Kotzebue, August von: Menschenhaß und Reue. Berlin, 1790.
Gott, wie gütig bist du! Jahrelange Leiden ver- mögen die Rückerinnerung an ehemalige Freuden nicht auszulöschen, aber ein einziger froher Au- genblick tilgt Jahrelange Leiden aus unserm Ge- dächtniß. -- Ich gehe; beschreib' er seinem Herrn meine Freude; das wird ihm lieber seyn, als mein Dank. -- (im Gehen) Ach! warum kann ich nicht laufen? warum nicht fliegen? -- (er steht plö[tz]lich stille). Halt! das war unrecht. Mein alter Ge- sellschafter muß mit mir gehen. Er hat mit mir gehungert und gewinselt; er soll sich auch mit mir freuen. Er und mein Sohn sind alte gute Freunde. O wie wird der gute Fidel vor uns herspringen! (er geht in die Hütte). Franz. (ihm nachsehend) Warum bin ich nicht reich? oder ein Fürst? Augenblicke, wie diese, sind es, in welchen ich Fürsten Reichthum beneide. (er geht ab). B 4
Gott, wie guͤtig biſt du! Jahrelange Leiden ver- moͤgen die Ruͤckerinnerung an ehemalige Freuden nicht auszuloͤſchen, aber ein einziger froher Au- genblick tilgt Jahrelange Leiden aus unſerm Ge- daͤchtniß. — Ich gehe; beſchreib’ er ſeinem Herrn meine Freude; das wird ihm lieber ſeyn, als mein Dank. — (im Gehen) Ach! warum kann ich nicht laufen? warum nicht fliegen? — (er ſteht plö[tz]lich ſtille). Halt! das war unrecht. Mein alter Ge- ſellſchafter muß mit mir gehen. Er hat mit mir gehungert und gewinſelt; er ſoll ſich auch mit mir freuen. Er und mein Sohn ſind alte gute Freunde. O wie wird der gute Fidel vor uns herſpringen! (er geht in die Hütte). Franz. (ihm nachſehend) Warum bin ich nicht reich? oder ein Fuͤrſt? Augenblicke, wie dieſe, ſind es, in welchen ich Fuͤrſten Reichthum beneide. (er geht ab). B 4
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Gott, wie guͤtig biſt du! Jahrelange Leiden ver-
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nicht auszuloͤſchen, aber ein einziger froher Au-
genblick tilgt Jahrelange Leiden aus unſerm Ge-
daͤchtniß. — Ich gehe; beſchreib’ er ſeinem Herrn
meine Freude; das wird ihm lieber ſeyn, als mein
Dank. — (im Gehen) Ach! warum kann ich nicht
laufen? warum nicht fliegen? — (er ſteht plötzlich
ſtille). Halt! das war unrecht. Mein alter Ge-
ſellſchafter muß mit mir gehen. Er hat mit mir
gehungert und gewinſelt; er ſoll ſich auch mit mir
freuen. Er und mein Sohn ſind alte gute Freunde.
O wie wird der gute Fidel vor uns herſpringen!
(er geht in die Hütte).
Franz. (ihm nachſehend) Warum bin ich nicht
reich? oder ein Fuͤrſt? Augenblicke, wie dieſe,
ſind es, in welchen ich Fuͤrſten Reichthum beneide.
(er geht ab).
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