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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804.

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die Lehranstalt für junge Blinde vereinigt, in welcher
sie zu allerlei Manufakturarbeiten, oder was ihnen sonst
zu lernen möglich ist, angewiesen werden. Vom bloßen
Gefühle geleitet, lesen und drucken sie noch wie vor-
mals, haben ihre geographische Karten en relief, ihre
Musiknoten deßgleichen, lieben die Musik ganz besonders
(weßhalb man auch in ihren Schlafsälen fast Nichts als
musikalische Jnstrumente sieht) gehen überall frei um-
her, ohne sich zu stoßen, sind immer lustig und guter
Dinge. Die Mädchen spinnen. Der Unterhalt dieser
glücklichen Elenden schien mir aber bei weitem nicht so
gut, als z. B. der der obenerwähnten Waisenkinder. Das
Haus ist groß und schmutzig. Man zeigt weniger Ach-
tung darinn vor dem Publikum als sonst allgemein in
Paris. Jch wollte einer öffentlichen Sitzung beiwohnen,
sie war um 12 Uhr präzise angesagt. Das Wort prä-
zise
wird hier oft sehr uneigentlich gebraucht. Es war
halb Eins, als ich hinkam, da saßen die Blinden noch
und stimmten ihre Geigen. Jeder spielt sein eignes
Stückchen, und das währte so lange, und war so höllisch
anzuhören, daß sie mich endlich nach J Uhr mit ihrer
Teufelsmusik wirklich davon jagten, als die Sitzung
noch immer nicht eröffnet war. -- Verschiedene ihrer
Fabrikate lagen ausgebreitet, Bettdecken u. dgl.

Das Prytaneum.

Ursprünglich ist diese Erziehungsanstalt für solche
Knaben bestimmt, derer Väter auf dem Bette der Eh-
ren fürs Vaterland starben, und denen nunmehr die
dankbare Nazion den Vater ersetzt. Es werden aber auch
Pensionairs aufgenommen, welche für Unterricht, Kost
und Kleidung jährlich die sehr mäßige Summe von

die Lehranstalt fuͤr junge Blinde vereinigt, in welcher
sie zu allerlei Manufakturarbeiten, oder was ihnen sonst
zu lernen moͤglich ist, angewiesen werden. Vom bloßen
Gefuͤhle geleitet, lesen und drucken sie noch wie vor-
mals, haben ihre geographische Karten en relief, ihre
Musiknoten deßgleichen, lieben die Musik ganz besonders
(weßhalb man auch in ihren Schlafsaͤlen fast Nichts als
musikalische Jnstrumente sieht) gehen uͤberall frei um-
her, ohne sich zu stoßen, sind immer lustig und guter
Dinge. Die Maͤdchen spinnen. Der Unterhalt dieser
gluͤcklichen Elenden schien mir aber bei weitem nicht so
gut, als z. B. der der obenerwaͤhnten Waisenkinder. Das
Haus ist groß und schmutzig. Man zeigt weniger Ach-
tung darinn vor dem Publikum als sonst allgemein in
Paris. Jch wollte einer oͤffentlichen Sitzung beiwohnen,
sie war um 12 Uhr praͤzise angesagt. Das Wort praͤ-
zise
wird hier oft sehr uneigentlich gebraucht. Es war
halb Eins, als ich hinkam, da saßen die Blinden noch
und stimmten ihre Geigen. Jeder spielt sein eignes
Stuͤckchen, und das waͤhrte so lange, und war so hoͤllisch
anzuhoͤren, daß sie mich endlich nach J Uhr mit ihrer
Teufelsmusik wirklich davon jagten, als die Sitzung
noch immer nicht eroͤffnet war. — Verschiedene ihrer
Fabrikate lagen ausgebreitet, Bettdecken u. dgl.

Das Prytaneum.

Urspruͤnglich ist diese Erziehungsanstalt fuͤr solche
Knaben bestimmt, derer Vaͤter auf dem Bette der Eh-
ren fuͤrs Vaterland starben, und denen nunmehr die
dankbare Nazion den Vater ersetzt. Es werden aber auch
Pensionairs aufgenommen, welche fuͤr Unterricht, Kost
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[61/0061] die Lehranstalt fuͤr junge Blinde vereinigt, in welcher sie zu allerlei Manufakturarbeiten, oder was ihnen sonst zu lernen moͤglich ist, angewiesen werden. Vom bloßen Gefuͤhle geleitet, lesen und drucken sie noch wie vor- mals, haben ihre geographische Karten en relief, ihre Musiknoten deßgleichen, lieben die Musik ganz besonders (weßhalb man auch in ihren Schlafsaͤlen fast Nichts als musikalische Jnstrumente sieht) gehen uͤberall frei um- her, ohne sich zu stoßen, sind immer lustig und guter Dinge. Die Maͤdchen spinnen. Der Unterhalt dieser gluͤcklichen Elenden schien mir aber bei weitem nicht so gut, als z. B. der der obenerwaͤhnten Waisenkinder. Das Haus ist groß und schmutzig. Man zeigt weniger Ach- tung darinn vor dem Publikum als sonst allgemein in Paris. Jch wollte einer oͤffentlichen Sitzung beiwohnen, sie war um 12 Uhr praͤzise angesagt. Das Wort praͤ- zise wird hier oft sehr uneigentlich gebraucht. Es war halb Eins, als ich hinkam, da saßen die Blinden noch und stimmten ihre Geigen. Jeder spielt sein eignes Stuͤckchen, und das waͤhrte so lange, und war so hoͤllisch anzuhoͤren, daß sie mich endlich nach J Uhr mit ihrer Teufelsmusik wirklich davon jagten, als die Sitzung noch immer nicht eroͤffnet war. — Verschiedene ihrer Fabrikate lagen ausgebreitet, Bettdecken u. dgl. Das Prytaneum. Urspruͤnglich ist diese Erziehungsanstalt fuͤr solche Knaben bestimmt, derer Vaͤter auf dem Bette der Eh- ren fuͤrs Vaterland starben, und denen nunmehr die dankbare Nazion den Vater ersetzt. Es werden aber auch Pensionairs aufgenommen, welche fuͤr Unterricht, Kost und Kleidung jaͤhrlich die sehr maͤßige Summe von

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 2. Berlin, 1804, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen02_1804/61>, abgerufen am 27.11.2024.