Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.
an welchem Sie mir diesen Schmuck schenkten. An jenem Abend legte mein alter Vater unsere Hände in einander, und froh sprach ich ihn aus, den Schwur ewiger Treue. -- Er ist gebrochen! -- Damals hatt' ich ein reines, schuldloses Herz -- ach! dieß Gefühl kauft keine Reue zurück! -- Dieß Halsband schenkten Sie mir vor fünf Jahren an meinem Geburtstage. Das war ein glücklicher Tag. Sie hatten ein kleines, ländliches Fest ver- anstaltet. O! wie waren wir alle so heiter und froh! -- Diese Schmucknadel erhielt ich, als ich meinen Wilhelm gebohren hatte. -- O wie schwer drückt die Erinnerung an entflohene Freuden, wenn du selbst ihr Mörder warst! -- Nein, auch diesen Schmuck kann ich nicht behalten; -- es müßte denn Ihre Absicht seyn, mir durch seinen Anblick endlose Vorwürfe zu bereiten. -- Nehmen Sie ihn zurück! (Sie reicht ihm den Schmuck, nachdem sie vorher nur die Nadel herausgenommen.) Unbek. (in eben so großer Gemüthsbewegung, als Eu- lalia, welche er aber zu verbergen sucht, nimmt den Schmuck mit weggewandtem Gesicht und steckt ihn ein.) Eulal. Nur diese Nadel sey mir ein Andenken an die Geburt meines Wilhelms. L 2
an welchem Sie mir dieſen Schmuck ſchenkten. An jenem Abend legte mein alter Vater unſere Haͤnde in einander, und froh ſprach ich ihn aus, den Schwur ewiger Treue. — Er iſt gebrochen! — Damals hatt’ ich ein reines, ſchuldloſes Herz — ach! dieß Gefuͤhl kauft keine Reue zuruͤck! — Dieß Halsband ſchenkten Sie mir vor fuͤnf Jahren an meinem Geburtstage. Das war ein gluͤcklicher Tag. Sie hatten ein kleines, laͤndliches Feſt ver- anſtaltet. O! wie waren wir alle ſo heiter und froh! — Dieſe Schmucknadel erhielt ich, als ich meinen Wilhelm gebohren hatte. — O wie ſchwer druͤckt die Erinnerung an entflohene Freuden, wenn du ſelbſt ihr Moͤrder warſt! — Nein, auch dieſen Schmuck kann ich nicht behalten; — es muͤßte denn Ihre Abſicht ſeyn, mir durch ſeinen Anblick endloſe Vorwuͤrfe zu bereiten. — Nehmen Sie ihn zuruͤck! (Sie reicht ihm den Schmuck, nachdem ſie vorher nur die Nadel herausgenommen.) Unbek. (in eben ſo großer Gemüthsbewegung, als Eu- lalia, welche er aber zu verbergen ſucht, nimmt den Schmuck mit weggewandtem Geſicht und ſteckt ihn ein.) Eulal. Nur dieſe Nadel ſey mir ein Andenken an die Geburt meines Wilhelms. L 2
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jenem Abend legte mein alter Vater unſere Haͤnde
in einander, und froh ſprach ich ihn aus, den
Schwur ewiger Treue. — Er iſt gebrochen! —
Damals hatt’ ich ein reines, ſchuldloſes Herz —
ach! dieß Gefuͤhl kauft keine Reue zuruͤck! — Dieß
Halsband ſchenkten Sie mir vor fuͤnf Jahren an
meinem Geburtstage. Das war ein gluͤcklicher
Tag. Sie hatten ein kleines, laͤndliches Feſt ver-
anſtaltet. O! wie waren wir alle ſo heiter und
froh! — Dieſe Schmucknadel erhielt ich, als ich
meinen Wilhelm gebohren hatte. — O wie ſchwer
druͤckt die Erinnerung an entflohene Freuden, wenn
du ſelbſt ihr Moͤrder warſt! — Nein, auch dieſen
Schmuck kann ich nicht behalten; — es muͤßte
denn Ihre Abſicht ſeyn, mir durch ſeinen Anblick
endloſe Vorwuͤrfe zu bereiten. — Nehmen Sie ihn
zuruͤck! (Sie reicht ihm den Schmuck, nachdem ſie vorher
nur die Nadel herausgenommen.)
Unbek. (in eben ſo großer Gemüthsbewegung, als Eu-
lalia, welche er aber zu verbergen ſucht, nimmt den Schmuck
mit weggewandtem Geſicht und ſteckt ihn ein.)
Eulal. Nur dieſe Nadel ſey mir ein Andenken
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