Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.Vierter Aufzug. Erster Auftritt. Franz tritt auf mit einem Stuck Brod und Käse in der Hand, wovon er sich dann und wann einen Bissen her- unterschneidet. Gleich darauf der Major. Franz. Als ich noch in der Stadt auf'm Kaffeehause diente, da war ich ein lockerer Geselle; Karten und Wür- fel mein Zeitvertreib vom Abend bis an den Mor- gen; Braten und Wein zu jeder Stunde, wenn es mir beliebte den Speiseschrank heimzusuchen. Und doch schmeckte mir kein Bissen! Dem Braten fehlte das Salz der innern Zufriedenheit, dem Wein man- gelte das Zuckerbrod eines guten Gewissens. -- Wie anders, seit ich diesem Herrn diene! Ich habe heute nichts Böses gethan; ich habe mein Tagewerk redlich vollbracht. Du guter Käse! du schwarzes Brod! vortreflich schmeckt ihr mir! (Er erblickt den Major in der Ferne.) Pfuy, daß ich schon wieder ge- G 5
Vierter Aufzug. Erſter Auftritt. Franz tritt auf mit einem Stuck Brod und Käſe in der Hand, wovon er ſich dann und wann einen Biſſen her- unterſchneidet. Gleich darauf der Major. Franz. Als ich noch in der Stadt auf’m Kaffeehauſe diente, da war ich ein lockerer Geſelle; Karten und Wuͤr- fel mein Zeitvertreib vom Abend bis an den Mor- gen; Braten und Wein zu jeder Stunde, wenn es mir beliebte den Speiſeſchrank heimzuſuchen. Und doch ſchmeckte mir kein Biſſen! Dem Braten fehlte das Salz der innern Zufriedenheit, dem Wein man- gelte das Zuckerbrod eines guten Gewiſſens. — Wie anders, ſeit ich dieſem Herrn diene! Ich habe heute nichts Boͤſes gethan; ich habe mein Tagewerk redlich vollbracht. Du guter Kaͤſe! du ſchwarzes Brod! vortreflich ſchmeckt ihr mir! (Er erblickt den Major in der Ferne.) Pfuy, daß ich ſchon wieder ge- G 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0113" n="105"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Vierter Aufzug.</hi> </hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Erſter Auftritt.</hi> </hi> </head><lb/> <stage>Franz tritt auf mit einem Stuck Brod und Käſe in der<lb/> Hand, wovon er ſich dann und wann einen <choice><corr>Biſſen</corr><sic>Viſſen</sic></choice> her-<lb/> unterſchneidet. Gleich darauf der Major.</stage><lb/> <sp who="#FRA"> <speaker> <hi rendition="#fr">Franz.</hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#in">A</hi>ls ich noch in der Stadt auf’m Kaffeehauſe diente,<lb/> da war ich ein lockerer Geſelle; Karten und Wuͤr-<lb/> fel mein Zeitvertreib vom Abend bis an den Mor-<lb/> gen; Braten und Wein zu jeder Stunde, wenn es<lb/> mir beliebte den Speiſeſchrank <choice><sic>heimzuſnchen</sic><corr>heimzuſuchen</corr></choice>. Und<lb/> doch ſchmeckte mir kein Biſſen! Dem Braten fehlte<lb/> das Salz der innern Zufriedenheit, dem Wein man-<lb/> gelte das Zuckerbrod eines guten Gewiſſens. —<lb/> Wie anders, ſeit ich dieſem Herrn diene! Ich habe<lb/> heute <choice><sic>nichs</sic><corr>nichts</corr></choice> Boͤſes gethan; ich habe mein Tagewerk<lb/> redlich vollbracht. Du guter Kaͤſe! du ſchwarzes<lb/> Brod! vortreflich ſchmeckt ihr mir!</p> <stage>(Er erblickt den<lb/> Major in der Ferne.)</stage> <p>Pfuy, daß ich ſchon wieder ge-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 5</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0113]
Vierter Aufzug.
Erſter Auftritt.
Franz tritt auf mit einem Stuck Brod und Käſe in der
Hand, wovon er ſich dann und wann einen Biſſen her-
unterſchneidet. Gleich darauf der Major.
Franz.
Als ich noch in der Stadt auf’m Kaffeehauſe diente,
da war ich ein lockerer Geſelle; Karten und Wuͤr-
fel mein Zeitvertreib vom Abend bis an den Mor-
gen; Braten und Wein zu jeder Stunde, wenn es
mir beliebte den Speiſeſchrank heimzuſuchen. Und
doch ſchmeckte mir kein Biſſen! Dem Braten fehlte
das Salz der innern Zufriedenheit, dem Wein man-
gelte das Zuckerbrod eines guten Gewiſſens. —
Wie anders, ſeit ich dieſem Herrn diene! Ich habe
heute nichts Boͤſes gethan; ich habe mein Tagewerk
redlich vollbracht. Du guter Kaͤſe! du ſchwarzes
Brod! vortreflich ſchmeckt ihr mir! (Er erblickt den
Major in der Ferne.) Pfuy, daß ich ſchon wieder ge-
G 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/113 |
Zitationshilfe: | Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/113>, abgerufen am 17.07.2024. |