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Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

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Ohnmacht zu fallen; es würde nicht halb so viel
Lärm entstehen.
Graf. Das glaub' ich beynahe selbst.
Bitterm. Und lieber Gott! niemand weiß doch,
wer das Frauenzimmer ist. Ich habe Briefe über
Briefe geschrieben, ich habe Antworten über Ant-
worten erhalten; keiner meiner Correspondenten
kann mir Auskunft geben.
Graf. Weiß er was, Bittermann? Da will
ich ihm einen guten Rath ertheilen.
Bitterm. (sehr begierig) Ich bin ganz Ohr
Graf. Ich schließe aus dem heutigen Vorfall,
daß Madam Müller und der Fremde sich ziemlich
genau kennen müssen. Wenn er also nur von dem
Fremden nähere Nachricht einziehen könnte!
Bitterm. (wehmüthig) Ach theurer Herr Graf!
habe ich mir denn nicht schon die unsäglichste Mühe
deshalb gegeben? Seit vier Monaten ist all' mein
Dichten und Trachten auf diesen wichtigen Gegen-
stand gelenkt; aber da ist egyptische Finsterniß,
undurchdringlicher Nebel. Und ohne Ruhm zu
melden, was ich nicht zu Tage fördere, das muß
im tiefsten Schacht vergraben liegen. Ich habe
meine Correspondenten weit und breit, und dann
Ohnmacht zu fallen; es wuͤrde nicht halb ſo viel
Laͤrm entſtehen.
Graf. Das glaub’ ich beynahe ſelbſt.
Bitterm. Und lieber Gott! niemand weiß doch,
wer das Frauenzimmer iſt. Ich habe Briefe uͤber
Briefe geſchrieben, ich habe Antworten uͤber Ant-
worten erhalten; keiner meiner Correſpondenten
kann mir Auskunft geben.
Graf. Weiß er was, Bittermann? Da will
ich ihm einen guten Rath ertheilen.
Bitterm. (ſehr begierig) Ich bin ganz Ohr
Graf. Ich ſchließe aus dem heutigen Vorfall,
daß Madam Muͤller und der Fremde ſich ziemlich
genau kennen muͤſſen. Wenn er alſo nur von dem
Fremden naͤhere Nachricht einziehen koͤnnte!
Bitterm. (wehmüthig) Ach theurer Herr Graf!
habe ich mir denn nicht ſchon die unſaͤglichſte Muͤhe
deshalb gegeben? Seit vier Monaten iſt all’ mein
Dichten und Trachten auf dieſen wichtigen Gegen-
ſtand gelenkt; aber da iſt egyptiſche Finſterniß,
undurchdringlicher Nebel. Und ohne Ruhm zu
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im tiefſten Schacht vergraben liegen. Ich habe
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[141/0149] Ohnmacht zu fallen; es wuͤrde nicht halb ſo viel Laͤrm entſtehen. Graf. Das glaub’ ich beynahe ſelbſt. Bitterm. Und lieber Gott! niemand weiß doch, wer das Frauenzimmer iſt. Ich habe Briefe uͤber Briefe geſchrieben, ich habe Antworten uͤber Ant- worten erhalten; keiner meiner Correſpondenten kann mir Auskunft geben. Graf. Weiß er was, Bittermann? Da will ich ihm einen guten Rath ertheilen. Bitterm. (ſehr begierig) Ich bin ganz Ohr Graf. Ich ſchließe aus dem heutigen Vorfall, daß Madam Muͤller und der Fremde ſich ziemlich genau kennen muͤſſen. Wenn er alſo nur von dem Fremden naͤhere Nachricht einziehen koͤnnte! Bitterm. (wehmüthig) Ach theurer Herr Graf! habe ich mir denn nicht ſchon die unſaͤglichſte Muͤhe deshalb gegeben? Seit vier Monaten iſt all’ mein Dichten und Trachten auf dieſen wichtigen Gegen- ſtand gelenkt; aber da iſt egyptiſche Finſterniß, undurchdringlicher Nebel. Und ohne Ruhm zu melden, was ich nicht zu Tage foͤrdere, das muß im tiefſten Schacht vergraben liegen. Ich habe meine Correſpondenten weit und breit, und dann

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/149>, abgerufen am 23.11.2024.