Wilder in Nordamerika verlaͤßt seine Woh-
nung, ohne die Gebeine seiner Vaͤter mitzunehmen. Das
aͤlteste bekannte Volk, die Chineser, verehrt seine Voraͤl-
tern sogar noch abgoͤttisch. Vom Palast bis zur Huͤtte
sucht der Mensch sein Andenken auf kommende Jahrhun-
derte fortzupflanzen. Von diesem Wunsche beseelt, saͤet
der Greis den Saamen eines Baumes, dessen drittes Blatt
er vielleicht kaum erleben wird. Durch seine Voraͤltern
(das heißt Erinnerungen) haͤngt er mit der Vergan-
genheit zusammen; durch seine Kinder (das heißt Hoff-
nungen) mit der Zukunft. Jn der physischen Ord-
nung der Dinge gehen die Jndividuen unter, die Gattun-
gen bleiben ewig; eben so in der moralischen. Der ist
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