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Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.

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Greis. Nahe an die siebzig. Habe auch wohl
nicht viel Freude mehr zu hoffen. -- Je nun, es
giebt ja noch ein anderes Leben!
Franz. Du solltest mit dem Schicksal zürnen,
das dich, so nahe dem Grabe, wieder in die Welt
zurückwirft. Für den Unglücklichen ist der Tod
kein Uebel.
Greis. Bin ich denn so unglücklich? Genieß
ich nicht diesen schönen Morgen? Bin ich nicht
wieder gesund? -- Glaubt mir, Herr, ein Genese-
ter, der zum erstenmale wieder in die freie Luft
tritt, ist in diesem Augenblick das glücklichste Ge-
schöpf unter der Sonne.
Franz. Ein Glück, an welches sich der Mensch
nur allzuleicht gewöhnt.
Greis. Freylich wohl. Doch weniger im Al-
ter. Da wird man haushälterisch mit der Gesund-
heit. Man stürzt den Wein nicht mehr hinun-
ter, schlurft die lezten Tropfen. Und so ists auch
mit der Freude. Ich habe freylich viel in der
Welt gelitten und leide noch, aber ich würde darum
doch nicht gerne sterben. Als mir vor vierzig Jah-
ren mein Vater diese Hütte hinterließ; da war ich
ein junger rascher Kerl, nahm ein gutes flinkes
Greis. Nahe an die ſiebzig. Habe auch wohl
nicht viel Freude mehr zu hoffen. — Je nun, es
giebt ja noch ein anderes Leben!
Franz. Du ſollteſt mit dem Schickſal zuͤrnen,
das dich, ſo nahe dem Grabe, wieder in die Welt
zuruͤckwirft. Fuͤr den Ungluͤcklichen iſt der Tod
kein Uebel.
Greis. Bin ich denn ſo ungluͤcklich? Genieß
ich nicht dieſen ſchoͤnen Morgen? Bin ich nicht
wieder geſund? — Glaubt mir, Herr, ein Geneſe-
ter, der zum erſtenmale wieder in die freie Luft
tritt, iſt in dieſem Augenblick das gluͤcklichſte Ge-
ſchoͤpf unter der Sonne.
Franz. Ein Gluͤck, an welches ſich der Menſch
nur allzuleicht gewoͤhnt.
Greis. Freylich wohl. Doch weniger im Al-
ter. Da wird man haushaͤlteriſch mit der Geſund-
heit. Man ſtuͤrzt den Wein nicht mehr hinun-
ter, ſchlurft die lezten Tropfen. Und ſo iſts auch
mit der Freude. Ich habe freylich viel in der
Welt gelitten und leide noch, aber ich wuͤrde darum
doch nicht gerne ſterben. Als mir vor vierzig Jah-
ren mein Vater dieſe Huͤtte hinterließ; da war ich
ein junger raſcher Kerl, nahm ein gutes flinkes
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[18/0026] Greis. Nahe an die ſiebzig. Habe auch wohl nicht viel Freude mehr zu hoffen. — Je nun, es giebt ja noch ein anderes Leben! Franz. Du ſollteſt mit dem Schickſal zuͤrnen, das dich, ſo nahe dem Grabe, wieder in die Welt zuruͤckwirft. Fuͤr den Ungluͤcklichen iſt der Tod kein Uebel. Greis. Bin ich denn ſo ungluͤcklich? Genieß ich nicht dieſen ſchoͤnen Morgen? Bin ich nicht wieder geſund? — Glaubt mir, Herr, ein Geneſe- ter, der zum erſtenmale wieder in die freie Luft tritt, iſt in dieſem Augenblick das gluͤcklichſte Ge- ſchoͤpf unter der Sonne. Franz. Ein Gluͤck, an welches ſich der Menſch nur allzuleicht gewoͤhnt. Greis. Freylich wohl. Doch weniger im Al- ter. Da wird man haushaͤlteriſch mit der Geſund- heit. Man ſtuͤrzt den Wein nicht mehr hinun- ter, ſchlurft die lezten Tropfen. Und ſo iſts auch mit der Freude. Ich habe freylich viel in der Welt gelitten und leide noch, aber ich wuͤrde darum doch nicht gerne ſterben. Als mir vor vierzig Jah- ren mein Vater dieſe Huͤtte hinterließ; da war ich ein junger raſcher Kerl, nahm ein gutes flinkes

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_menschenhass_1790/26>, abgerufen am 21.11.2024.