Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
Herz an meinen Kindern hing; wie mir die Thrä-
nen in die Augen schossen, so oft ich einen Knaben
oder ein Mädchen gleiches Alters erblickte; wie ich
zuweilen in der Dämmerung in meiner einsamen
Kammer saß, mich an den Zauberbildern meiner
regen Phantasie letzend, bald Wilhelm, bald Mal-
chen auf meinem Schooße wiegend. -- O! erlau-
ben Sie mir immer, sie noch einmal zu sehen!
nur eine mütterliche Umarmung! und wir trennen
uns dann auf ewig.
Unbek. Gern, Eulalia -- noch diesen Abend
-- ich erwarte die Kinder jeden Augenblick -- sie
wurden im nächsten Städtchen erzogen -- ich habe
meinen Bedienten dahin gesandt -- er könnte schon
zurück seyn -- ich gebe ihnen mein Wort, so bald
sie kommen, sende ich sie aufs Schloß. Da mögen
sie, wenn es Ihnen gefällt, bis zum Anbruch des
morgenden Tages bey Ihnen bleiben -- dann
nehme ich sie wieder mit mir. --
(Pause.)
(Die Gräfin und ihr Bruder, welche, wenig Schritte von
da, der ganzen Unterredung mit innigster Theilnahme
zuhörten, geben sich verstohlne Winke. Der Major
geht in die Hütte, und kommt bald darauf mit Franz
und den beyden Kindern zurück. Er übergiebt den Kn[a]-

L 3
Herz an meinen Kindern hing; wie mir die Thraͤ-
nen in die Augen ſchoſſen, ſo oft ich einen Knaben
oder ein Maͤdchen gleiches Alters erblickte; wie ich
zuweilen in der Daͤmmerung in meiner einſamen
Kammer ſaß, mich an den Zauberbildern meiner
regen Phantaſie letzend, bald Wilhelm, bald Mal-
chen auf meinem Schooße wiegend. — O! erlau-
ben Sie mir immer, ſie noch einmal zu ſehen!
nur eine muͤtterliche Umarmung! und wir trennen
uns dann auf ewig.
Unbek. Gern, Eulalia — noch dieſen Abend
— ich erwarte die Kinder jeden Augenblick — ſie
wurden im naͤchſten Staͤdtchen erzogen — ich habe
meinen Bedienten dahin geſandt — er koͤnnte ſchon
zuruͤck ſeyn — ich gebe ihnen mein Wort, ſo bald
ſie kommen, ſende ich ſie aufs Schloß. Da moͤgen
ſie, wenn es Ihnen gefaͤllt, bis zum Anbruch des
morgenden Tages bey Ihnen bleiben — dann
nehme ich ſie wieder mit mir. —
(Pauſe.)
(Die Gräfin und ihr Bruder, welche, wenig Schritte von
da, der ganzen Unterredung mit innigſter Theilnahme
zuhörten, geben ſich verſtohlne Winke. Der Major
geht in die Hütte, und kommt bald darauf mit Franz
und den beyden Kindern zurück. Er übergiebt den Kn[a]-

L 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#EUL">
              <p><pb facs="#f0173" n="165"/>
Herz an meinen Kindern hing; wie mir die Thra&#x0364;-<lb/>
nen in die Augen &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o oft ich einen Knaben<lb/>
oder ein Ma&#x0364;dchen gleiches Alters erblickte; wie ich<lb/>
zuweilen in der Da&#x0364;mmerung in meiner ein&#x017F;amen<lb/>
Kammer &#x017F;aß, mich an den Zauberbildern meiner<lb/>
regen Phanta&#x017F;ie letzend, bald Wilhelm, bald Mal-<lb/>
chen auf meinem Schooße wiegend. &#x2014; O! erlau-<lb/>
ben Sie mir immer, &#x017F;ie noch einmal zu &#x017F;ehen!<lb/>
nur <hi rendition="#g">eine</hi> mu&#x0364;tterliche Umarmung! und wir trennen<lb/>
uns dann auf ewig.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#UNBE">
              <speaker> <hi rendition="#fr">Unbek.</hi> </speaker>
              <p>Gern, Eulalia &#x2014; noch die&#x017F;en Abend<lb/>
&#x2014; ich erwarte die Kinder jeden Augenblick &#x2014; &#x017F;ie<lb/>
wurden im na&#x0364;ch&#x017F;ten Sta&#x0364;dtchen erzogen &#x2014; ich habe<lb/>
meinen Bedienten dahin ge&#x017F;andt &#x2014; er ko&#x0364;nnte &#x017F;chon<lb/>
zuru&#x0364;ck &#x017F;eyn &#x2014; ich gebe ihnen mein Wort, &#x017F;o bald<lb/>
&#x017F;ie kommen, &#x017F;ende ich &#x017F;ie aufs Schloß. Da mo&#x0364;gen<lb/>
&#x017F;ie, wenn es Ihnen gefa&#x0364;llt, bis zum Anbruch des<lb/>
morgenden Tages bey Ihnen bleiben &#x2014; dann<lb/>
nehme ich &#x017F;ie wieder mit mir. &#x2014;</p>
              <stage> <hi rendition="#et">(Pau&#x017F;e.)</hi> </stage><lb/>
              <stage>(Die Gräfin und ihr Bruder, welche, wenig Schritte von<lb/>
da, der ganzen Unterredung mit innig&#x017F;ter Theilnahme<lb/>
zuhörten, geben &#x017F;ich ver&#x017F;tohlne Winke. Der Major<lb/>
geht in die Hütte, und kommt bald darauf mit Franz<lb/>
und den beyden Kindern zurück. Er übergiebt den Kn<supplied>a</supplied>-</stage><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">L 3</fw><lb/>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0173] Herz an meinen Kindern hing; wie mir die Thraͤ- nen in die Augen ſchoſſen, ſo oft ich einen Knaben oder ein Maͤdchen gleiches Alters erblickte; wie ich zuweilen in der Daͤmmerung in meiner einſamen Kammer ſaß, mich an den Zauberbildern meiner regen Phantaſie letzend, bald Wilhelm, bald Mal- chen auf meinem Schooße wiegend. — O! erlau- ben Sie mir immer, ſie noch einmal zu ſehen! nur eine muͤtterliche Umarmung! und wir trennen uns dann auf ewig. Unbek. Gern, Eulalia — noch dieſen Abend — ich erwarte die Kinder jeden Augenblick — ſie wurden im naͤchſten Staͤdtchen erzogen — ich habe meinen Bedienten dahin geſandt — er koͤnnte ſchon zuruͤck ſeyn — ich gebe ihnen mein Wort, ſo bald ſie kommen, ſende ich ſie aufs Schloß. Da moͤgen ſie, wenn es Ihnen gefaͤllt, bis zum Anbruch des morgenden Tages bey Ihnen bleiben — dann nehme ich ſie wieder mit mir. — (Pauſe.) (Die Gräfin und ihr Bruder, welche, wenig Schritte von da, der ganzen Unterredung mit innigſter Theilnahme zuhörten, geben ſich verſtohlne Winke. Der Major geht in die Hütte, und kommt bald darauf mit Franz und den beyden Kindern zurück. Er übergiebt den Kna- L 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/173
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/173>, abgerufen am 27.11.2024.